Nils Von Hentig, Frankfurt
Pharmakologische Personalisierung
Die Plasmakonzentrationen von HIV Proteaseinhibitoren (PI) und Nicht-Nukleosidalen Reverse Transkriptasehemmern (NNRTI) unterliegen hohen inter- und intraindividuellen Schwankungen. Da das therapeutische Fenster hier vergleichsweise gering ist, liegen toxische Konzentrationen nur etwa 3-5 Mal höher als die wirksamen Konzentrationen in vivo. Dies stellt eine Situation dar, die es nahelegt, die Dosierung der cART individuell anzupassen, um auf der einen Seite den Erfolg zu maximieren und auf der anderen Seite die Nebenwirkungen für den einzelnen Patienten zu minimieren. Das Therapeutische Drug Monitoring (TDM) der HIV Therapie wird von vielen Autoren und Guidelines in dieser Situation empfohlen. Leider sind bisher Daten für eine daran anschließende Anpassung der HIV-Therapie kaum publiziert.
Eine Personalisierung der HIV-Therapie birgt immer die Gefahr, entweder an Effektivität einzubüßen oder Nebenwirkungen zu induzieren. Es ist „Gute Pharmakologische Praxis“, eine Personalisierung der Dosis auf quantitative und qualitative Informationen über die Beziehung zwischen den individuellen Variablen des Patienten und den therapeutischen Plasmakonzentrationen zu stützen. Individuelle Variablen sind demographische Charakteristika des Patienten, vorhandene virale Resistenzen, Plasmakonzentrationen der ARVs sowie Wechselwirkungen mit anderen gleichzeitig eingenommenen Medikamenten.
Zielkonzentrationen
Wenn eine Konzentrations-Wirkungsbeziehung etabliert ist, stehen verschiedene Methoden für die individuelle Dosisanpassung zur Verfügung, angefangen vom TDM bis hin zu populationspharmakokinetischen Modellen. Zielkonzentrationen wie die Minimale Effektive Konzentration (minimum effective concentration, MEC) von PI und NNRTI wurden bereits definiert und können von Studien an Therapie-naiven Patienten extrapoliert werden. Sie finden sich in zahlreichen Therapie-Leitlinien. Eine ganze Anzahl von prospektiven Beobachtungsstudien belegt eine Korrelation zwischen Plasmakonzentration von PI und deren virologischer Wirksamkeit.
Bezogen auf Therapie-erfahrene Patienten muss jedoch gesagt werden, dass eine Beziehung zwischen Plasmakonzentrationen und virologischem Ansprechen weniger klar ist und stärker variiert. Um ein resistentes Virus erfolgreich und dauerhaft zu unterdrücken, kann es notwendig sein, hohe Plasmakonzentrationen der ARVs zu erreichen, welche durch den viralen Phänotyp bestimmt werden. Da die phänotypische Virustestung jedoch nicht Teil der diagnostischen Routine ist, kombinierten die meisten Studien den viralen Genotyp mit pharmakokinetischen Parametern. Der gIQ, der sogenannte genotypische Inhibitionsquotient, berechnet hierbei die Ratio aus der Cmin der eingesetzten ARVs und der Anzahl der genotypischen Resistenzmutationen. Dieses Konzept wurde bei Lopinavir, Atazanavir, Amprenavir, Saquinavir und anderen PI angewandt und in vorbehandelten Patienten bestätigt.
Pharmakodynamisches Modelling
Surrogatparameter wie z.B. die Viruslast bzw. die CD4-Zellzahl sind direkte Marker für Erfolg oder Versagen der Therapie. Daher versuchen verschiedene Modelle das immunologische bzw. virologische Therapieansprechen zu korrelieren.
