Hilfe für Familien und Kinder in Deutschland

Deutsche AIDS-Stiftung

Im vergangenen Jahr konnte die Deutsche AIDS-Stiftung 655-mal Familien in individuellen Notlagen helfen. Von diesen Hilfsleistungen profitierten 1.144 Kinder, die entweder HIV-positive Eltern haben oder selbst von der Infektion betroffen sind.

Neben der individuellen Hilfe konnte die Deutsche AIDS-Stiftung im vergangenen Jahr Familien, Müttern und Kindern in speziell auf sie zugeschnittenen Projekten von lokalen Beratungsstellen und AIDS-Hilfen unterstützen. Beispiele hierfür sind Angebote wie ein Begegnungstreff für Migrantinnen mit HIV und AIDS, Aktivitäten wie Ausflüge und Wochenendfreizeiten oder Schulungen für Familien.

 Die Wochenendfreizeit der AG Kinder- und Jugendschutz

Eines dieser Projekte ist die Wochenendfreizeit der AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg, die einmal pro Jahr stattfindet. 15 bis 20 Mütter, 25 bis 30 Kinder, drei Sozialpädagoginnen sowie zwei zusätzlichen Kinderbetreuerinnen reisen für zwei Tage an die Ostsee.

Sibyl Peemöller, ist eine von  vier Sozialpädagoginnen des Arbeitsbe-reichs „VHIVA KIDS – Familienleben mit  HIV“
Zur Person: Sibyl Peemöller, ist eine von vier Sozialpädagoginnen des Arbeitsbereichs „VHIVA KIDS – Familienleben mit HIV“, vormals „Kinder und AIDS“, bei der AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg. Sie berät Familien mit HIV in unterschiedlichen Lebenslagen.

Die Reiseteilnehmer unterscheiden sich sehr stark voneinander was Herkunft, Bildungsniveau und soziales Umfeld betrifft. Viele Mütter sind alleinerziehend, gehen trotz Infektion oft schlechtbezahlten Teilzeitjobs nach, andere sind aufgrund ihrer Krankheit bereits in Frührente. Allen gemeinsam ist die Sorge um ihre Kinder. Es kommt nicht selten vor, dass HIV-positive Menschen diskriminiert werden: in der Kita, in der Schule, im Alltag. Viele Mütter haben ihren Kindern gegenüber starke Schuldgefühle. Während der Freizeiten können die Mütter sich erholen und Rat suchen, die Kinder können Kinder sein: Stockbrot backen, toben, am Strand spielen.

Im Interview berichtet Sibyl Peemöller über ihre Arbeit während der Wochenendfreizeit für Mütter und Kinder und gewährt Einblicke in ihren Berufsalltag in der Beratung.

Frau Peemöller, wie erleben Sie ein Mutter-Kind-Wochenende?

Sibyl Peemöller: Da ist was los. Auf der Hinreise sind die Kinder ein quirliger Ameisenhaufen. Auf der Rückreise sind sie von ihren Eindrücken und Erlebnissen einfach nur platt und schlafen. Das ist jedes Mal so. Unsere Aufgabe bei einer Wochenendfreizeit ist nicht nur diese zu leiten, sondern auch, uns besonders um neue mitreisende Mütter zu kümmern. Oft dauert es Jahre, Mütter dazu zu bewegen, mitzureisen. Sie leben teilweise sehr isoliert und haben große Angst, sich als HIV-positiv zu outen. Es kommt nicht selten vor, dass niemand außer uns von der HIV-Infektion in einer Familie weiß. Durch Freizeiten wird das Tabu, in dem sie Leben ein kleines bisschen gelockert. Das Feedback, das wir danach bekommen, ist durchweg positiv.

Wird HIV am Wochenende thematisiert?

Sibyl Peemöller: Ja, aber nur im Hintergrund. Es ist kein Thema, das durch den Raum fliegt. Die meisten Kinder sind negativ und wissen oft nichts von der HIV-Infektion in der Familie, da die Mütter Angst vor dem Outing haben und ihre Kinder schützen wollen. Manche der älteren Kinder wissen nur, dass ihr Blut oder dass ihrer Mutter „krank ist“. Wenn es den Müttern gesundheitlich gut geht, gibt es aus ihrer Sicht oft keinen Anlass, es zu erzählen. Wir versuchen, die Mütter zu beraten und zu motivieren, sich innerhalb der Familie zu outen.

Während die Kinder betreut werden, haben die Mütter Zeit, sich untereinander auszutauschen. Besonders bei kleineren Kindern mit HIV ist der Alltag schwierig: sie wehren sich gegen die tägliche Medikamenteneinnahme. Die Mütter reden aber auch über die Arzt-Wahl oder über HIV in Kita und Schule. Sie geben sich Tipps für den Alltag.

