9TH INTERNATIONAL WORKSHOP ON CLINICAL PHARMACOLOGY OF HIV THERAPY, 07.-09. APRIL 2008, NEW ORLEANS, USA
Wichtige Aspekte für die Praxis

Pharmakologische Aspekte werden bei der HAART ein zunehmend interessantes Thema. In diesem Jahr standen die Daten zu den neuen Substanzklassen, zur Therapie bei Schwangerschaft und zur ZNS-Penetration im Mittelpunkt des Interesse. Ein großes Thema auf dem internationalen Pharmakologie-Kongress war aber auch die Auswirkungen der genetischen Polymorphismen der abbauenden Enzyme und Transportermoleküle auf die ART.

Der diesjährige Pharmakologen-Kongress fand in New Orleans statt. Dort hatte vor drei Jahren der Hurrikan Katrina die Stadt und das am Hafen gelegene Kongresszentrum verwüstet. Dr. Fred Lopez aus New Orleans zeigte in seinem Eröffnungsvortrag sehr anschaulich, welche katastrophalen Bedingungen in den ersten Tagen nach Katrina in den Kliniken herrschten und wie notwendig schnelle Hilfe von außen gewesen wäre und immer noch ist. Der Touristenteil ist komplett renoviert, aber viele andere Bezirke sind noch nicht wieder aufgebaut.


Abb. 1: Schaufelraddampfer in New Orleans

INTEGRASEHEMMER PLUS PI

Für die Klinik sehr interessant waren die Studien zur Kombinierbarkeit der Integrasehemmer. Als Partner für ungeboostertes Elvitegravir (EVG) wurde Atazanavir (ATV) geprüft. Der Integrasehemmer Elvitegravir wird über das Isoenzym CYP-3A4 und die UDP-Glucuronyltransferase (UGT) abgebaut. ATV hemmt beide Enzyme. Aus diesem Grund wurden die Regime EVG/ATV 300/400 mg QD und EVG/r 300/100 mg QD verglichen. In beiden Regimen wurden ähnliche EVG PK-Werte erreicht, doch leider fielen die AUC und das Cmin des ungeboosterten ATV um 29,5% bzw. 45,7% ab. Das Risiko einer Resistenzentwicklung gegen ATV ist somit in diesem Regime erhöht.5

Als Kombinationspartner für Raltegravir (RAL) wurde LPV/r untersucht. Beide Substanzen besitzen eine ähnlich lange HWZ (LPV: 5 - 6 h, RAL: ~ 9 h) und werden deshalb etwa gleichschnell ausgeschieden. Das hat den Vorteil, dass beim Auslassen einer Dosis keine ungewollte Monotherapie mit einem Wirkstoff mit wesentlich längerer HWZ auftreten kann. Ein weiterer Grund für die Kombination mit LPV/r ist die im Gegensatz zu RAL hohe genetische Barriere des Proteasehemmers.

RAL wird über UGT1A1 metabolisiert, welches LPV/r induzieren kann. Bei den 15 gesunden Probanden blieben die PK-Werte von LPV und RTV unter RAL 400 mg BID plus LPV/r 400/100 mg BID konstant. Die C12h von RAL fiel jedoch um 30% ab, wobei die C12h-Konzentration mit 34,4 ng/ml jedoch noch oberhalb der RAL-IC95 (14,6 ng/ml) lag. Daraus schlossen die Autoren, dass RAL in Kombination mit LPV/r ohne Dosisanpassung eingesetzt werden kann.6

Abb. 2: Penetration des 2. Generationen-PIs DPC-681 mit/ohne RTV in verschiedenen Körpergeweben (entnommen aus Letendre et al., Invited lecture, 08)

Penetrationszahl 1 (hoch) 0,5 (mittel) 0 (niedrig)
RTIs Abacavir
Zidovudin
Emtricitabin
Lamivudin
Stavudin
Didanosin
Tenofovir
Zalcitabin
NNRTIs Nevirapin Efavirenz
Pis Indinavir
Indinavir/r
Lopinavir/r
Amprenavir/r
Atazanavir
Atazanavir/r
Amprenavir
Nelfinavir
Ritonavir
Saquinavir
Saquinavir/r
Tipranavir/r

Tab. 1: Penetrationszahlen der antiretroviralen Medikamente

Co-Infektion TB - Dosisanpassung für EFV?

Mit dem multivariablen Regressionsmodell wurde unter Berücksichtigung der Grenzen der statischen Analyse der Effekt von Gewicht, ethnischer Abstammung und der Überlagerung dieser Einflüsse auf die Interaktion zwischen NNRTIs und Rifampicin bei TB-Patienten berechnet. Dabei wurden TDM Werte mit den Kohorten Daten für männliche TB-Patienten, die seit 12 Monaten EFV bekamen und mit Rifampicin behandelt wurden, zusammengeführt und folgende Aussagen getroffen:

  • bei Kaukasiern ist eine gewichtsadaptierte Dosisanpassung vom EFV zu erwägen
  • bei Schwarz-Afrikanern ist der Effekt von Rifampicin durch erhöhte EFV-Spiegel aufgrund der ethnischen Abstammung ausgeglichen. Eine gewichtsadaptierte Dosisanpassung ist nicht notwendig.

