International Conference On Retroviruses, Boston, 22.-25. Februar 2016
Neue Ideen für ART und PrEP

Auf der diesjährigen CROI gab es viele spannende Themen. Im Zentrum standen die neuen langwirksamen Substanzen, die zur Behandlung wie zur Prävention der HIV-Infektion entwickelt werden.

CROI 2016 LogoDie CROI 2016 fand in Boston statt. 4.000 Wissenschaftler (die CROI versteht sich ja als Forum für den wissenschaftlichen Austausch ohne kommerziellen Einfluss) waren angereist. 40% der Teilnehmer kamen aus dem Ausland. Etwa 1.000 Arbeiten wurden präsentiert. Und es gab auch ein bisschen Glamour. Der erste „CROI-Oscar“ für besondere Verdienste wurde verliehen und zwar an Kenneth Cole, heute Vorstand von amfAR (Foundation for Aids Research). Der Modedesigner und Unternehmer engagiert sich seit 30 Jahren für die amerikanische Hilfsorganisation.

CROI im Wandel

Alles wie immer? Nicht ganz. Die großen klinischen Studien zur ART bzw. zu opportunistischen Infektionen, die früher die tägliche Praxis veränderten, gibt es kaum noch. Die nachmittäglichen Symposien sind mittlerweile Übersichtsvorträge auf Fortbildungsniveau und neue Themen, die nichts mit Retroviren zu tun haben wie Hepatitis und Ebola, haben Eingang gefunden. Ob sich die CROI hier weiter öffnen wird, ist derzeit Gegenstand der Diskussion.

PrEP auf dem Vormarsch

Inhaltlicher (und politischer) Schwerpunkt der CROI 2016 war die PrEP. TDF/FTC einmal täglich ist in den USA schon seit vier Jahren zur PrEP zugelassen und wird in manchen Gebieten von den Krankenkassen bzw. der öffentlichen Hand finanziert. Auf der Konferenz wurde stark dafür geworben und die ersten Implementierungsstudien zeigen eine gute Akzeptanz und geringe Nebenwirkungen. Die Abnahme der Knochendichte unter TDF/FTC um bis zu 2,5% innerhalb von 24 Wochen, die in iPrEx beobachtet wurde, nahm nach Absetzen der PrEP wieder zu, wobei sich ältere Patienten (>25 Jahre!) langsamer erholten (Grant R et al., 48LB). Die neue Tenofovir-Form TAF hat einen geringeren Einfluss auf die Knochendichte. Die Frage ist nur, ob TAF/FTC auch den gleichen protektiven Effekt als PrEP hat. Erste Gewebeuntersuchungen ergaben kein eindeutig positives Bild (Garrett KL et al., 102LB). Maraviroc scheint keine Alternative zu TDF zu ein. In der placebokontrollierten HTPN 069 erhielten 400 MSM/Transgender einmal täglich entweder Maraviroc allein oder Maraviroc/FTC oder Maraviroc/TDF oder TDF/FTC. Die Studie war nicht groß genug, um Unterschiede in der Wirksamkeit zu zeigen, doch vier HIV-Infektionen unter Maraviroc allein und eine unter Maraviroc/TDF sowie nicht protektive Spiegel im Rektalgewebe bei Maraviroc-Patienten lassen Zweifel aufkommen (Gulick R et al., 103; McGowan I et al., 104).

HIV-Infektion trotz PrEP

Der 43-jährige Mann begann im Februar 2013 eine PrEP mit TDF/TFC täglich. Er kam regelmäßig zum HIV-Test und holte dabei sein Rezept für die PrEP. Im Mai 2015 war plötzlich p24Ag positiv, der Western Blot negativ. Zwei bis vier Wochen vor dem positiven Test hatte der Mann mehrfach ungeschützten Analsex gehabt und über Bauchschmerzen geklagt. Eine sexuell übertragbare Infektion (Chlamydien, Gonorrhoe, Lues) wurde ausgeschlossen. Sieben Tage nach dem ersten positiven Testergebnis war p24Antigen negativ, die Viruslast betrug jedoch 28.000 Kopien/ml. Da man von einer Infektion unter PrEP ausging, wurde die ART mit Darunavir/r und Raltegravir eingeleitet. Mehrere Untersuchungen des TDF-Spiegels erlaubten den Rückschluss einer ausreichenden TDF-Konzentration im steady state zum Zeitpunkt der Infektion.

