HIV-therapie im Alter
Risikofaktoren im Alter minimieren

Dank der antiretroviralen Kombinationstherapie (ART) ist die Lebenserwartung von Personen mit einer HIV-Infektion (PLHIV) mittlerweile annähernd vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung – das heißt allerdings auch, dass PLHIV ≥50 Jahre ähnlich wie die Allgemeinbevölkerung unter typischen altersabhängigen Begleiterkrankungen leiden.
Daher sollten auch bei der Auswahl und Umstellung der ART eventuelle Begleiterkrankungen und Risikofaktoren berücksichtigt werden.

Abb. 1 Rund die Hälfte der PLHIV in Deutschland sind mindestens 50 Jahre alt1
Abb. 1 Rund die Hälfte der PLHIV in Deutschland sind mindestens 50 Jahre alt

Bereits jetzt ist jeder zweite HIV-Patient in Deutschland mindesten 50 Jahre alt (Abb.1).1 Analysen der Schweizer HIV-Kohorte (SHCS) zeigen, dass in dieser Altersgruppe mehr als 50% der PLHIV unter einer oder mehreren Begleiterkrankungen leiden, die in vielen Fällen die Einnahme weiterer Medikamente notwendig machen2 – damit steigt auch das Risiko für Wechselwirkungen. Hinzu kommt, dass verschiedene antiretrovirale Substanzen aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils gerade bei älteren PLHIV nicht unproblematisch sind – so kann es unter Tenofovirdisoproxil (TDF) zu Verminderungen der Knochendichte oder Nierenfunktionsstörungen kommen, unter Integrase-Inhibitoren (INI) und Tenofoviralafenamid (TAF) zu Gewichtsveränderungen, während manche Protease-Inhibitoren (PI) und Abacavir (ABC) mit einer erhöhten Rate an kardiovaskulären Ereignissen assoziiert sind.3

ART UND LEBERSTEATOSE

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist eine weitere Begleiterkrankung, die auch bei PLHIV häufiger geworden ist. Die Prävalenz der Lebersteatose liegt bei PLHIV zwischen 35%4 und nahezu 50%5. Es wurden Assoziationen mit höherem Alter, Übergewicht, Diabetes, Dyslipidämie und metabolischem Syndrom beobachtet.4 Angesichts der Effekte, die gerade neuere antiretroviralen Substanzen wie TAF und Integrasehemmer auf das Gewicht und auf metabolische Parameter haben können, stellte sich die Frage, ob auch die ART zur Entwicklung einer Lebersteatose beiträgt. Daten aus Bonn5 und Kopenhagen6 legen nahe, dass dies der Fall ist. Auch die jüngste Analyse der SHCS ist dieser Frage nachgegangen.7 Bei insgesamt 416 PLHIV wurden zwischen Januar 2019 und Augst 2021 im Universitätskrankenhaus Bern Fibroscans durchgeführt, um Lebersteifigkeit und CAP (controlled attenuation parameter [kontrollierter Dämpfungsparameter], dB/m) zu untersuchen. Fast alle PLHIV erhielten eine ART, häufig unter Einbeziehung von DTG oder TAF. Mindestens zehn Fibroscans wurden für jeden Patienten durchgeführt – und zwar immer von dem gleichen Untersucher. Rund die Hälfte der Patient*innen war übergewichtig oder fettleibig, das mediane Alter lag bei 51 Jahren. Bei insgesamt 212 PLHIV (51%) lag eine Lebersteatose (CAP ≥248 dB/m) vor.

KAUM MODIFIZIERBARE RISIKOFAKTOREN

Abb. 2 Mit einer Lebersteatose assoziierte Faktoren (multivariable Analyse; n=416, Schweizer HIV Kohorte)7
Abb. 2 Mit einer Lebersteatose assoziierte Faktoren (multivariable Analyse; n=416, Schweizer HIV Kohorte)

In der multivariablen Analyse waren weder INI noch PI mit einer Lebersteatose assoziiert. Hingegen war TAF als einzige untersuchte Substanz neben einem BMI ≥25 kg/m2, Alter ≥50 Jahre und europäischer Herkunft signifikant mit einer Lebersteatose assoziiert (Abb. 2). Auch 31,4% (64/204) der normalgewichtigen PLHIV in der Schweizer HIV-Kohorte litten unter einer Lebersteatose; bei PLHIV mit einem BMI≥25 waren es 69,8% (148/212). Zu den wenigen modifizierbaren Risikofaktoren gehörte neben dem BMI die ART. Erfreulich ist, dass in dieser Untersuchung keine Assoziation zwischen INI und einer Lebersteatose gefunden wurde. 46% der Studienteilnehmer haben Dolutegravir (DTG) eingenommen. Dies galt auch für den Einsatz von PI oder älteren Nukleosidanaloga. Ein Verzicht auf TAF könnte gerade bei älteren PLHIV eine interessante Möglichkeit zur Risikoreduktion darstellen.

