HIV/STIs bei Migrant/innen
HIV-/STI-Surveillance bei und mit Migrant/innen aus Subsahara Afrika. Ein partizipativer Prozess

Robert Koch Institute LogoMigrant/innen aus Subsahara-Afrika (SSA) sind hinsichtlich der HIV-Übertragung eine epidemiologisch relevante Gruppe und machten in den letzten Jahren ca. 10-15% aller HIV-Erstdiagnosen aus.1 Von diesen neudiagnostizierten Infektionen ist etwa jede Dritte nicht im Heimatland, sondern vermutlich in Deutschland erworben worden.2 Migrant/innen aus SSA sind daher eine Zielgruppe auch für die Primärprävention von HIV. Darüber hinaus erfolgt die Diagnose einer HIV-Infektion bei Migrantinnen aus SSA häufiger im späten klinischen Stadium3 als bei anderen Personen. Dies könnte auf einen erschwerten Zugang zum Testangebot und zur Gesundheitsversorgung generell hinweisen. Mit einer partizipativ angelegten Pilot-Studie in Hamburg sollen die Präventionsbedürfnisse und -bedarfe von Afrikanern erhoben sowie lokale Kooperationen und Netzwerke gestärkt werden.

Es gibt bisher nur punktuelle Informationen zu Wissen, Einstellungen und Verhalten in Bezug auf HIV/STIs von in Deutschland lebenden Afrikaner/innen. Repräsentative Studien für die hetero-sexuelle Allgemeinbevölkerung, wie „AIDS im öffentlichen Bewusstsein“ erreichen diese Gruppe nicht ausreichend. Allerdings gibt es vielversprechende Beispiele für die Erreichbarkeit dieser Gruppe aus lokalen Studien, die partizipativ konzipiert und durchgeführt wurden.4-6 Auch hat sich die Arbeit mit Peer Researchern, also geschulten Afrikaner/innen mit gutem Zugang zur Community bewährt, die in den Forschungsprozess vor Ort eingebunden sind und die Rekrutierung von Studienteilnehmer/innen übernehmen.4, 7, 8 Seit 2011 hat das RKI in Zusammenarbeit mit BZgA und DAH einen Forschungsprozess begonnen, der ein verbessertes Verständnis der Präventionsbedürfnisse und -bedarfe von Afrikanern zum Ziel hat. In diesem Forschungsprozess ist die kontinuierliche Einbindung von Vertreter/innen der afrikanischen Community und anderen Expert/innen in den Planungsverlauf und die Studiendurchführung vorgesehen. Dadurch soll nicht nur sichergestellt werden, dass der Forschungsprozess relevante und nutzbare Ergebnisse liefert, sondern auch, dass Maßnahmen zur Prävention und Unterstützung dieser Gruppe über die Bahnung bzw. Stärkung lokaler Kooperationen und Netzwerke umsetzbar sind und nachhaltig gestaltet werden können. Dieses partizipative Vorgehen wurde im Vorfeld von Mitgliedern der afrikanischen Communities, sowie Praxispartner/innen (in der HIV-Prävention Tätigen) in einem Vorbereitungsgremium gefordert.

Partizipative Entwicklung eines Studiendesigns

In 2012 entwickelte eine Arbeitsgruppe, zusammengesetzt aus RKI, BZgA, DAH, lokalen Expert/innen und Vertreter/innen afrikanischer Communities, einen Vorschlag für ein Studiendesign: Dieser sieht eine multizentrische Studie zu Wissen, Einstellungen und Verhalten mit einem optionalen Testangebot auf HIV, HBV, HCV und STIs vor. Voraussetzung für diese  Studie ist die Zusammenarbeit mit Vertreter/innen der afrikanischen Communities und lokalen Einrichtungen vor Ort. Der erarbeitete Entwurf zum Studiendesign wurde in vier Fokusgruppen mit Afrikaner/innen (Berlin, Hamburg, München und Essen) vorgestellt und diskutiert. Die Gruppen bestätigten zum Großteil die Empfehlungen der Arbeitsgruppe und unterstützten die Studie, unter der Voraussetzung einer angemessenen Einbindung der afrikanischen Communities und Schlüsselpersonen vor Ort in die verschiedenen Studienschritte. Daher soll nun im Herbst eine Pilotstudie in Hamburg durchgeführt werden.

Abb. 1 Studienablauf in HamburgAbb. 1 Studienablauf in Hamburg

Pilotstudie in Hamburg

Die Studienkoordination vor Ort wird von der AIDS-Hilfe Hamburg übernommen, die bereits Zugang zu verschiedenen afrikanischen Communities in Hamburg hat. Zunächst werden beteiligte Einrichtungen vor Ort (z.B. Casa Blanca, Einrichtungen für Flüchtlinge, Schwerpunktärzte) über den Studienablauf informiert und um Unterstützung gebeten.