Der Resistenztest ergab sechs TAMs, eine NNRTI-Mutation (181C) sowie zwei Integrasemutationen (51Y und 92Q), was auf eine Resistenz gegen Elvitegravir und Emtricitabin und eine verminderte Empfindlichkeit auf TDF schließen lässt. „Vermutlich stammt das Virus von einem Patienten auf einer versagenden Therapie mit TDF/TFC/Elvitegravir/c“, meinte der Autor der Kasuistik. Aufgrund des Resistenztests war die ART auf Dolutegravir + Darunavir/Cobicistat + Rilpivirin umgestellt worden. (Abb. 1)

Abb. 1 Klinischer Verlauf des Patienten
Abb. 1 Klinischer Verlauf des Patienten

PrEP für Frauen

Abb. 2 RING-Studie. Abhängigkeit der Wirksamkeit des Dapivirin-Rings vom Alter der Frauen
Abb. 2 RING-Studie. Abhängigkeit der Wirksamkeit des Dapivirin-Rings vom Alter der Frauen

Bei Frauen gestaltet sich die PrEP schwieriger als bei schwulen Männern. In vielen PrEP-Studie war die Adhärenz und damit auch die Effektivität der PrEP bei Frauen schlecht. So erneut auch in zwei placebokontrollierten Studien mit einem Vaginalring im südlichen Afrika (n=4.500). Der weiche Silikonring, der das NNRTI Dapivirin freisetzt, wurde im Studienzentrum alle vier Wochen eingesetzt. Nach zwei Jahren verminderte der Ring das HIV-Risiko der Frauen insgesamt um 30%, bei über 25jährigen um 60%, bei den 18-21jährigen nur um 10% (ABB. 2). Ein Grund könnte sein, dass die jungen Frauen den Ring häufiger entfernt hatten (Beaten JM et al. 109LB, Nel A et al., 110LB).

Neue PrEP-Optionen

Nachtrag Ebola

Abb.  EbolaVirusAls vor einem Jahr das Ebola-Symposium auf der CROI stattfand hatte die Epidemie gerade ihren Höhepunkt erreicht. Anfang dieses Jahres wurden die betroffenen westafrikanischen Länder für Ebola-frei erklärt. 28.000 Menschen waren erkrankt, 11.000 waren gestorben. Die Untersuchungen zur Erforschung der Erkrankung laufen jedoch weiter. Diese zeigen, dass Überlebende nicht nur mit den psychosozialen Folgen der Infektion zu kämpfen haben. Viele haben auch ein Jahr nach der Genesung noch Beschwerden, insbesondere Gliederschmerzen und Kopfschmerzen. Die gravierendste Folgen hinterlässt Ebola wohl am Auge. 18% hatten pathologische Veränderungen, meist im Sinne einer Uveitis, zwei Kinder erblindeten aufgrund eines postinflammatorischen Katarakts. Ferner kann das Virus noch Monate (bis zu 18 Monaten) im Sperma nachgewiesen werden. Ob es sich dabei um replikationsfähige Viren handelt oder lediglich um nicht-infektöse Virus-Fragmente ist nicht klar. Bislang ist es zumindest nur in einem Fall zu einer Transmission gekommen.

