Expertinnen Berichten der Deutschen AIDS-Stiftung über Ihre Erfahrungen Mit HIV-positiven Müttern
dtAidsStiff_logo.jpg„Du kannst es dir nicht vorstellen, aber du kannst Oma werden. Du hast eine Zukunft!“

Im vergangenen Jahr half die Deutsche AIDS-Stiftung insgesamt 714-mal HIV-positiven Müttern in individuellen Notlagen. Neben den Müttern profitierten insgesamt 1.025 Kinder von den Familienhilfen. Um mehr über die Situation dieser Frauen zu erfahren, sprachen wir mit drei Beraterinnen, die täglich in Kontakt mit HIV-positiven Müttern stehen: Patricia Barth vom Fachbereich VHIVA KIDS – Familienleben mit HIV der AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V., Mena Klemp von der AIDS Initiative Bonn e.V. und Andrea Wetzchewald von der AIDS-Hilfe Wuppertal e.V.

In den Gesprächen wurde schnell deutlich, dass das Wohl des Kindes für die hilfesuchenden Frauen an erster Stelle steht: von der Zeit des Kinderwunschs über die Schwangerschaft bis zum Mutter-Sein. Für das Wohlergehen ihrer Kinder stellen die Mütter ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Manchmal verschweigen sie ihre HIV-Infektion in der Familie, um diese nicht zu belasten. Gegebenenfalls vernachlässigen sie ihre eigene Gesundheit.

Patricia Barth vom Fachbereich VHIVA KIDS  – Familienleben mit HIV der AG Kinder- und  Jugendschutz Hamburg e.V.
Patricia Barth vom Fachbereich VHIVA KIDS – Familienleben mit HIV der AG Kinder- und Jugendschutz Hamburg e.V.
©Brigitte Reinhardt

Wie Patricia Barth berichtet, kommt es häufig vor, dass Frauen während der Schwangerschaft ihre HIV-Medikamente primär „für das Kind“ einnähmen, weniger, um die eigene HIV-Infektion zu behandeln. In diesen Fällen sei es besonders wichtig, dass Mitarbeiterinnen in einer Beratungsstelle die Frauen motivieren, auch nach der Geburt die Therapie fortzusetzen. Aufklärung und Beistand ist in dieser Phase das wichtigste für die Frauen. Besonders, wenn sie erst in der Schwangerschaft von ihrer HIV-Infektion erfahren haben. Viele fallen durch diese Nachricht in ein tiefes Loch: Einige von ihnen haben den eigenen Tod vor Augen. Sie aufzufangen und ihnen Perspektiven aufzuzeigen, kann sehr zur mentalen Stabilisierung beitragen: „Ich weiß, du kannst es dir nicht vorstellen, aber du kannst Oma werden. Du hast eine Zukunft!“. Zu der Angst um sich kommt die Angst um die Gesundheit des Kindes. Auch wenn Schwangere wissen, dass sie bei erfolgreicher Therapie gesunde Kinder zur Welt bringen können, haben sie oft große Angst, vor einer HIV-Übertragung auf das Kind. Selbst nach den ersten Tests nach der Geburt bleiben Zweifel. Eine endgültige Aussage, ob eine Infektion vorliegt oder nicht, kann erst 18 Monate nach Geburt gemacht werden.

Mena Klemp von der AIDS Initiative Bonn e.V.
Mena Klemp von der AIDS Initiative Bonn e.V.
©Deutsche AIDS-Stiftung

Die Mitarbeiterinnen in den Beratungsstellen geben den Frauen Halt und zeigen ihnen in emotionalen – und sehr häufig auch finanziellen – Notlagen Lösungen auf. Hier kann die Deutsche AIDS-Stiftung helfen. Die Beraterinnen vermitteln den Frauen, dass sie auch mit ihren materiellen Sorgen nicht alleine sind und Unterstützung erhalten können: bei der Finanzierung von Einrichtungsgegenständen wie Kinderbetten oder Kleiderschränken, des Kinderwagens oder von Bekleidung. „Zu wissen, dass die Stiftung praktisch und materiell helfen kann, nimmt eine große Last von den Schultern. Die Frauen gehen dann mit einer großen Sorge weniger aus einem Beratungsgespräch nach Hause“, meint Patricia Barth. In einer Situation der Hilflosigkeit ist die Erfahrung, nicht alleine mit seinen emotionalen und materiellen Sorgen zu sein, stärkend.

