Wissen schaffen durch Vernetzung – Das Kompetenznetz HIV/AIDS und seine asiatischen Partner

Kompetenzunetz HIV/AIDSNicht nur innerhalb Deutschlands ist das KompNet HIV/AIDS gut vernetzt, auch auf internationaler Ebene funktioniert der Austausch. Von den chinesischen und japanischen Kollegen lernen deutsche Wissenschaftler mehr als nur Fachwissen.

Abb. 1: Prof. Nanping Wu und Prof. Norbert Brockmeyer arbeiten seit über zehn Jahren zusammen. Im Mai dieses Jahres hielt Prof. Brockmeyer einen Gastvortrag an der Eliteuniversität Zhejiang in Hangzhou.
Abb. 1: Prof. Nanping Wu und Prof. Norbert Brockmeyer arbeiten seit über zehn Jahren zusammen. Im Mai dieses Jahres hielt Prof. Brockmeyer einen Gastvortrag an der Eliteuniversität Zhejiang in Hangzhou.

科学 heißt Kēxué, bedeutet auf chinesisch „Wissenschaft“ und genau darum geht es beim Zusammenkommen von Mitgliedern des KompNets und seiner asiatischen Partner: Wissen schaffen, vermehren, austauschen und weitergeben. Vor mehr als zehn Jahren entstand die Verbindung zwischen der Zhejiang Universität in Hangzhou, einer chinesischen Elite-Universität, und der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum. Dank dem Engagement von Frau Prof. Nanping Wu, Leiterin des Instituts für Infektionskrankheiten, und den Bochumer Kollegen Prof. Peter Altmeyer und Prof. Norbert Brockmeyer, konnte aus der Forschungskooperation eine gefestigte Verbindung entstehen, die zahlreiche gemeinsame Projekte und Publikationen hervorbrachte. Nicht nur grundlagenwissenschaftliche Arbeiten1, – auch die Bearbeitung von sozialwissenschaftlichen und epidemiologischen Studien sowie der Austausch von Nachwuchswissenschaftlern prägen die sehr lebendige Kooperation. Prof. Altmeyer und Prof. Brockmeyer wurde 2010 als Anerkennung für das weitreichende Engagement die Ehrenprofessur der Zhejiang Universität verliehen.

Fördern und forschen – Runde 1

Im Sommer 2009 arbeiteten zwei Gastwissenschaftler, Lei Feng und Changzong Jin aus Hangzhou, für drei Monate an der Bochumer Uniklinik und werteten Materialproben des Kompetenznetzes HIV/AIDS zur Messung der CD8+T Zell Aktivität aus. Sie verglichen die Daten von 65 HIV-positiven Patienten, die seit 7 Jahren unter einer hoch aktiven antiretroviralen Therapie (HAART) stehen. Dabei zeigte sich, dass nach 7 Jahren HAART die Immunaktivierung bei den Patienten gut reguliert wird, jedoch der Anteil an CD38+ und HLA-DR+CD8+T Zellen langsamer abnimmt, als in einem früheren Therapiestadium, zum Beispiel nach drei Jahren Therapie. Außerdem konnten sie feststellen, dass der durchschnittliche IL-7 Wert der Patienten vor Therapiebeginn signifikant höher war, als nach 7 Jahren HAART. Der durchschnittlich niedrigste IL-7 Spiegel wurde jedoch bei der Zwischenkontrolle nach einem Jahr gemessen. Zusammenfassend heißt das, dass nach 7 Jahren effektiver HAART die Anzahl und Funktion der T Zellen teilweise wiederhergestellt werden und diese sich auch positiv auf den IL-7-Wert auswirkt.

Die Durchführung des Forschungsprojektes wurde durch die Robert-Bosch-Stiftung unterstützt, die den Gastaufenthalt der zwei Nachwuchswissenschaftler finanzierte. Die Ergebnisse wurden ausgewertet und sind zur Publikation eingereicht.2

Erheben und auswerten – Runde 2

Yuanhao Jin, Lei Feng und Dr. Anja Potthoff führten die Deutsch-Chinesische Vergleichsstudie zum psychischen Status HIV-infizierter Patienten durch.
Yuanhao Jin, Lei Feng und Dr. Anja Potthoff führten die Deutsch-Chinesische Vergleichsstudie zum psychischen Status HIV-infizierter Patienten durch.

