Covid-19 und Hiv-infektion:
Gemeinsame Stellungnahme der BHIVA, DAIG, EACS, GESIDA & Polish Scientific AIDS Society
Die bisher publizierten Kohortendaten aus China, Deutschland, Italien, Spanien und den USA zeigten keine erhöhte Raten an Infektionen mit SARS-CoV-2 oder einen schwereren Krankheitsverlauf bei Menschen, die mit einer HIV-Infektion leben. Daten einzelner Kohorten, die ein zum Teil erhöhtes Risiko für Ansteckung oder schwereren Verlauf berichtet haben, können aufgrund einer anderen Patientenpopulation oder nicht eindeutig berücksichtigter Ausgangscharakteristika zurzeit nicht für unseren Behandlungsalltag verallgemeinert werden.
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Auch bei HIV-Infizierten haben die klassischen Risikofaktoren wie höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, Komorbiditäten wie Bluthochdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen, Übergewicht und Diabetes einen negativen Einfluss auf den klinischen Verlauf von COVID-19. Zudem sollten eine Helferzellzahl von <200/µl und/oder eine unbehandelte HIV-Infektion als zusätzliche Risikofaktoren angesehen werden.
Schon früh zu Beginn der Pandemie wurde über die mögliche antivirale Wirksamkeit einzelner antiretroviraler Medikamente gegenüber SARS-CoV-2 spekuliert. Mittlerweile haben einige Kohorten und randomisierte Studien eher ernüchternde Ergebnisse gezeigt. Die HIV-Proteasehemmer scheinen nach aktuellem Stand keinen positiven Einfluss auf den klinischen Verlauf von COVID-19 zu haben. Studien zum Einsatz von Maraviroc und dem CCR5-Antikörper Leronlimab laufen noch. Die Datenlage zu TDF ist noch widersprüchlich. Eine laufende Phase 3 Studie in Spanien zum Einsatz von TDF/FTC (zusammen mit niedrig dosiertem Hydroxychloroquin) als SARS-Cov-2 PrEP wird hier hoffentlich etwas Klarheit verschaffen. Damit ergibt sich aktuell kein Grund, eine gut laufende ART umzustellen, um einen möglichen Schutz gegenüber SARS-CoV-2 zu haben. Auch die aus TDF/FTC bestehende PrEP sollte weiterhin nur zum Schutz vor einer Ansteckung mit HIV verordnet werden.
Bezüglich der nicht-HIV Therapeutika sind die Empfehlungen zum Einsatz von Hydroxychloroquin aufgrund eines fehlenden Nutzens bzw. aufgrund von Toxizitäten sogar schädlichem Effekt mittlerweile zurückgenommen worden.
Zugelassen zur Behandlung von COVID-19 ist seit Juli das Nukleosid-Analogon Remdesivir (Veklury®). Informationen zum Einsatz im klinischen Alltag können z.B. auf der Webseite der deutschen Gesellschaft für Infektiologie (dgi) gefunden werden unter https://www.dgi-net.de/konsensus-empfehlungen-zur-covid-19-pharmakotherapie-der-deutschen-gesellschaft-fuer-infektiologie-dgi/
Weitere in der klinischen Untersuchung befindlichen Therapeutika sind u.a. Famotidin, Ivermectin, Sofosbuvir und Daclatasvir. Eine aktuelle Übersicht der laufenden Studien im Bereich COVID-19 und HIV findet sich z.B. hier: https://www.clinicaltrials.gov/ct2/results?term=hiv+covid&Search=Search
Im HIV- und HCV-Bereich bewährt hat die University of Liverpool auch für COVID-19 Therapeutika eine Interaktionswebseite eingerichtet unter www.covid19-druginteractions.org.
Es existieren mittlerweile Webseiten mehrerer Fachgesellschaften, über die COVID-19 Fälle bei HIV-Infizierten berichtet werden können, z.B. über die NEAT ID Foundation (www.NEAT-ID.org), den Lean European Open Survey on SARS-CoV-2 Infected Patients (LEOSS) der DGI und ESCMID (https://leoss.net) sowie die EASL (https://www.covid-hep.net/).
Abschließend muss leider festgestellt werden, dass nicht nur global, sondern auch im europäischen Raum Berichte über eine Einschränkung oder Rückgang der Versorgung HIV-Infizierter als Folge der Ressourcenknappheit im Rahmen der COVID-19 Pandemie zunehmen, wenn auch erfreulicherweise nicht in Deutschland.
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