Eine ganze Anzahl von nonlinear mixed effects-Modellen wurden etabliert, um unbekannte individuelle Einflüsse auf die virale Dynamik unter cART zu finden. Wu et al. integrierten die Plasmakonzentrationen von Indinavir/Ritonavir, Adhärenz und die virale Empfindlichkeit gegenüber den ARVs in eine Funktion von Therapieansprechen, welche sie als Hemmrate der viralen Replikation bezeichneten. Das Modell von Huang et al. identifizierte Effekte aller vier PK Parameter (Ctrough, C12hour, Cmax und AUC) auf das virologische Ansprechen und hat so wertvolle Hinweise für zukünftige Anwendungen gegeben. Schließlich ist der Ctrough ist der einfachste im klinischen Alltag zu ermittelnde Wert. Adhärenz, gemessen im Pill Count, trug nicht dazu bei, dieses Modell zu verbessern, allerdings besserte sich der Vorhersagewert des Modells für Therapieansprechen durch die Integration eines Wertes der Empfindlichkeit der ARVs gegenüber schlechter Adhärenz. Schließlich wird das Therapieansprechen durch schlechte Adhärenz über einen längeren Zeitraum stark beeinflusst, was sich nur sehr eingeschränkt durch alleiniges Tablettenzählen ermitteln lässt.
Zuletzt sollte ein Modell des inhibitorischen Potentials von ARVs diskutiert werden, obwohl dieses bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. Shen et al. präsentieren ein Modell für das anfängliche inhibitorische Potenzial, das sog. instantaneous inhibitory potential, IIP. Der IIP schließt den initialen Slope der Log-Reduktion der Viruslast in ein sogenanntes median effects model ein, welches auf der IC5 eines Medikamentes in vitro und den tatsächlich in vivo gemessenen Plasmakonzentrationen basiert.
Ein weiterer Ansatz ist das Modelling der Entwicklung der CD4-Zellen unter einer PI-basierten cART und deren Beziehung zum Auftreten opportunistischer Erkrankungen. Die Immunantwort ist zwar ein wichtiger Parameter für die klinische Effektivität einer Therapie, aufgrund des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs mit der Viruslastreduktion jedoch schwer im individuellen Patienten vorherzusagen. Es konnte gezeigt werden, dass der CD4-Zellanstieg in zwei Phasen abläuft: Nach einer initialen 2-monatigen Phase eines rapiden Anstiegs (~23.5 Zellen/mm³/Monat) folgt eine etwas 10-monatige Phase langsameren Anstiegs (6.4 Zellen/mm³/Monat). Nach etwa 120 Tagen war ein jeweiliger Anstieg von etwa 50-cell/mm³ vergesellschaftet mit einer 60%-igen Reduktion der Inzidenz opportunistischer Infektionen. Dennoch konnte bis heute kein Modell einen direkten Zusammenhang zwischen CD4-Zellanstieg und Viruslastabfall für PI etabliert werden. Jüngere Publikationen suggerieren, dass PI die Apoptose von CD4-Zellen unabhängig von ihrer antiviralen Aktivität blockieren.
Kinder
Medikamentenkonzentrationen in Kindern sind sehr schwer vorherzusagen, da die physiologischen Veränderungen während der Entwicklung die Bioverfügbarkeit von ARVs stark beeinflussen. PK-Daten von ARVs in Kindern, vor allem jünger als drei Jahre, sind selten. Eine begrenzte Anzahl sehr heterogener Studien zeigte eine sehr hohe Variabilität in Kindern mit dem Potenzial subtherapeutischer Wirkspiegel. Kinder wären somit eine Zielgruppe für eine individuelle Dosisanpassung der cART auf der Basis konsekutiver Plasmaspiegelmessungen während der Therapie. Generalisierte Dosisempfehlungen könnten für den individuellen pädiatrischen Patienten inadäquat sein.
Einige populationspharmakokinetische Ansätze haben versucht, die kindliche Demographie sowie sich verändernde physiologische Parameter mit der ARV-Kinetik in Beziehung zu setzen, so z.B. für Zidovudin, Abacavir, Nelfinavir und Enfuvirtide und zuletzt Lopinavir. Dabei wurde festgestellt, dass speziell Körpergewicht, Körperoberfläche und die sich ständig verändernde Clearance der ARVs während der kindlichen Entwicklung am meisten Einfluss auf die PK der ARVs haben.