Der Gegenbesuch von Prof. Brockmeyer und Dr. Anja Potthoff, die im Mai 2010 nach Hangzhou reisten, konnte genutzt werden, um die Projektkoordination für den Sommer dieses Jahres zu planen sowie langfristig die Zusammenarbeit abstimmen. So nutzten auch 2010 Lei Feng und Yuanhao Jin von der Zhejiang Universität die Chance, für zwei Monate an der Bochumer Uniklinik zu forschen. In der HIV-Ambulanz der Dermatologischen Klinik ermittelten sie Daten zu psychologischen Erkrankungen, bedingt durch eine HIV-Infektion. Sie befragten 100 Patienten, u.a. aus der KompNet Kohorte, mit Hilfe des international breit eingesetzten Fragebogens Symptom Checkliste SCL-90 R zu ihrer seelischen Verfassung und ihren psychosozialen Erfahrungen und ver-glichen die Aussagen mit den Antworten, die sie bei ihrer vorausgegangenen Erhebung von chinesischen Patienten erhielten. Die Ergebnisse der Befragung von über 200 Patienten in Ost-China wurden bereits publiziert.3 Im Rahmen der Fortbildungsreihe „Qualitätszirkel HIV/Ruhr“ stellten Feng und Jin die Studie den Teilnehmern vor.

Lei Feng und Yuanhao Jin stellen beim Qualitätszirkel HIV/Ruhr im August 2010 ihr aktuelles Forschungsprojekt sowie epidemiologische Daten zur HIV-Epidemie in China vor.
Lei Feng und Yuanhao Jin stellen beim Qualitätszirkel HIV/Ruhr im August 2010 ihr aktuelles Forschungsprojekt sowie epidemiologische Daten zur HIV-Epidemie in China vor.

Diese zwei Projektbeispiele zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen der Zhejiang Universität und Mitgliedern des KompNet HIV sind und welch breites Spektrum der HIV-Bereich, nicht nur für verschiedene medizinische Fachgebiete, sondern auch für sozialwissenschaftliche Studien bietet. Mit der Patientenkohorte des Kompetenznetzes steht den Wissenschaftlern ein optimaler Datenpool zur Verfügung, anhand dessen sowohl klinische als auch epidemiologische Fragestellungen erforscht und beantwortet werden können. Gerade für junge Forscher bieten sich hier große Chancen. „Dabei erweitern die gegenseitigen Gastaufenthalte nicht nur den wissenschaftlichen Horizont aller Beteiligten, sie bereichern auch auf der interkulturellen Ebene“ erklärt Prof. Brockmeyer. Durch den persönlichen Austausch erlangen die Projektpartner wertvolle Einblicke in die sozial- und gesundheitspolitische Struktur des Partnerlandes, wodurch das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Schwierigkeiten und Probleme – aber auch Fortschritte – in der HIV-Forschung gefördert wird.

Zukunft ausbauen: Runde 3

Für 2011 ist die Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen den Medizinischen Fakultäten der Ruhr-Universität und der Zhejiang Universität geplant. Prof. Brockmeyer und Prof. Altmeyer möchten zunächst das Austauschprogramm für Nachwuchswissenschaftler ausbauen. Voraussichtlich werden im Sommer 2011 drei bis vier chinesische Gastwissenschaftler an der Uniklinik Bochum hospitieren und den Klinikalltag kennenlernen. Geplant ist auch die Durchführung von wissenschaftlichen Projekten, zum Beispiel auf der Basis der KompNet-Kohorte.

Im zweiten Schritt soll ein neues Studierendenprogramm aufgelegt werden, in dessen Rahmen jedes Jahr drei bis vier Studenten im Partnerland ihre medizinische Ausbildung beginnen können. Die Studenten werden für die gesamte Studiendauer an der Partneruniversität aufgenommen und erhalten somit die Chance, sich einen international anerkannten Studienabschluss im Ausland zu erarbeiten. „Wir schätzen die Kooperation mit der Zhejiang Universität sehr, denn unsere Studenten erwartet dort eine modern ausgestattete Eliteuniversität, an der Forschungsarbeiten auf höchstem Niveau realisierbar sind“, so Prof. Brockmeyer.

Ziel ist es auch, den Kontakt zu den chinesischen Partnern auf weitere Mitglieder des KompNets HIV/AIDS und deren wissenschaftliche Einrichtungen auszuweiten. Die Vermittlung chinesischer Gastwissenschaftler an die verschiedenen Standpunkte des KompNets wäre sicherlich ein Gewinn für alle Seiten, denn dass internationale Kooperationen innerhalb des Netzwerkes funktionieren, zeigt das Beispiel Japan.

