HIV in Europa: Neue EU-Strategie gegen die Infektion
Deutscher Expertenworkshop zur HIV-Testung
Am 22. Oktober 2009 haben sich ca. 40 Expertinnen und Experten auf Einladung des Vorsitzenden des Gemeinsamen Wissenschaftlichen Beirates des BMG Prof. Roland Schmidt und dem Vorsitzenden der Deutschen AIDS-Gesellschaft Prof. Jürgen Rockstroh zu einem Fachaustausch in Hannover getroffen.
Das Ergebnis im Überblick:
1. HIV-Testung muss grundsätzlich freiwillig und mit informiertem Einverständnis der Getesteten erfolgen. Die Testung muss begleitet sein von einer den konkreten Umständen angepassten Beratung vor dem Test und einer ausführlichen Beratung zum Testergebnis nach dem Test, oder falls dies nicht möglich ist, von der Weiterverweisung an eine andere Einrichtung, wo eine solche qualifizierte Beratung erfolgen kann.
2. Ein allgemeines HIV-Screening in medizinischen Einrichtungen in Deutschland ist angesichts der vergleichsweise niedrigen HIV-Prävalenz in der Gesamtbevölkerung weder sinnvoll noch wünschenswert.
3. Eine gezielte Vermehrung von Angeboten zur freiwilligen Testung auf HIV verknüpft mit einer qualifizierten Beratung ist erwünscht und notwendig. Die Durchführung der HIV-Testung ist dabei kein eigenständiges Ziel sondern Teil einer HIV/AIDS Gesamtstrategie, die auch präventive, gesundheitsfördernde und kurative Maßnahmen einschließt.
4. Möglichkeiten ärztlich initiierter Testung sollten stärker als bisher genutzt werden..
5. Diskriminierung und soziale Ausgrenzung von HIV-Infizierten wirken sich demotivierend auf die HIV-Testbereitschaft von gefährdeten Personen und Personengruppen aus. Zwar ist beim Abbau von Diskriminierung HIV-Infizierter in Deutschland schon viel erreicht worden, weitere Anstrengungen sind aber notwendig. Es besteht ein Recht auf Nichtwissen. Eine Entscheidung gegen die Durchführung eines angeratenen HIV-Testes ist zu akzeptieren und darf nicht zu Benachteiligungen führen.
6. Es besteht die Notwendigkeit, die Weiterentwicklung von HIV-Testangeboten in Deutschland wissenschaftlich zu evaluieren und zu begleiten und somit ihre Qualität zu sichern. Dazu müssen auch Daten zur Reichweite, Inanspruchnahme und Qualität bestehender und neuer Testangebote erhoben und ausgewertet werden. RP
Weitere Informationen:
Für die Europäische Union und ihre Nachbarländer ist der Kampf gegen HIV und Aids nach wie vor eine gesundheitspolitische Priorität. Investitionen in wirksame Präventionsmaßnahmen lohnen sich angesichts des erheblichen langfristigen Nutzens. Dieses Fazit zieht die Europäische Kommission in ihrem neuen Aktionsplan 2009-2013.
Ein konkretes Ziel der zukünftigen Strategie ist, dass die Zahl der neuen HIV-Infektionen bis 2013 abnimmt. Weiterhin soll der Zugang zu Prävention, Behandlung, Pflege und Unterstützung erleichtert werden. Die Kommission fordert auch, die Lebensqualität der Menschen, die von HIV betroffen sind, in Europa und den angrenzenden Ländern zu verbessern. Und: Diskriminierung und soziale Ausgrenzung aufgrund des HIV-Status müssen europaweit abgebaut werden.
Junge Menschen erreichen
Rund 30% der HIV-Positiven in der EU und bis zu 70% der HIV-Positiven in einigen Nachbarländern kennen ihren HIV-Status nicht. Für die politischen Entscheider in Brüssel eine ernste Sorge: Die späte Diagnose führt erfahrungsgemäß zu späterer Therapie und damit zu verminderter Lebenserwartung. Die Gefahr, das Virus weiterzugeben, steigt. Ein Schwerpunkt der Strategie ist, besonders junge Menschen besser zu informieren, die von den Aufklärungskampagnen der Vergangenheit nicht mehr erreicht worden sind.
In der EU wird HIV vorwiegend durch heterosexuelle Kontakte und von Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM) übertragen, während das Virus in den europäischen Nachbarländern vor allem durch intravenösen Drogengebrauch übertragen wird (57%). Migranten aus Ländern mit einer hohen HIV-Prävalenz stellen rund 40% der Neuinfektionen in Europa. In einigen osteuropäischen Nachbarländern steigt die Zahl der Neu-Infektionen weiter oder hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Lediglich 10% der Betroffenen haben Zugang zur Behandlung. Die Randgruppen wie injizierende Drogengebraucher, Migranten und MSM sind überproportional von Koinfektionen wie Tuberkulose betroffen.
Prävention für Risikogruppen
Für die Europäische Kommission ist die Prävention der HIV-Übertragung möglich und der wirksamste Weg, um dem HIV/Aids-Problem zu begegnen. Voraussetzung sind gezielte Präventionsstrategien, die den lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen und auf die Risikogruppen zugeschnitten sind. Wichtig – vor allem in Zeiten limitierter Budgets – ist der Austausch von erfolgreichen Programmen für Prävention, Behandlung und Pflege zwischen den Ländern. Konkret wünscht sich die Europäische Kommission dafür die Kooperation und den KnowHow-Transfer von Ärzten, Pflegepersonal und Public Health-Spezialisten. Auch die Weitergabe von validen wissenschaftlichen Daten werde den Nachbarländern dabei helfen, Prävention, Testung und Behandlung Evidenz-basiert und nach State of the Art zu verbessern.