Schwangerschaft
Die PK der cART während der Schwangerschaft bedarf ebenfalls einer ständigen Überwachung. Klinische PK-Studien belegen, dass speziell während des dritten Trimesters ARV-Spiegel substanziell reduziert sein können. Physiologische Veränderungen der Absorption aufgrund eines steigenden Magen-pH-Wertes, einer verlängerten Magen-Darm-Passagezeit, eines vergrößerten Verteilungsvolumens durch Gewichtszunahme und Eröffnung eines weiteres Kompartimentes durch den Fötus sowie Veränderungen in der hepatischen und renalen Elimination beeinflussen zumindest die PK von Saquinavir, Nelfinavir, Indinavir und Lopinavir, wahrscheinlich aller PI. Daten zu Nevirapin sind widersprüchlich und zeigen sowohl reduzierte als auch unveränderte Plasmakonzentrationen, in jedem Fall jedoch eine sehr viel höhere Variabilität der Werte. Eine TDM-basierte Dosisanpassung von Nevirapin wurde bisher in keiner klinischen Studie untersucht, obwohl sich gezeigt hat, dass speziell nach einer Schwangerschaft die Anzahl der NNRTI-Mutationen hoch sein kann.
Eine erfolgreiche Anwendung von TDM in der Schwangerschaft empfiehlt PK-Kontrollen und eventuelle individuelle Dosisanpassungen, obwohl bisher die Anzahl der Studien in diesem Bereich eher gering ist. Eine einzige prospektive Studie mit Nelfinavir, einem nicht mehr gebräuchlichen Proteaseinhibitor, ermittelte die Populationspharmakokinetik in Schwangeren für eine Anpassung der Transmissionsprophylaxe-(PMTCT) Dosis.
Ethnische Unterschiede
Das Wissen über die ethnischen Unterschiede, welche die PK einer cART beeinflussen können, ist gering, speziell im Hinblick auf genetische Polymorphismen der Cytochromoxidasen (CYP), einer Anzahl von Hostrezeptoren, Zytokinen, Chemokinen oder zellulären Transkriptionsfaktoren. Die Variabilität der Cytochrom-Expression mit erheblichem Einfluss auf die cART-PK ist zum Teil bekannt: 15% der asiatisch/ozeanischen Bevölkerung sind sogenannte poor-metabolizer von Nelfinavir. Sie verstoffwechseln Nelfinavir langsam und haben durch die verzögerte Arzneimittelelimination erhöhte Plasmaspiegel, da die Expression von CYP2C19 im Vergleich zu nur etwa 2-4% unter Kaukasiern, Afrikanern, schwarzen Nordamerikanern, Arabern oder einheimischen Australiern sehr viel geringer ist. Etwa 3 bis 4% der kaukasischen Bevölkerung sind poor-metabolizer von Efavirenz aufgrund eines Metabolismus an CYP2B6 im Vergleich zu etwa 14% der Asiaten.
Obwohl das Wissen über die Pharmakogenetik der Cytochromoxidasen ständig zunimmt, ist der Einfluss auf das TDM im klinischen Alltag doch eher gering. Derzeit existiert in keiner Leitlinie eine Empfehlung für ein prophylaktisches TDM in diesem Fall und nur zwei populationspharmakokinetische Studien haben in der Vergangenheit retrospektiv den Einfluss der genetischen Polymorphismen verschiedener Ethnien auf die PK der cART von Efavirenz, Nevirapin, Nelfinavir and Indinavir untersucht.