TAF-FREI THERAPIEREN?

Dass ein Verzicht auf TAF möglich ist, zeigen die Ergebnisse der RUMBA-Studie.8 In dieser Studie wurde bei insgesamt 134 virologisch supprimierten PLHIV (HIV-1 RNA <50 Kopien/ml) eine Umstellung auf Dovato, die feste Kombination von DTG und Lamivudin (3TC), mit dem Verbleib bzw. der Umstellung auf Bictegravir/Emtricitabin/TAF (B/F/TAF) verglichen. Die Teilnehmenden wurden 2:1 randomisiert. Bei der Analyse des primären Endpunkts (Nichtunterlegenheit von DTG/ 3TC hinsichtlich der Zahl der intakten replikationskompetenten Viruskopien zu Woche 48) wurden keine Unterschiede nachgewiesen; das virologische Ansprechen war mit 98% (DTG/3TC: 79/81) bzw. 98% (B/F/TAF: 39/40) in beiden Armen hoch.

ART BEI ÄLTEREN

In den aktuellen Leitlinien der EACS werden neben TAF auch TDF und ABC für die Initialtherapie empfohlen. Kardiovaskuläres, renales und ossäres Risiko bei älteren PLHIV können jedoch den Einsatz dieser älteren Nukleosidanaloga im Praxisalltag häufig einschränken. Mit dem Verzicht auf TAF wiederum entfällt einer der Faktoren, die mit einer Lebersteatose assoziiert sind. Auch DTG/3TC gehört zu den in den EACS-Leitlinien für die Initialtherapie und die Umstellung virologisch supprimierter PLHIV empfohlenen Regimes. Mit dieser Kombination steht ein TAF-freies Regime mit hoher Wirksamkeit sowie hoher Resistenzbarriere zur Verfügung. Das Eintablettenregime wird unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen, ist wechselwirkungsarm, und war in klinischen Studien im Vergleich mit einer Dreifachtherapie virologisch nicht unterlegen.8,10

ZUSAMMENFASSUNG

Mit der zunehmenden Zahl an älteren PLHIV dürfte auch der Anteil der PLHIV mit Lebersteatose, Diabetes, metabolischem Syndrom oder Übergewicht wachsen. Kardiovaskuläre Ereignisse sind mittlerweile mit über 30% die häufigste Todesursache bei PLHIV.9 Regelmäßige Kontrollen von Gewicht und Laborwerten sind selbstverständlich und ermöglichen die frühzeitige Diagnose von problematischen Entwicklungen. Veränderungen des individuellen Lebensstils und gegebenenfalls auch eine medikamentöse Therapie der Komorbiditäten können erforderlich werden, um das individuelle Risiko zu senken. Hinzu kommen, sofern möglich, Modifikationen der bestehenden ART. Eine Umstellung auf DTG/3TC stellt in diesem Zusammenhang eine TAF-freie Option dar.


# Dovato wird angewendet zur Behandlung der HIV-1 Infektion bei Erwachsenen und Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg, die keine bekannten oder vermuteten Resistenzen gegenüber der Klasse der Integrase-Inhibitoren oder Lamivudin aufweisen. Dovato wird einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen.10



1 RKI Epidem. Bull. 47. 2022

2 Hasse B et al. Clin Inf Dis 2011

3 EACS Guidelines 11.1 Oktober 2022

4 Perrazzo H et al. J Int AIDS Soc. 2018

5 Bischoff J et al. EClinicalMedicine 40 (2021) 101116

6 Kirkegaard-Klitbo DM et al. J inf Dis 2021

7 Riebensahm C et al. OFID 2022

8 Vandekerckhove L et al. HIV Glasgow 2022,#MO42

9 Rodger A. et al. AIDS 2013

10 Fachinformation Dovato, aktueller Stand


Mit freundlicher Unterstützung von ViiV Healthcare GmbH



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