Die einmal tägliche Tablette zur PrEP ist erst der Anfang. Zahlreiche neue Methoden und Substanzen zur PrEP sind in der Pipeline. Besonders interessant sind hier langwirksame Substanzen, die z.B. wie Cabotegravir nur einmal alle acht Wochen injiziert werden müssen. In der Studie ECLAIR wurde der Integrasehemmer alle acht oder alle 12 Wochen intramuskulär gespritzt. Nur der 8wöchige Abstand ergab zuverlässige Medikamentenspiegel über die gesamte Zeit. Reaktionen an der Injektionsstelle hatten 90% der Teilnehmer, diese waren in der Regel
jedoch nicht gravierend und im Schnitt nach drei bis fünf Tagen verschwunden. Trotzdem finden zwei Drittel die Spritze besser als die einmal tägliche Tabletteneinnahme. Die Wirksamkeit von Cabotegravir als PrEP wurde in der Studie nicht erfasst (Markowitz M et al., 106).

ART heute

90-90-90, d.h. 90% diagnostiziert – 90% behandelt – 90% komplett supprimiert, das sind die Ziele im Kampf gegen HIV. Weltweit ist man trotz großer Fortschritte von diesen Zielen noch weit entfernt. „16 Millionen Menschen nehmen eine ART, doch mehr HIV-Infizierte sind noch unbehandelt“, erklärte Joseph Eron, Chapel Hill. Das ist nicht nur in Afrika so, auch in den USA und manchen osteuropäischen Ländern gibt es noch große Lücken. In Deutschland ist es sicherlich auch nicht perfekt, aber wir sind doch schon recht nah am Ziel. Insbesondere im Hinblick auf die Effektivität der ART dürften wir die 90%-Grenze schon überschritten haben. Der Grund dafür sind laut Eron die Integrasehemmer. In seiner Klinik wird die ART seit zwei Jahren bei 80% der Patienten mit einem Integrasehemmer-basierten Regime eingeleitet und 70% der Patienten wechseln diese Therapie über viele Jahre nicht. Was gibt es also zu verbessern? Neben der Wirksamkeit gegen resistente Viren wird auch versucht die Toxizität der ART zu reduzieren, z.B. durch den Einsatz von weniger Medikamenten wie in der PADDLE-Studie (Dolutegravir/3TC) oder eine Verbesserung bekannter Substanzen wie Tenofovir-Alafenamid (TAF).

Switch auf TAF

Abb. 3a Veränderung renaler Biomarker zu Woche 48.  Unterschiede statistisch signifikant (p <0,001)
Abb. 3a Veränderung renaler Biomarker zu Woche 48. Unterschiede statistisch signifikant (p <0,001)

Abb. 3b Veränderung der Knochendichte zu Woche 48
Abb. 3b Veränderung der Knochendichte zu Woche 48

Abb. 4 NEAT-Studie. Veränderung des Fettgewebes unter Darunavir/r plus Raltegravir oder plus  2 NRTI
Abb. 4 NEAT-Studie. Veränderung des Fettgewebes unter Darunavir/r plus Raltegravir oder plus 2 NRTI

Abb. 5 LATTE-2: Primärer Endpunkt zu Woche 32.  HIV-1 RNA <50 K/ml Snapshot (ITT-ME)
Abb. 5 LATTE-2: Primärer Endpunkt zu Woche 32. HIV-1 RNA <50 K/ml Snapshot (ITT-ME)

Die Wirksamkeit der beiden Tenofovir-Formulierungen TDF und TAF ist vergleichbar. Das belegt die Zulassungsstudie GS1089, in der 663 komplett supprimierte Patienten mit einer Kreatininclearance von >50 ml/Min entweder mit TDF/FTC weiterbehandelt oder TAF/FTC umgestellt wurden. Etwa die Hälfte der Patienten hatte einen geboosterten Proteasehemmer. Erwartungsgemäß wurde in der TAF-Gruppe seltener eine renale tubuläre Proteinurie sowie ein geringer Abfall der Knochendichte beobachtet (Abb. 3a und b) (Gallant JE et al., 29). In weiteren Untersuchungen wurde TAF bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bis zu einer Kreatininclearance von 30 ml/Min eingesetzt. Auch hier zeigte sich eine gute Sicherheit, wobei der Langzeitverlauf abzuwarten bleibt (Post FA et al., 680; Wohl D et al., 681; Rijnders BJ et al., 682).