Nieren-/Leberinsuffizienz
Pathophysiologische Veränderungen im Verlauf einer Erkrankung können die Nieren- oder Leberfunktion verändern und dadurch auch die Arzneimittelexposition beeinflussen. Eine Dosisanpassung kann nötig werden. Bei hepatischer Insuffizienz muss ggf. die Dosis von PI oder NNRTI, bei Niereninsuffizienz von NRTI angepasst werden. Die Progression eines Leberschadens erhöht das Risiko einer stark erhöhten PI- oder NNRTI- Exposition. Auch Patienten mit replikativer Hepatitis B oder C Infektion ohne klinisch fassbaren Leberschaden können deutlich erhöhte Plasmaspiegel mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen haben. Aus diesem Grund ist eine replikative Hepatitis B oder C Infektion eine Indikation für ein engmaschigeres TDM und evtl. Dosisanpassungen bzw. Therapiewechsel. Simulationsmodelle können in diesem Fall helfen, eine cART-Dosis individuell entsprechend der hepatischen oder renalen Funktion des Patienten anzupassen. TDM kann zudem bei Patienten mit einem chronischem Malabsorptionssyndrom, Kurzdarm-Syndrom oder nach Magenresektion sinnvoll sein, auch wenn hier durch die verhältnismäßig kleinen Patientenzahlen Studien und Modelle fehlen.
Toxizität
Hohe Plasmakonzentrationen von PI und NNRTI wurden mit renalen/urologischen Toxizitäten (Indinavir), gastrointestinalen Beschwerden (Ritonavir, Nelfinavir, Lopinavir, Saquinavir), Hyperbilirubinämie und Ikterus (Atazanavir), Hyperlipidämie und metabolischem Syndrom (Lopinavir/Ritonavir, Efavirenz) und ZNS-Symptomatik (Efavirenz) in Zusammenhang gebracht.
Eine Verringerung der Indinavir-Dosis erniedrigte in einer kleinen Studie das Risiko für urologische Komplikationen. Eine weitere Beobachtungsstudie sah einen Zusammenhang zwischen Efavirenzkonzentrationen oberhalb des empfohlenen Bereichs (24%) verglichen mit Patienten, deren NNRTI Konzentration im empfohlenen Bereich lagen (9%). Die kontroversen Resultate bei erhöhten Lipiden und Lipodystrophie haben dagegen zur dem Schluss geführt, dass diese Folge der cART eher einer multifaktoriellen Genese unterliegt, welche die genetische Prädisposition des Patienten einschließt und welche durch die kumulative Behandlungszeit das Risiko für Körperfettveränderungen mitbestimmt.
Wechselwirkungen
Arzneimittelinteraktionen oder Interaktionen von Arzneimitteln mit Nahrungs(ergänzungs)mitteln können zu einer reduzierten Wirksamkeit oder zu konzentrationsbezogenen Nebenwirkungen führen. Wie bereits im vorangegangenen Teil 1 beschrieben, werden alle PI oder NNRTI über Cytochrom P450 Isoenzyme verstoffwechselt, die sich vor allem in der intestinalen Schleimhaut oder in den Hepatozyten befinden. Hinzu kommt, dass PI zusätzlich noch Substrate, Hemmer oder Induktoren einer Reihe von zellulären Effluxtransportern sein können. Als Beispiele seien hier P-Glykoprotein oder Multidrug-Resistance Proteine (MRP-1 and 2) genannt. Diese transmembranären Transporter können sowohl die Absorption als auch das Eindringen von PI in die Zielgewebe (z.B. ZNS, Hoden, Lymphozyten oder Makrophagen) beeinträchtigen. Diese Interaktionen beeinflussen die Wirkstoffkonzentrationen in Zielgewebe oder Plasma erheblich. Obwohl die Auswirkungen auf die Plasmakonzentrationen oft nur schwer messbar sind, hat die Variabilität der Gewebskonzentrationen in den verschiedenen Zielgeweben einen erheblichen Einfluss auf den Therapieerfolg einer cART.
Das Wissen um genetische Unterschiede in der Ausprägung solcher Interaktionen ist begrenzt. Sehr viel mehr wissen wir über die Interaktionen mit den CYP-Isoenzymen und es existieren klare Handlungsanweisungen für TDM bei Kombinationen einiger ARVs, z.B. bei PI, PI+NNRTI oder PI/NNRTI + bekannte CYP-Inhibitoren oder -Induktoren. Weitere Empfehlungen für TDM betreffen die Kombination einer cART mit Protonenpumpenhemmern (PPI) oder Antazida, Tuberkulostatika, Immunsuppressiva, Tumortherapien oder Antiepileptika.