Was bewirkt eine Wochenendfreizeit bei Müttern und Kindern?

Sibyl Peemöller: Die Freizeit ist für alle etwas ganz, ganz tolles. Einige, die schon mitgereist sind, freuen sich das ganze Jahr auf das nächste Mal, da es für sie wie ein Urlaub ist, den sie so nie erleben würden, weil sie kein Geld dafür haben oder – im Fall von Migrantinnen mit Duldungsstatus aufgrund ihrer Residenzpflicht normalerweise Hamburg nicht verlassen dürfen. An dem Wochenende erleben Mütter und Kinder ein Gemeinschaftsgefühl. Wir haben für zwei Tage ein ganzes Haus nur für uns. Es liegt direkt an der Ostsee. Für die Stadtkinder bedeutet das Natur, Freiheit und Glück pur. Es bietet ungewohnte Freiräume: Kinder und Mütter können sich von ihrem belastenden Alltag erholen und Spaß haben. Es wird viel gelacht und es hat etwas sehr befreiendes. Besonders den Müttern wird ein geschützter Raum geboten, obwohl eigentlich niemand im Beisein der Kinder offen über HIV spricht.

Welches war Ihr bewegendster Moment?

Sibyl Peemöller: Auf einer Hinfahrt im Bus sprach ich mit einem neunjährigen, afrikanischen Jungen, der mit seiner Familie zum ersten Mal mitreiste. Er fragte mich: „Ist denn da ein Meer? Ist das groß?“ – er hatte noch nie zuvor das Meer gesehen. Auf der Rückfahrt sprach ich wieder mit ihm. Es war etwas ganz Tolles für ihn. Das sah man in seinem Gesicht. Jahre später erfuhr ich von den Hausbesitzern, dass ein afrikanischer Junge am Tag der Anreise, als alle anderen Kinder tobten, auf einem Baum neben der Garage saß und still aufs Meer blickte. Er saß nur da und war wie gebannt, so beeindruckt war er.

Die Wochenendfreizeit findet einmal im Jahr statt. Können Sie uns noch von Ihrem beruflichen Alltag erzählen? Was sind bei der Beratung die größten Probleme in Familien mit HIV?

Sibyl Peemöller: Der erste Kontakt zu uns findet oft in der Schwangerschaft statt, wenn die Frauen von Ihrer HIV-Infektion erfahren. Sie werden von Gynäkologen in Hamburg direkt an uns verwiesen. Es ist für sie ein großer Schock. Sie haben Fragen, die sie umtreiben rund um Schwangerschaft, die Gesundheit des Babys, ihre eigene Ansteckung und haben Angst vor dem Tod. Sie fragen sich, wie und wann sie es dem Vater und den eigenen Eltern sagen sollen. Wir versuchen, sie aufzufangen. Wir helfen, hören zu, sind da und geben Sicherheit. Bei diesem ersten Kontakt geben wir Informationen rund um die Geburt und klären auf, da die werdenden Mütter kaum etwas über HIV wissen.

„Um den Familien helfen zu können, müssen wir uns Vertrauen erarbeiten.“

Wenn sich nach der Geburt erst einmal alles beruhigt hat, geht es um die Existenzsicherung, bei der wir die Mütter beraten. Die deutschen Frauen haben in der Regel eine Wohnung. Bei den Migrantinnen, deren Aufenthaltssituation noch nicht geklärt ist, geht es oft um existenzielle Dinge wie Wohnen, Essen, Schlafen. Wir unterstützen diese Familien und vermitteln sie gegebenenfalls auch an andere Beratungsstellen. Die Hilfe bei der Existenzsicherung umfasst beispielsweise auch Fragen rund um das ALG II. Da unterstützen wir sie auch beim Ausfüllen von Anträgen. So entsteht Vertrauen und Hilfe bei anderen Themen wird möglich – um den Familien helfen zu können, müssen wir uns Vertrauen erarbeiten.

Das Interview gab Sibyl Peemöller der Deutschen AIDS-Stiftung für die Spenderinformationsschrift „Stiftung konkret“, Ausgabe 3/2013 mit dem Schwerpunktthema „Kinder und Familien“. Dort ist es in kürzerer Form zu lesen.

„VHIVA KIDS – Familienleben mit HIV“,

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Sparkasse KölnBonn, BLZ 370 501 98

„VHIVA KIDS – Familienleben mit HIV“,

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Telefon: 0 228 / 60 46 90 · Telefax: 0 228 / 60 46 999

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