Prof. Takashi Okamoto (Nagoya City Universität) engagiert sich seit 2005 für die Deutsch-Japanische Kooperation. Gemeinsam mit Prof. Brockmeyer und weiteren Vertretern des KompNet HIV initiierte er das German-Japanese Panel against AIDS.
Prof. Takashi Okamoto (Nagoya City Universität) engagiert sich seit 2005 für die Deutsch-Japanische Kooperation. Gemeinsam mit Prof. Brockmeyer und weiteren Vertretern des KompNet HIV initiierte er das German-Japanese Panel against AIDS.

研究 heißt Kenkyū, das bedeutet auf Japanisch „Forschung“ und ist das gemeinsame Ziel der Deutsch-Japanischen Zusammenarbeit im Rahmen des Kompetenznetzes HIV/AIDS. Im Jahr 2005 konzipierten Prof. Okamoto, vom Institut für Molekulare und Zellulare Biologie an der Nagoya City Universität, Prof. Brockmeyer, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/AIDS und Leiter für Forschung und Lehre der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum, sowie weitere Mitglieder des KompNets, wie z.B. Prof. Hans Wolf vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg, das German-Japanese Panel against AIDS und legten damit den Grundstein für die andauernde Kooperation. Jährlich alternierend treffen sich seither Forscher aus allen Fachgebieten der HIV-Forschung im Frühjahr in Japan oder Deutschland zum Deutsch-Japanischen HIV-Symposium. Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWF) fördert die Forschungskooperation und hat maßgeblich zur Umsetzung der Symposien und zur Vertiefung der wissenschaftlichen Kontakte beigetragen. Beispielsweise konnte dadurch im vergangenen Jahr der Teilnehmerkreis auf das europäische Ausland ausgeweitet werden. Die Ergebnisse der letzten Symposien wurden im European Journal for Medical Research publiziert.4

Expertise und Erfahrung

Prof. Hans Wolf (Universität Regensburg), Mitbegründer der Deutsch-Japanischen Kooperation, und Dr. Kaori Asamitsu (Universität Nagoya), Gewinnerin des Essex Poster-Awards 2009, in Bochum.
Prof. Hans Wolf (Universität Regensburg), Mitbegründer der Deutsch-Japanischen Kooperation, und Dr. Kaori Asamitsu (Universität Nagoya), Gewinnerin des Essex Poster-Awards 2009, in Bochum.

Die Teilnehmer der Deutsch-Japanischen Symposien setzen sich jedes Jahr aus unterschiedlichsten Fachgebieten und Institutionen zusammen. Neben Grundlagenwissenschaftlern, die sich zum Beispiel mit biomedizinischen oder molekularmedizinischen Fragestellungen befassen, nahmen immer auch klinische Wissenschaftler teil, sowie Epidemiologen und Sozialwissenschaftler. Die Bandbreite der Vorträge, Postertitel und Diskussionsthemen ist dementsprechend weit gefächert.

International renommierte Wissenschaftler des KompNets von verschiedenen Forschungseinrichtungen und Universitäten in Deutschland, sowie Forscher des Max Planck-Instituts, des Robert Koch-Instituts und Mitarbeiter von UNAIDS und der DAH beteiligten sich an dem Austausch. Von japanischer Seite nahmen Experten verschiedenster Forschungsinstitute, z.B. aus Tokyo, Kagoshima, Nagoya, Yokohama und Fujisawa an den letzten Treffen teil. Als Kooperationspartner bietet die japanische Forschergemeinde exzellente Möglichkeiten, denn fachlich bewegen sich diese dem KompNet partnerschaftlich verbundenen Wissenschaftler auf höchstem internationalem Niveau.