Eine ganze Anzahl populationspharmakokinetischer Studien evaluierte den Einfluss von Komedikation auf eine cART, allerdings ohne hierbei neue Informationen zu generieren, wie sie bereits mit den klassischen Zwei-Schritt-PK-Studien gefunden wurden. Bis zuletzt hat die CYP- oder Membrantransporter-Genetik keinen Eingang gefunden in das PK/PD-Modelling von Arzneimittelinteraktionen.
Kontrollierte Studien
Nur wenige Studien gingen bisher der Frage nach, ob eine personalisierte HIV-Therapie dem Standard of Care überlegen ist. Derzeit sind hierzu acht kontrollierte klinische Studien publiziert. Zwei dieser Studien zeigen einen signifikanten Vorteil einer personalisierten Therapie gegenüber einer Standard-cART. Die Anzahl der CD4-Zellen unter personalisierter Therapie war nach 48 Wochen höher als in der Kontrollgruppe. Leider wurden diese Untersuchungen noch mit den älteren PI Indinavir und Nelfinavir durchgeführt. Drei weitere Studien verfehlten das Studienziel, eine Überlegenheit der TDM-gesteuerten Dosis-angepassten cART zu zeigen. Nur eine Studie konnte einen Zielwert für Efavirenz von 1.000 ng/mL Cmin und 60.000-120.000 ng*h/mL für die AUC definieren. Cmin <1.000 ng/mL wiesen eine erhöhte Rate von Therapieversagen, Cmin >4.000 ng/mL eine erhöhte Rate von ZNS-Nebenwirkungen auf. Patienten, deren Efavirenz-Plasmakonzentrationen primär nicht den definierten Zielwerten entsprachen, wurden in einem zweiten Schritt erfolgreich mit ihrer Dosis angepasst. Leider waren diese Studien nicht ausreichend gepowert, so dass eine Nicht-Unterlegenheit für die individuelle Therapieanpassung nach TDM nicht belegt werden konnte.
Eine zweite, kleinere Substudie mit 50 Kindern evaluierte erfolgreich den Gebrauch der intraindividuellen Variabilität der Plasmaspiegel als Prädiktor für den Therapieerfolg. Doch obwohl in dieser Studie viele Kinder Efavirenz-AUCs <60.000 ng*h/mL aufwiesen, wurde auf eine Dosiserhöhung verzichtet. Zumindest konnten jedoch Best et al. in einer 2007 veröffentlichten Studie ein besseres virologisches Ansprechen nach Dosisanpassung von PI in der cART zeigen.
In einer weiteren, kürzlich veröffentlichten Studie von Demeter et al. fand sich zwar keine generelle Verbesserung des Therapieansprechens nach PI-Dosisanpassung, dennoch profitierten speziell Afroamerikaner und hispanische Patienten und solche, deren HI-Viren nur noch eine partielle virologische Empfindlichkeit auf einen der eingesetzten PI hatten. Letzteres spricht dafür, dass zumindest im Einzelfall eine individuelle Dosiserhöhung intermediäre Resistenzen überwinden kann.
Diese
Erkenntnisse wurden in einem
kritischen
Cochrane-Review zu TDM-
basierten
Studien zur HIV-Therapie aus den Jahren 2002-2007 (n=8)
zusammengefasst. Dabei erkennt man die grundlegenden Probleme der
Studienansätze auf: Die methodische Qualität der Studien wurde als
gut bewertet. Die Fallzahlen waren jedoch viel zu gering (n=40-230).
Es wurde zu wenig Information über eine mögliche Randomisierung
angemahnt sowie die Heterogenität und somit
fehlende
Vergleichbarkeit in den Stu-
dienansätzen
kritisiert. Grundsätzlich konstatierten die Autoren dieser
Meta-analyse, dass TDM nicht generell für NNRTI- oder PI-basierte
cART empfohlen werden kann, dass TDM bei un-
geboosteten
PI das Ansprechen um 49% verbessern kann.