Langzeitnebenwirkungen

Angesichts der bevorstehenden Einführung von TAF erhielten die Arbeiten zur Knochengesundheit hohe Aufmerksamkeit. In den Kohorten MACS und EUROSIDA war die Frakturrate bei HIV-Infizierten erhöht. Zahlreiche Risikofaktoren waren damit assoziiert, unter anderem auch TDF (Gonziulea A et al., 699; Borges A et al., 46). Kardiovaskuläre Ereignisse sind bei HIV-Patienten ebenfalls häufiger. Als Score zur Abschätzung des Infarktrisikos scheint der ASCVD-Score der amerikanischen Kardiologen am besten geeignet zu sein. Der D:A:D-Score, der auch HIV-Aspekte berücksichtigt, überschätzt das Risiko deutlich (Crane H et al., O42). Ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall scheinen ein schlechter Immunstatus, eine HCV-Koinfektion, weibliches Geschlecht und schwarze Hautfarbe zu sein (Hatleberg C et al., , 637; Berenguer J et al., 639; Chow F et al., 42). Mit dem Verzicht auf NRTI kann man eine Lipodystrophie im Sinn einer Fettakkumulation nicht ausschließen. In NEART kam es bei Nuke-freier ART mit Darunavir/r plus Raltegravir sogar zu einer stärkeren Fettzunahme (Abb. 4)(Bernadino J et al., 45).

Die nächste ART-Generation

Eine spannende Neuentwicklung sind die langwirksamen Formulierungen, genannt LA (long acting agents). Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung von Cabotegravir und Rilpivirin. In LATTE-2 wurden supprimierte Patienten nach oraler Induktion mit ABC/3TC plus Cabotegravir entweder oral mit dem gleichen Regime oder mit Cabotegravir/Rilpivirin intramuskulär (3 ml/2 ml alle 4 oder 8 Wochen) weiterbehandelt. 32 Wochen nach der Umstellung waren gleich viele Patienten weiterhin komplett supprimiert (VL<50 K/ml 94% vs 95% vs 91%) (Abb. 5). Nur vier Patienten in der parenteralen Gruppe hatten virologisch versagt, aber in keinem Fall wurde eine Integrase- oder NNRTI-Resistenz beobachtet. Im Hinblick auf die Verträglichkeit waren lokale Reaktionen das Hauptproblem. Rund 90% der Patienten hatten eine ISR (Injection Site Reaction). Am häufigsten waren Schmerz, Schwellung, Knoten. Die lokalen Reaktionen waren allerdings in der Regel mild und nur von kurzer Dauer (3 Tage). Abgebrochen hatten die Studie nur 1% der Teilnehmer wegen dieser Nebenwirkung. Über 90% der Patienten waren mit ihrer Therapie zufrieden und würden diese auch nach der Studie gerne weiterführen (Abb. 6) (Margiolis DA et al, 31LB).

Abb. 6 LATTE-2: Patientenzufriedenheit zu Woche 32 im Vergleich zu Befragung  bei oraler Induktion
Abb. 6 LATTE-2: Patientenzufriedenheit zu Woche 32 im Vergleich zu Befragung bei oraler Induktion

Abb. 7 Doravirin vs Efavirenz. Primärer Endpunkt
Abb. 7 Doravirin vs Efavirenz. Primärer Endpunkt