Nachwuchs vernetzen

„Sehr bereichernd bei unseren Symposien ist immer die Teilnahme von Nachwuchswissenschaftlern, die bei dieser Gelegenheit ihre Arbeiten vorstellen. Vor allem die Vernetzung unter den jungen Forschern möchten wir weiter intensiv fördern und unterstützen“ erklärt Brockmeyer. Das gelingt auf den Deutsch-Japanischen Symposien durch die Integration von jungen Wissenschaftlern, die anhand von Poster- oder Wortbeiträgen ihre Arbeit präsentieren. Die jeweils innovativsten Arbeiten wurden im Anschluss mit dem Essex Poster-Award prämiert. Für die meisten Nachwuchswissenschaftler stellte der Gastaufenthalt im Partnerland die erste Reise nach Japan bzw. Deutschland dar. Ein Gefühl für die unterschiedlichen wissenschaftlichen Herangehensweisen zu entwickeln und die Begeisterung für die fremde Kultur zu wecken sind sicherlich eine wichtige Voraussetzung und auch wertvolle Bereicherungen für die weitere Zusammenarbeit. So konnte zum Beispiel im November 2009 im Rahmen des 23. Jahreskongresses der Japanischen Gesellschaft für HIV-Forschung der Kohorten-Manager des KompNet, Klaus Jansen, in einem Plenarvortrag ausführlich die deutsche Situation in den Bereichen Prävention, epidemiologischer Forschung und medizinischer Versorgung ausführlich vorstellen und diese diskutieren.

Dr. Anja Potthoff (Dermatologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum) stellt den japanischen Kollegen Studienergebnisse zur HIV-Koinfektion mit Syphilis vor.
Dr. Anja Potthoff (Dermatologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum) stellt den japanischen Kollegen Studienergebnisse zur HIV-Koinfektion mit Syphilis vor.

Projekte entwickeln

Doch nicht nur für Nachwuchswissenschaftler ist der kontinuierliche Austausch wertvoll. Auch für die Projektzusammenarbeit sind die regelmäßigen Treffen wichtig. Gemeinsame Forschungsvorhaben lassen sich meist nicht kurzfristig realisieren, sondern bedürfen einer intensiven Vorbereitungsphase. Ein konkretes Beispiel für die Etablierung eines Kooperationsprojektes ist die Zusammenarbeit zwischen Prof. Okamoto (Nagoya City Universität) und Dr. Geyer (Max Plack-Institut, Dortmund). Gemeinsam arbeiten sie daran, einen Ansatz zu entwickeln, um den Transkriptionsmechanismus des HI-Virus zu unterbinden. Das HI-Virus hat einen besonderen Mechanismus, seine eigenen Gene zur Expression zu bringen, um dann auch viele neue Viren zu produzieren, wenn es eine Zelle infiziert hat. Die beiden Wissenschaftler konnten bereits zwei Moleküle identifizieren, die diese
Transkriptionsstimulation möglicherweise stoppen könnten und die daraufhin nun getestet werden. Erste Ergebnisse dieser Zusammenarbeit wurden bereits publiziert.5

Für 2011 ist die Ausweitung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der sozialwissenschaftlichen Forschung geplant. Im Rahmen der zahlreichen Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr der 150jährigen Deutsch-Japanischen Freundschaft, welche zum größten Teil in Düsseldorf stattfinden werden, wird auch das German-Japanese Panel against AIDS seine Ergebnisse präsentieren.


1a Changyong C, Sun M, Li H, Brockmeyer N, Wu NP. Simian Virus 40 Inhibits Differentiation and Maturation of Rhesus Macaque DC-SIGN+-Dendritic Cells. Eur J Med Res. 2010 Sep 24;15(9):377-82.

1b Tong XM, Zheng SE, Bader A, Yao HP, Wu NP, Altmeyer P, Brockmeyer NH, Jin J. Construction of expression vector of hTERT- hIL18 fusion gene and induction of cytotoxic T lymphocyte response against hTERT. Eur J Med Res. 2008 Jan 23;13(1):7-14.

2  Shou C, Jin Y, Feng L, Jin C, Hoextermann S, Potthoff A, Brockmeyer NH, Wu N. Study of T cell subsets and IL-7 in HIV-infected patients after 7 years HAART. Submitted.

3  Jin C, Zhao G, Zhang F, Feng L, Wu N. The psychological status of HIV-positive people and their psychosocial experiences in eastern China. HIV Medicine (2010), 11, 253-259.

4  Brockmeyer NH, Okamoto T. 4th German-Japanese HIV-Symposium, Eur J Med Res 2009, 14(8): 332-44.
Brockmeyer NH, Okamoto T. Abstracts of the 5th German-Japanese HIV-Symposium, Eur J Med Res 2010, 15(8): 323-37.

5  Jadlowsky JK, Nojima M, Schulte A, Geyer M, Okamoto T, Fujinaga K. Dominant negative mutant cyclin T1 proteins inhibit HIV transcription by specifically degrading Tat. Retrovirology. 2008 Jul 11;5:63.


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