Meine Entscheidung - Dr. Esther Voigt, Köln
Nicht alles auf einmal

Dr. Esther Voigt, KölnDr. med. Esther Voigt
Hausärztin/Infektiologin
Praxis am Ebertplatz

Köln

Immerhin, der Blutdruck scheint gut eingestellt zu sein. Der Rest ist wohl ausbaufähig und man darf hoffen, dass die Niere einem die therapeutischen Optimierungsversuche nur dankt.

Gesucht ist eine cART – mit HBV-Wirksamkeit –, die sich stoffwechselneutral verhält und sich mit der erforderlichen antidiabetischen und kardiologischen einschließlich der cholesterinsenkenden sekundärprophylaktischen Therapie und der eingeschränkten Nierenfunktion als verträglich erweist. Der Immunstatus veranlasst aber zunächst noch, über eine primärprophylaktische Behandlung nachzudenken: Cotrimoxazol 1x 480 mg tgl. erscheint geboten (man darf hoffen, dass dies bei der relativen CD4-Zellzahl von 16% nur kurzfristig notwendig ist).

Core-Agent

Zur cART: ich setze voraus, dass der Resistenztest wahrscheinlich keine relevanten resistenzassoziierten Mutation erbringen wird. Die ausstehende HLA B57-Bestimmung hätte keinen Einfluss auf die Therapie der ersten Wahl. Diese wäre Integrasehemmer-basiert und Tenofovir-haltig.

Bei der hohen Dosis Metformin ist die Kombination mit Dolutegravir zunächst nicht empfehlenswert. Der grenzwertig hohe HBA1c bleibt zu beobachten und könnte zu einer Therapieintensivierung mittels a.e. Sitagliptin animieren, wodurch eine Dosisreduktion von Metformin möglich werden könnte. Sitagliptin wäre zumindest unkompliziert kombinierbar mit der INI-basierten cART.

Da es sich aber doch meist empfiehlt, möglichst nicht an zu vielen Schrauben gleichzeitig zu drehen, würde ich die Metformindosis belassen, initial Raltegravir einmal täglich zum Core-Agent küren und beobachten, was die aus meiner Beratung und der Schulung durch den hinzuzuziehenden Diabetologen resultierenden Lebensstilveränderungen vielleicht bewirken werden. Mit der gleichen abwartenden Haltung würde ich den Triglyceriden begegnen, die sich durch verbesserte Diabeteseinstellung, reduzierten Alkoholkonsum und Gewichtsreduktion senken lassen sollten, jedenfalls aktuell m.E. keine spezifische Behandlung erfordern. Etwas strenger würde ich die bei manifester KHK und Diabetes mellitus schlechte Cholesterinkonstellation betrachten und eine Dosiserhöhung von Atorvastatin erwägen. Ganz abgesehen davon, dass eine klare Indikation für ASS 100 mg festzustellen ist.

Was dazu?

Aber zurück zur cART: Raltegravir braucht noch einen Partner. Optimal wäre bei der bestehenden HBV-Koinfektion natürlich ein Tenofovir-haltiges Regime. Während sich TDF offensichtlich verbietet, wäre die Einsatzmöglichkeit von TAF zu prüfen. Die hier ermittelte GFR von 37 ml/Min erlaubt den Einsatz von TAF/FTC und verlangt keine Dosisanpassung. Zudem könnte sich die GFR mit wachsendem zeitlichen Abstand zur aktuellen Pneumonie noch kurzfristig und durch eine verbesserte Zucker- und Fettstoffwechsellage mittelfristig verbessern.

So dass ich, gewiss unter engmaschigen klinischen und laborchemischen Verlaufskontrollen, dem Patienten die leitlinienkonforme Erstlinientherapie – Raltegravir plus TAF/FTC – nicht vorenthalten würde, Cotrim vorübergehend hinzunehmen und die übrige Komedikation bis auf Hinzunahme von ASS 100 mg zunächst belassen würde. Letztere kann im Verlauf dann gegebenenfalls durch Ergänzung von Sitagliptin und Dosisanpassung von Metformin, Dosiserhöhung von Atorvastatin und, wenn LDL-Cholesterin >70 mg/dl bleibt, durch Hinzugabe von Ezetrol verbessert werden.

Des weiteren wäre die Indikation für HCT und Pantoprazol zu hinterfragen und diese gegebenenfalls alsbald abzusetzen. Auch könnte der Patient von einer L-Thyroxinsubstitution profitieren, was ich spätestens, wenn sich anamnestisch weitere Hinweise auf eine Hypothyreose ergäben, und der Patient eine noch größere Tablettenzahl zu erleiden bereit wäre, ermunternd anbieten würde, ebenso wie eine Vitamin D-Substitution.

Ausgabe 4 - 2017Back

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