Pipeline

Angesichts der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit der modernen ART stellt sich die Frage, ob wir überhaupt noch neue Substanzen brauchen. Die Antwort von Eron war ein klares JA! Wir brauchen neue Medikamente gegen resistente Viren, denn in Afrika sind über 50% der Patienten mit Versagen einer Firstline-Therapie gegen Tenofovir (plus NNRTI) resistent. Glücklicherweise ist die Pipeline hier wieder gut gefüllt. Das neue NNRTI Doravirin war in der Phase 2 gleich wirksam wie Efavirenz, aber besser verträglich (Abb. 7) (Gatell JM et al., 470). MK-8591, ein neues NRTI in Phase 1, scheint nicht nur sehr gut antiviral wirksam, sondern auch lang wirksam zu sein (parenteral bis 180 Tage) (Grobler J et al., 98). Der erste Attachment-Inhibitor BMS-663068 wird bereits in Phase 3 an stark vorbehandelten Patienten geprüft und der erste Maturaseinhibitor BMS-955176 wirkt auch gegen PI-resistente Viren (DeJesus E et al., 572; Ray N et al., 464). Eine komplett neue Dimension eröffnet BMS-986197. Das „Kombinectin“ hat drei Angriffspunkte. Es enthält zwei Anti-Adinetctine und einen Fusionsinhibitor. Der synergistische Wirkmechanismus führt zu einer hohen Potenz und Resistenzbarriere (Krystal M et al., 97). Breit neutralisierende Antikörper, von denen man sich letztendlich eine Reduktion des viralen Reservoirs erhofft, könnten auch therapeutisch und präventiv eingesetzt werden (Mascola JR et al., 15). VRC01 allein hatte allerdings als therapeutische Impfung in der ART-Pause enttäuscht (Bar KJ et al., 32LB).

Akute Hepatitis C

Abb. 8 SVR12 nach 6 Wochen Sofosbuvir/Ledipasvir bei HIV-Patienten mit akuter Hepatitis C
Abb. 8 SVR12 nach 6 Wochen Sofosbuvir/Ledipasvir bei HIV-Patienten mit akuter Hepatitis C

Die Ergebnisse der erste Studie zum Einsatz von DAA zur Behandlung der akuten Hepatitis C bei HIV-Patienten blieben hinter den Erwartungen zurück. In der Pilotstudie, an der vier deutsche und ein englisches Zentrum teilnahmen, wurden 26 akut Koinfizierte sechs Wochen lang mit Ledipasvir/Sofosbuvir behandelt.

18 Patienten hatten GT1a und acht Patienten GT4. Nur ein Patient war nicht antiretroviral behandelt, die CD4-Zahl lag bei 670/µl, die HCV-RNA bei 5,4 log (ca. 250.000 IU/ml). 22/24 erreichten die SVR4, 20/26 (77%) erreichten die SVR12. Drei Patienten hatten einen Relaps, zwei waren nicht zur Untersuchung erschienen und ein Patient hatte sich erneut infiziert. Alle Relapser hatten eine hohe Viruslast (>7 log/10 Mio IU/ml). Es wurden keine NSA5- oder NS6B-RAVs beobachtet (Abb. 8) (Rockstroh JK et al., 154LB).

Heilung

Zur Heilung gab es diesmal keine Aufsehen erregenden Neuigkeiten, dafür aber viele interessante Ansätze aus der Grundlagenforschung. So konnte bei Affen durch den TLR7-Agonist der virale Setpoint nach Absetzen einer Therapie deutlich erniedrigt werden (Whitney JB et al., 95LB). Dafür lief in Deutschland zeitgleich die PR-Maschine für eine in Hamburg und Dresden geplante Studie. „HIV: Erstmals gibt es Hoffnung auf Heilung“, schrieb der Spiegel am 22. Februar 2016. Die verbesserte „BREC-Schere“ soll als Gentherapie an 10 Patienten geprüft werden. Kostenpunkt 15 Millionen Euro.




Ungeklärte HIV-Infektion im Labor

In Boston wurde von einem Laborunfall berichtet. Dieser Unfall ereignete sich vor drei Jahren in einem nicht genannten Labor. Mit der Aufklärung wurde die Gruppe von Carlo Frederico Perno in Rom beauftragt.