Im vergangenen Jahr hat die Deutsche AIDS-Stiftung zu Weihnachten Familien 543-mal mit einer speziellen Weihnachtsbeihilfe unterstützt: Mit einer Förderung von 90 Euro für ein Kind, für jedes weitere Kind mit 30 Euro, konnte sie HIV-positiven Müttern helfen, ihren Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten.

Nach der Geburt ist es für die Mütter ein großes Anliegen, dass ihre Infektion nur dort bekannt wird, wo sie es für richtig halten. Aus Angst, dass ihre Kinder Nachteile erleiden und diskriminiert werden könnten, informieren viele Mütter selbst die Kinder nicht über ihre Infektion. Es entstehen Heimlichkeiten; beispielsweise werden Tabletten in andere Packungen gepackt, damit die Kinder zuhause nicht erkennen, dass es sich um HIV-Präparate handelt. Tabletten werden dann heimlich eingenommen, was dazu führen kann, dass die Einnahme vergessen wird. Bei Hausbesuchen der Beratungsstellen-Mitarbeiterinnen oder anderen Gelegenheiten, bei denen Kinder anwesend sein könnten, werden die Wörter „HIV“ und „AIDS“ nicht erwähnt. Für regelmäßige Termine beim HIV-Schwerpunktarzt müssen dann Ausreden her. Die HIV-Infektion wird dann gegenüber der Familie als „etwas, das vertretbar erscheint ausgegeben, wie Rheuma oder eine Autoimmunerkrankung“, sagt Mena Klemp.

Andrea Wetzchewald von der  AIDS-Hilfe Wuppertal e.V.
Andrea Wetzchewald von der AIDS-Hilfe Wuppertal e.V.
©Tom V Kortmann

Wie Andrea Wetzchewald berichtet, musste sie sich bereits dafür einsetzen, dass der HIV-Status von Müttern aus dem Mutterpass oder den sogenannten U-Heften der Kinder gelöscht wird: „Wir helfen dabei, dass dies verhindert bzw. rückgängig gemacht wird, indem wir mit dem Gynäkologen reden. Im Mutterpass darf die Durchführung des HIV-Test dokumentiert werden, das Ergebnis nicht“. In den gelben Früherkennungsuntersuchungs-Heften für Kinder (U-Heften), in denen von der Geburt bis zur Einschulung Ergebnisse von medizinischen Untersuchungen und zur geistigen, körperlichen und sprachlichen Entwicklung aufgeführt sind, darf der HIV-Status der Mutter nicht vermerkt sein. Das U-Heft muss bei der Anmeldung im Kindergarten vorgelegt werden. Mena Klemp berichtet von einem Vorfall in Bonn: Eine Kindergartenleiterin hatte von der HIV-Infektion einer alleinerziehenden Mutter erfahren und wollte die anderen Eltern darüber informieren. Mena Klemp konnte sie durch ein Gespräch in der AIDS-Initiative Bonn darüber aufklären, dass es keine Informationspflicht bei der HIV-Infektion einer Mutter gibt und man bei Mitteilung an die Eltern sogar rechtlich gegen sie vorgehen könnte. Die Kindergartenleiterin konnte überzeugt werden. „Im Fall einer HIV-Infektion des Kindes wäre es sehr viel schwieriger gewesen, der Kindergartenleitung zu vermitteln, die HIV-Infektion gegenüber den Eltern geheim zu halten. Infektionsängste sind immer noch sehr weit verbreitet“ sagt Mena Klemp. „Dass es beim Spielen noch nie eine HIV-Übertragung von Kind zu Kind gegeben hat, ist vielen Menschen nicht bekannt.“ Durch die Aufklärung über Ansteckungswege und Schutzmöglichkeiten in den letzten 30 Jahren konnten viele unbegründete Ängste über Infektionsmöglichkeiten abgebaut werden. Trotzdem kommt es auch heute noch vor, dass gerade wenn es um die eigenen Kinder geht, Mütter unter Ängsten leiden. Deshalb ist es sehr wichtig, immer wieder sachlich Aufklärung über die Ungefährlichkeit sozialer Kontakte zu leisten.

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