Andere,
nicht-kontrollierte Studien mit Ctrough
als Parameter für eine Anpassung von NNRTI führten zu besseren
Ergebnissen.
Bei der personalisierten Behandlung kam es seltener zu
Therapieversagen und Nebenwirkungen. TDM wurde für diese
Substanzklasse empfohlen. TDM mit Dosisanpassung von PI bei Kindern
(eine Studie für Lopinavir/
Ritonavir)
ergab dagegen keinen additiven Nutzen. Bei schwangeren Frauen im
dritten Trimester der Schwangerschaft wurde nach TDM die Dosis
entsprechend der AUC angepasst. Alle Frauen in dieser Studie hatten
bei Geburt eine Viruslast unter der Nachweisgrenze und alle geborenen
Kinder waren HIV-negativ.
Diskussion
Heute besteht Konsens darin, dass TDM erfolgreich in Situationen genutzt werden kann, in denen Nicht-Adhärenz, Arzneimittel-induzierte Nebenwirkungen oder Interaktionen vermutet werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass für diese Fragen Zielkonzentrationen definiert sind. TDM ist auch sinnvoll in besonderen klinischen Situationen und Patientengruppen, wie bei Kindern und Schwangeren, wenn aufgrund fehlender klinischer Erfahrung oder Daten Unsicherheit über die zu erreichenden Plasmakonzentrationen, Therapieansprechen oder Nebenwirkungen herrscht.
Dennoch wird bei Sichtung der vorliegenden Daten klar, dass die Personalisierung der cART auf PK-basierter Evaluation von Dosis-Wirkungsbeziehungen (d.h. dem Zusammenhang zwischen bestimmten Plasmakonzentrationen und virologischem Ansprechen oder der Entwicklung von viralen Resistenzen) bisher in der Praxis nicht eingesetzt wird. Der derzeit beste Ansatz in letzterer Hinsicht scheint der genotypische oder phänotypische Inhibitionsquotient zu sein, was aber methodologisch nicht aktuell erscheint. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit für ein Therapieansprechen zwischen 80 und 97% ist zwar gut, die Vorhersagewahrscheinlichkeit für Therapieversagen bewegt sich mit 64-80% jedoch nahe am Zufall. Das macht es schwierig, diesen Ansatz in der Klinik zu verfolgen, wo es gerade um das frühzeitige Erkennen eines potentiellen Therapieversagens geht.
Das pharmakokinetische Modelling der cART in Korrelation zu der Patientendemographie ist bereits Teil der Arzneimittelentwicklung und der pharmakologischen Wissenschaft. PK/PD-Modelle der cART schließen heutzutage die Effekte der antiviralen Potenz, die Pharmakokinetik der Substanzen auf den Therapieerfolg genauso ein wie die Adhärenz oder die virale Resistenz und Dynamik. Dennoch ist die Zahl der verwendeten Modelle klein und ihr Einfluss auf die Klinik begrenzt.
Einer Personalisierung steht auch die zunehmende Zahl von einmal tägliche Fixkombinationen entgegen. Die Tabletten können nicht mehr geteilt oder in individuellen Schritten Dosis-angepasst werden. Das trägt unzweifelhaft zur Lebensqualität der Betroffenen bei, macht jedoch individuelle Dosisanpassung schlicht unmöglich. Positives Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Zulassung von kleineren Einheiten zur Behandlung von Kindern, wie beispielsweise bei Lopinavir oder Dolutegravir.
Die TDM-basierte Dosisanpassung bleibt dem Einzelfall vorbehalten. Noch immer kann eine Körpergewichts-angepasste Dosierung in einzelnen Patientengruppen sinnvoll sein, beispielsweise in sich schnell entwickelnden Kindern oder sehr über- oder untergewichtigen Patienten. Sinnvoll erscheint ein TDM auch bei vermuteten Arzneimittelinteraktionen sowie bei mäßig bis stark erniedrigter Leber- oder Nierenfunktion.