HIV-PEP nach sexueller Exposition*

Sofortmaßnahmen nach sexueller HIV-Exposition

Nach einer Exposition bei eindringendem Geschlechtsverkehr sollte der Penis unter fließendem Wasser mit Seife gewaschen werden. Dazu sollte die Vorhaut zurückgezogen und die Eichel sowie die Innenseite der Vorhaut vorsichtig (ohne Druck auf die Schleimhaut auszuüben) gereinigt werden.

Eine Scheiden- oder Darmspülung nach einer Exposition bei rezeptivem Geschlechtsverkehr kann angesichts einer unklaren Datenlage nicht empfohlen werden. Nach der Aufnahme von Samenflüssigkeit in den Mund empfiehlt es sich, diese möglichst umgehend und vollständig auszuspeien. Danach sollte die Mundhöhle vier- bis fünfmal kurz (etwa 15 Sek.) mit Wasser gespült werden. Es liegen keine Daten darüber vor, ob das Schlucken aufgenommener Samenflüssigkeit ungünstiger ist als das Ausspucken. Wenn Samenflüssigkeit ins Auge gelangt, sollte dieses sofort mit Wasser ausgespült werden.

Abschätzen des Infektionsrisikos

Die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Der am besten bekannte und untersuchte Faktor ist die Höhe der Viruslast. Bei bekannter, nicht antiretroviral behandelter HIV-Infektion muss in der Regel von einem Übertragungsrisiko ausgegangen werden. Dieses ist besonders bei einer frischen HIV-Infektion hoch, d.h. innerhalb der ersten ca. 6 Monate nach Infektion, und bei bereits fortgeschrittenem Immundefekt (<200 CD4-Zellen/μl, opportunistische Infektionen).

Bei erfolgreich behandelter HIV-Infektion und einer konstanten HI-Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze besteht in der Regel kein relevantes Übertragungsrisiko mehr – Ausnahmen stellen die erst kürzlich begonnene Behandlung und eine unregelmäßige Einnahme der Medikamente dar.

Bezüglich der Sexualpraktiken birgt rezeptiver Analverkehr das höchste Infektionsrisiko. Rezeptiver Vaginalverkehr und insertiver Vaginal- und Analverkehr sind wahrscheinlich ähnlich risikobehaftet, sofern der männliche Partner unbeschnitten ist. Bei beschnittenen heterosexuellen Männern ist das Infektionsrisiko bei insertivem Verkehr um ca. 40% niedriger. Für homosexuelle Männer ist die Datenlage schlechter, die Ergebnisse einer Kohortenstudie lassen jedoch einen ähnlichen Schutzeffekt der Beschneidung bei insertivem Analverkehr vermuten.

Bei Oralverkehr ist das Risiko einer Transmission selbst bei Aufnahme von Sperma oder Vaginalsekret in den Mund sehr gering bzw. weit unter dem Risiko von ungeschütztem Vaginal- oder Analverkehr.

Beim Küssen oder bei Kontakt von HIV-haltigen Körperflüssigkeiten mit intakter Haut ist eine HIV-Transmission nicht möglich bzw. bisher nicht beschrieben.

Risikowahrscheinlichkeit für die HIV-Übertragung°

Risikowahrscheinlichkeit für die HIV-Übertragung

Hierarchie von Infektionswahrscheinlichkeiten für die HIV-Übertragung

Hierarchie von Infektionswahrscheinlichkeiten

Indikation

Die ärztliche Indikationsstellung zur HIV-PEP muss streng an der individuellen Risikoabschätzung orientiert sein. Es gelten die folgenden Empfehlungen zur Einleitung einer PEP in Abhängigkeit vom möglichen Infektionsrisiko wie in der Abbildung unten dargestellt. Eine Abweichung von den hier genannten Empfehlungen - insbesondere bei der häufig vorkommenden Konstellation, dass der HIV-Status des Partners/ der Partnerin unbekannt ist - sollte zurückhaltend erfolgen und bedarf bis auf weiteres einer besonderen Begründung und Dokumentation. In Zweifelsfällen kann/sollte zeitnah ein/e in der HIV-Therapie erfahrene Arzt/Ärztin konsultiert werden

Indikation zur HIV-PEP bei nicht-beruflicher HIV-Exposition

Indikationen zur HIV-PEP bei nicht-beruflicher HIV-Exposition

Zeitlicher Rahmen

Eine HIV-PEP sollte so früh wie möglich nach einer Exposition begonnen werden, die besten Ergebnisse sind bei einem Prophylaxebeginn innerhalb von 24 Stunden, besser noch innerhalb von 2 Stunden zu erwarten. Liegen bereits mehr als 72 Stunden zwischen der Exposition und dem möglichen Prophylaxebeginn, so kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden (Ausnahmen siehe oben). Alternativ kann ein HIV-Monitoring (HIV-Antikörpertests z.B. 3 und 6 Wochen nach der Exposition, bei klinischer Symptomatik ggf. HIV-PCR) angeboten und ggf. eine frühzeitige Therapie bei Nachweis einer Virämie in Erwägung gezogen werden.