Bio IIEin Laborant hat mit zwei gentechnisch veränderten HIV-Konstrukten (gentechnisch veränderte HI-Viren) gearbeitet. Die HIV-Konstrukte hatten beide eine Deletion des nef-Gens, bei dem einen Konstrukt fehlte zusätzlich das env-Gen, bei dem anderen fehlten große Teile des gag/pol-Gens. Aus diesen Konstrukten kann kein replikatives (funktionierendes) Virus entstehen, weshalb eine Bearbeitung in Sicherheitsstufe 2 (S2) erlaubt ist. Im Gegensatz zu diesen S2-Arbeiten müssen Arbeiten mit replikativen (funktionstüchtigen) Viren unter S3-Bedingungen erfolgen.

Der Laborant fiel mit einem positiven HIV Test bei einer Routine-Blutuntersuchung auf. Die molekularbiologische Untersuchung, einschließlich einer kompletten Sequenzanalyse des HIV vom Patienten, zeigte eine Rekombinante aus den beiden oben beschriebenen Laborstämmen. Obwohl HIV auch in Patienten rekombinieren kann und man sich bei unsauberem Arbeiten (was unabhängig von der Sicherheitseinstufung im Labor nie sein sollte) ein Rekombinationsereignis im Labor vorstellen kann, ist es in Realität viel häufiger erfolglos, funktionsfähige, rekombinierte Konstrukte geplant zu erstellen. Ein Rekombinationsereignis alleine hätte aber nur bei extremer hoher Infektionsdosis zu einer erfolgreichen Infektion des Laboranten geführt, da nef-defiziente Viren ein reduziertes Wachstum zeigen. Die Herkunft des nunmehr intakten nef-Gens in diesem, nun voll replikationsfähigen Konstrukt ist aber aus den beiden oben genannten HIV-Konstrukten komplett unerklärlich, da die beiden Ausgangskonstrukte dieses Gen nicht enthalten. Es gibt jedoch weitere Laborstämme mit vollständigem nef-Gen, die jedoch an anderen Stellen Deletionen enthalten, so dass eine Arbeit unter S2-Bedingungen erlaubt ist. Der Laborant betonte allerdings stets, dass kein Unfallereignis vorlag.

Offene Fragen

Der Fall lässt einige Fragen offen: wie konnte es zur Rekombination der beiden Laborstämme kommen, bei dem ein infektiöses Virus entstand und wie konnte ein intaktes nef-Gen in den Laborstamm kommen - ein zusätzliches Rekombinationsereignis durch einen dritten HIV-Stamm? Ein Konstrukt mit der genetischen Zusammensetzung homolog zu dem bei dem Laboranten gefundenen Virusstamm existiert als Laborstamm, wird aber nur in S3-Bedingungen bearbeitet, worauf dieser Laborant keinen Zugriff hatte. Vollkommen ungeklärt ist wie es zur Infektion überhaupt kommen konnte. Eine Verletzung, Spritzer auf Schleimhäute oder ins Auge war dem Laboranten nicht erinnerlich. Der Laborant hatte ja auch keine Veranlassung, seine Infektion zu verheimlichen. Bei Bekanntwerden eines Laborunfalls hätte ja eine PEP eingeleitet werden können und da es sich um kein Virus mit resistenzassoziierten Mutationen gehandelt hat, mit sehr hoher Erfolgswahrscheinlichkeit.

Implikationen

Angesichts der bisherigen Sicherheit im Umgang mit den gentechnisch veränderten HIV-Stämmen ist keine Änderung der Vorschriften im Umgang im Gentechnik Recht zu erwarten. Das bedeutet nicht, dass dieser Fall leicht genommen werden darf. Eine vollständige Klärung ist dagegen unbedingt notwendig.

Bei einer Diskussion nach der Präsentation von Claudia Alteri hat freundlicherweise Francesca Ceccherini mit uns (Björn Jensen, Martin Obermeier, Rolf Kaiser) den Fall noch einmal in allen ihr bekannten Details diskutiert, wofür wir uns herzlich bedanken.




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