Danach werden mit Hilfe der AIDS-Hilfe Hamburg Mitglieder der afrikanischen Community gesucht, die als Peer Researcher in Frage kommen. Peer Researcher sollten Personen sein, die in ihrer Community gut vernetzt sind und die schon Erfahrungen mit dem Thema HIV, STI und sexuelle Gesundheit haben. Sie werden in mehreren Trainingseinheiten von RKI, DAH und AIDS-Hilfe Hamburg  für die Rekrutierung von Studienteilnehmern geschult. Im Folgenden werden Schlüsselpersonen aus der Community identifiziert, die mit Hilfe von Informationsveranstaltungen für die Thematik sensibilisiert werden sollen. Die Involvierung dieser Personen ist wichtig, denn sie können Informationen über die Studie in die Community tragen und somit Mitglieder zur Teilnahme motivieren.

Die Rekrutierung von Studienteilnehmer/innen erfolgt durch die Peer Researcher, wobei der Fragebogen optional schriftlich selbst ausgefüllt oder als Interview mit dem Peer Researcher durchgeführt werden kann. Die Datenerhebung ist anonym. Ausgefüllte Fragebögen werden an das RKI geschickt, wo die Dateneingabe stattfindet. Es sollen ca. 350 Afrikaner/innen rekrutiert werden. Alle Studienteilnehmer/innen werden im Rahmen der Befragung darüber informiert, dass sie die Möglichkeit haben, sich bei Casa Blanca kostenlos auf HIV oder andere Infektionskrankheiten testen zu lassen. Dort können auch Informationen zu anderen gesundheitsrelevanten Themen weitergegeben werden. Die Anzahl der Testungen sowie die Ergebnisse werden anonym an das RKI übermittelt.

Die nächsten Schritte

In den folgenden Monaten erfolgt zunächst die Entwicklung eines standardisierten Fragebogens auf Basis der vom ECDC empfohlenen Kernindikatoren zu Verhaltensstudien zu HIV/STIs bei Migrant/innen. Zusätzliche Inhalte, die während des Arbeitstreffens vorgeschlagen wurden (z.B. Fragen zu Hepatitiden) werden integriert. Dieser Fragebogenentwurf wird der Arbeitsgruppe vorgestellt und anschließend entsprechend angepasst. Eine Übersetzung des Fragebogenentwurfs in die französische und englische Sprache wird durchgeführt. Es erfolgt eine Pre-Testung des Instruments. Die Vorbereitung auf die Studie sowie die Durchführung läuft in Kooperation zwischen der AIDS-Hilfe Hamburg, der DAH und dem RKI und wird an wesentlichen Punkten (z.B. Fragebogenerstellung) auch mit der BZgA abgestimmt. Die Arbeitsgruppe und ein Advisory Board werden den Prozess beratend begleiten. Entscheidungen in Bezug auf die Studie werden partizipativ, unter Einbindung der beteiligten Einrichtungen getroffen. Die Pilotstudie wird voraussichtlich im September beginnen, und die Datenerhebung soll über ca. zwei Monate laufen.

 


1  RKI. HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin 2011,21:179-198.

2  RKI. HIV bei Migranten in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin 2012,3:19-21.

3  Zoufaly A, an der Heiden M, Marcus U, Hoffmann C, Stellbrink H, Voss L, et al. Late presentation for HIV diagnosis and care in Germany. HIV Med 2012,13:172-181.

4  Ouedraogo O FOS, Wiebe M Hand in Hand gemeinsam gegen AIDS. PaKoMi-Fallstudie Hamburg. In: Deutsch-Österreichischer AIDS-Kongress. Hannover 2011.

5  Gräser S, Krischke N, Wohlrab C. HIV/ AIDS-Prävention und Versorgung für Migrantinnen und Migranten aus Sub-Sahara Afrika. Eine Pilotstudie zur Evaluation des ‚Afrika-Projekts‘ des Gesundheitsamtes Bremen. Projektbericht. In: Schriftenreihe des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (ipp-Schriften). Edited by Görres S, Darmann-Finck I, (Hg.) SG. Bremen: Universität Bremen; 2009.

6  von Unger H. Partizipative Gesundheitsforschung: Wer partizipiert woran. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research; 2012.

7  von Unger H, Gangarova T. PaKoMi Handbuch: HIV-Prävention für und mit Migrant/inn/en. In. Berlin Deutsche AIDS-Hilfe e.V.; 2011.

8  Gräser S SH, Koch-Göppert G, Krischke N. MAQUA-HIV, Manual zur Qualitätssicherung in der HIV-Prävention für und mit MigrantInnen. Bremen: niebank-rusch-Fachverlag; 2013.

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