KRISTINA DOERRIES, WÜRZBURG
Das humane Polyomavirus JC

Das humane Polyomavirus JC (JCV) wurde erstmals 1971 beschrieben. Die Benennung ist auf die Initialen des ersten Patienten zurückzuführen. Die Abkürzung JCV führt häufig zu Verwechslungen mit dem Jacob-Creutzfeld Syndrom, das allerdings völlig andere Ursachen hat.

JCV ist weltweit verbreitet und hat in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status eine Durchseuchungsrate von über 90% im jungen Erwachsenenalter. Das Virus wird vorwiegend oral möglicherweise auch durch Tröpfcheninfektion verbreitet. Die Präsenz von JCV in Blutfraktionen deutet auf eine Übertragung durch Blut oder Blutprodukte hin und die Persistenz in der Niere schließt das Risiko einer Übertragung durch Transplantate ein.

Doppelsträngige DNA

Als ikosaedrisches unbehülltes Kapsid (40 nm Durchmesser) mit einem zirkulären doppelsträngigen DNA-Genom kodiert es für 3 Kapsidproteine und 3 regulatorische Proteine, die mit einer Vielzahl von zellulären Proteinen die Zellspezifität der viralen Vermehrung, den Lebenszyklus des Virus und die Interaktion mit dem Wirtsorganismus koordinieren.

Natürlicher Verlauf

Die Primärinfektion verläuft asymptomatisch und führt zu lebenslanger Persistenz des Virus. Über den Verlauf der Primärinfektion ist wenig bekannt, aber es kann zu einer hohen Viruslast im Urin kommen. Dies ist auf die Infektion der Epithelien zurückzuführen, die die Nierentubuli auskleiden. Im Verlauf der Persistenz stellt sich die virale Infektion entweder latent oder mit einer niedrigen Basisvermehrung dar, die im Verlauf des Lebens nicht nur durch Immunsuppression bei Risikopatienten zur Expression induziert wird, sondern auch in Abhängigkeit vom individuellen immunologischen Status (Schwangerschaft, Diabetes mellitus, fortgeschrittenes Alter). Diese Aktivierungszustände sind asymptomatisch und selbstlimitierend. Nur unter massiver Immunsuppression vor allem bei AIDS, lymphoproliferativen Erkrankungen, Behandlung mit modernen immunmodulatorischen Therapeutika oder inflammatorischen Erkrankungen kann es zu unlimitierter Vermehrung kommen, die in eine manifeste Erkrankung münden kann. Dagegen ist eine Reduktion der Immunsuppression eng mit Verlangsamung oder sogar Limitierung der viralen Vermehrung verbunden.

Verbreitung im Körper

Organe der Persistenz sind das ZNS, die Epithelien der Nierentubuli, der Verdauungstrakt, die primären und sekundären lymphoiden Organe mit Knochenmark, Milz, Tonsillen, Lymphknoten und Zellen des peripheren Blutes. Es wird diskutiert, dass die Infektion von Leukozyten die Verbreitung des Virus in die Zielorgane unterstützt, während die Infektion des Urogenital- und Verdauungstraktes die Verbreitung des Virus in der Wirtspopulation sicherstellt.

Kleinhirn kann betroffen sein

Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist die einzige Erkrankung, die bis heute sicher mit JCV in Verbindung gebracht wird. In der Hauptrisikogruppe der AIDS-Patienten tritt die PML in etwa 5% aller Fälle auf. Ursache ist eine cytolytische Infektion der Oligodendrogliazellen in disseminierter Lokalisation, wobei vor allem die weiße Substanz in beiden Hemisphären, häufig im Grenzbereich zur grauen Substanz und auch das Kleinhirn betroffen sein können.

Verlaufskontrollen wichtig

Das Ziel diagnostischer Verfahren bei der PML ist es zwar seit langem, eine radiologische und virologische Diagnose ohne invasiven Eingriff zu erreichen, da es sich bei den meisten PML-Fällen aber um die Aktivierung einer bereits bestehenden Virusinfektion handelt, sind Analysen der humoralen Immunantwort im Serum nicht aussagekräftig. Daher erfolgt der Nachweis des Erregers im Liquor cerebrospinalis heute qualitativ und quantitativ durch den Nukleinsäurenachweis mit der PCR. Allerdings kann nur in etwa 75% der PML-Fälle JCV-DNA in Einzelproben nachgewiesen werden. Ausfälle sind besonders früh nach Auftreten der ersten Symptome zu erwarten. Außerdem werden Verläufe beobachtet, bei denen die Viruslast über die gesamte Erkrankungszeit ohne klinische Veränderungen immer wieder unter die Nachweisgrenze fällt. Als weiteres Problem konnte man bei etwa 15% der HIV-infizierten Patienten ohne die typischen klinischen und radiologischen PML-Befunde JCV-DNA nachweisen. Dabei ist nicht bekannt, ob es sich um frühe Phasen der Erkrankung oder um die vorübergehende Aktivierung einer persistierenden Infektion handelt. Kriterien für eine Abgrenzung konnten bisher nicht gefunden werden. Da die Viruslast nicht als verlässlicher diagnostischer Parameter herangezogen werden kann, empfiehlt es sich generell, in fraglichen Fällen Folgeproben zu untersuchen.

Es bleibt also eine diagnostische Grauzone. Zur definitiven Diagnose der PML muss daher noch immer der bioptische Nachweis der JCV-Infektion im Zellverband erbracht werden. Eosinophile Einschlusskörper in Oligodendrozyten und typische morphologische Veränderungen der Astrozyten im Bereich der Läsionen geben den morphologischen Hinweis, der durch den Nachweis virusspezifischer Proteine durch Immunhistochemie, JCV-DNA durch in situ-Hybridisierung oder von Viruspartikeln durch Elektronenmikroskopie bestätigt wird.


Dr. rer. nat. Kristina Doerries
Konsiliarlabor für Polyomaviren des RKI
Institut für Virologie und Immunbiologie
Julius-Maximilians-Universitaet Wuerzburg
Versbacher Str. 7 · D-97078 Wuerzburg
Deutschland
E-Mail: doerries@vim.uni-wuerzburg.de

Literatur beim Verfasser

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