Standardprophylaxe (gleich wie berufliche PEP bis zu Kostenübernahme)

Aus pragmatischen Überlegungen werden an dieser Stelle nicht alle in Betracht kommenden Kombinationen aufgezählt und bewertet. Bewusst wird eine Kombination als Standard-PEP empfohlen, wobei durchaus alternativ auch andere Medikamente zum Einsatz kommen können.

Empfehlung zu PEP-Medikamenten

Empfehlung zu PEP-Medikamenten

Veränderungen der Standard-PEP sind möglich, sollten aber durch in der HIV-Behandlung erfahrene Ärzt_innen vorgenommen werden. Die Prophylaxe sollte über 28-30 Tage durchgeführt werden. Längere Behandlungszeiträume können in Erwägung gezogen werden, wenn es zu einer massiven Kontamination gekommen ist und/oder der Zeitraum zwischen Exposition und Prophylaxebeginn länger als 36-48 Stunden ist (Expertenkonsultation!).

Unerwünschte Wirkungen

Die Nebenwirkungen der antiretroviralen Medikamente sind bei gesunden Menschen und bei kurzer Therapiedauer gering und reversibel (siehe hierzu Tabelle). Gastrointestinale Beschwerden, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen. Unter der Therapie mit Nukleosidanaloga wurden verschiedentlich metabolische Syndrome bis zur Laktatazidose und Pankreatitiden beschrieben, die jedoch bei kurzfristiger prophylaktischerGabe ebenfalls kaum zu erwarten sind. Dennoch bedürfen vor allem Personen mit prädisponierenden Faktoren wie eingeschränkter Leberfunktion diesbezüglich einer besonderen ärztlichen Überwachung.

Dosierung und wesentliche unerwünschte Wirkung (auch bei Schwangerschaft) von antiretroviralen Medikamenten, die für eine PEP empfohlen wurden

Tabelle 5:  Dosierung und wesentliche unerwünschte Wirkung (auch bei Schwangerschaft) von  antiretroviralen Medikamenten, die für eine PEP empfohlen wurden

Laborkontrollen

Empfohlene Basis- und Kontrolluntersuchungen


Experten-Konsultation

Die langjährige Erfahrung mit postexpositioneller Prophylaxe einer HIV-Infektion im medizinischen Bereich zeigt, dass trotz ausführlicher nationaler und internationaler Leitlinien individuelle Besonderheiten der HIV-Exposition immer wieder den Rat von im Umgang mit der PEP erfahrenen Experten erfordern. Ein solcher Rat von in der HIV-Therapie erfahrenen Ärztinnen und Ärzten sollte in der Regel zeitnah nach Einleitung jeder PEP eingeholt werden, insbesondere aber dann, wenn die Indikation sowie die Art und der Umfang der Prophylaxe im Rahmen dieser Empfehlungen nicht eindeutig geregelt sind.

Sofern vor Ort kein Rat von ausgewiesenen Experten eingeholt werden kann oder diese nichtbekannt sind, kann hierfür auch - allerdings nur während der üblichen Arbeitszeiten (Mo.-Fr. ca. 9.00 - 17.00) das RKI (Tel: 030/18754 3467) in Anspruch genommen werden, über das auch eine Vermittlung an Experten in der Nähe erfolgen kann. Ausserhalb der Dienstzeiten kann über die Infektionsepidemiologische Rufbereitschaft Rat eingeholt werden (Tel: 030/18754-0).

Eine ad-hoc Telefonberatung für Notsituationen (Screening- und ggf. Verweis-Funktion an mögliche Behandler, nicht jedoch Indikationsstellung und/oder medizinische Interventionsberatung) bietet auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Beratungszeiten täglich ab 10 Uhr, Mo-Do bis 22 Uhr, Fr-So bis 18 Uhr (Tel: 0221/ 892031).

Die Deutsche AIDS-Hilfe bietet auf der Homepage des HIVReport (www.hivreport.de) eine Liste der Kliniken, die 24 Stunden am Tag eine Beratung zur HIV-PEP durchführen können (Selbstauskunft der Kliniken und Testanrufe).

Auf der Homepage der österreichischen AIDS-Gesellschaft (www.aidsgesellschaft.at) findet sich ebenfalls eine Liste der österreichischen HIV-Behandlungszentren, die bei Fragen zur HIV-PEP kontaktiert werden können.

Kostenübernahme

Alle genannten Arzneimittel sind für die HIV-PEP nicht zugelassen.

Die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst neben der Therapie auch Maßnahmen der Sekundärprävention (Frühbehandlung). Wenn sine sichere oder sehr wahrscheinliche HIV-Exposition vorliegt und die PEP gemäß dieser Leitlinien eingesetzt wird, ist sie nach Ansicht des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine Form der Frühtherapie zur Verhinderung einer manifesten Infektion. Damit ist der Gebrauch der antiretroviralen Medikamente im Rahmen dieser Leitlinie zulassungskonform und erstattungsfähig.


* Die deutsch-österreichischen Empfehlungen zur PEP wurden im Sommer 2018 aktualisiert und sind in voller Länge auf der Homepage www.daignet.de einzusehen.

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