Weitere prospektive Studien müssen diese Aussagen manifestieren.

Abb. 3: Multivariables Regressionsmodell zur Dosisanpassung von EFV bei TB-Patienten bestimmt durch C24h

SCHWANGERSCHAFT UND PI

Immer wieder zeigen Arbeiten, dass die Spiegel von Proteasehemmern vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft niedriger sind.7, 8 Nun wurden erstmals die freien Konzentrationen von LPV, ATV und RTV gemessen. Die freie Konzentration spiegelt die aktive PI-Exposition besser wieder als die Gesamtkonzentration, welche auch die Protein-gebundene PI-Konzentration umfasst. Insbesondere während der Schwangerschaft variieren die Anzahl der Plasmaproteine und das Plasmavolumen.

Die Ergebnisse der Messung bei 17 Schwangeren bei der Geburt und ein bis zwei Monate post-partum bestätigen, was schon lange vermutet wurde. Die freien Plasmakonzentrationen für LPV (0,78% - 0,94%) und RTV (0,72% - 1,2%) zeigten während der gesamten Schwangerschaft und bei der Geburt keine systematischen Veränderungen bezüglich des Anteils an der Gesamt-PI-Konzentration. Sie waren vergleichbar mit den post-partalen Spiegeln.9 ATV-Ergebnisse folgen.

ZNS-PENETRATION

Ein weiterer Bereich, der auf dem Kongress viel diskutiert wurde, ist die schlechte Penetration der ART in das ZNS und die damit verbundenen Probleme. Abbildung 2 beschreibt die Verteilung eines Proteasehemmers in die verschiedenen Kompartimente. Im blauen Bereich ist die PI-Konzentration gering. Sie wird nach grün hin immer höher. Im Gastrointestinaltrakt und in der Leber finden sich die höchsten Konzentrationen. Durch Boosterung des neuen PIs kann die Verteilung im Körper verbessert werden, doch die Konzentrationen im Gehirn und in der zerebrospinalen Flüssigkeit (ZSF) bleiben gering.

Eine gute ZNS-Penetration ist mit einer geringeren Viruslast im Liquor verbunden. Die Arbeitsgruppe um Letendre entwickelte daraufhin basierend auf den Daten von 467 HIV-Patienten ein ZNS-Penetrations-Effektivitäts-Score (ZPE). Jedes HIV-Medikament wurde einzeln bewertet nach der chemischen Charakteristik, der gemessenen Liquor-Konzentrationen und der bewiesenen ZNS-Effektivität in klinischen Studien und erhielt dann einen Penetrationsgrad (0 = niedrig, 0,5 = mittel, 1 = hoch). Der ZPE-Score wird errechnet, indem man die Penetrationszahlen der einzelnen Medikamente eines ART-Regimes addiert.

Der mediane ZPE-Score der 467 Patienten lag bei 1,5. Patienten mit einem ZPE-Score =1,5 hatten eine um 88% erhöhte Wahrscheinlichkeit einer nachweisbaren Viruslast im Liquor als Patienten mit einem ZPE-Score >1,5 (20% versus 12%). Eine bessere ZNS-Penetration der ART und die damit verbundene virale Suppression im Liquor wurde mit einem besseren neurologischen bzw. neurokognitiven Ansprechen assoziiert. Letendre, et al. empfehlen, bei der Auswahl eines ART-Regimes auf einen ZPE-Score von >1,5 zu achten.11, 12

GENETISCHER POLYMORPHISMUS

Spiegelmessungen allein reichen nicht aus, um Nebenwirkungsphänomene zu erklären. Stark erhöhte Blutfette als Nebenwirkung des geboosterten Doppel-PI-Regimes Saquinavir/Lopinavir/r (SQV/LPV/RTV 1.000/400/100 mg BID) konnten anhand von Spiegelveränderungen nicht erklärt werden. Zwischen PI-Spiegeln und erhöhten Lipidwerten bestand keine Korrelation.3 Da es in der klinischen Praxis Hinweise gibt, dass nur einzelne Patienten extrem hohe Lipidwerte entwickeln, wird einem möglichen genetischen Polymorphismus nachgegangen. Der 3322C>G Polymorphismus des für den Cholesterinstoffwechsel wichtigen Proteins SREBP-1c beispielsweise führt in Kombination mit Proteasehemmern bei manchen Patienten zu stark erhöhten Blutfettwerten.4

Genetisch determinierte Polymorphismen sind bei NNRTI die Ursache für unterschiedliche Spiegel bei Schwarzen und Weißen. So sind bei Afrikanern aufgrund des CYP-2B6-Polymorphismus die Spiegel von Efavirenz/EFV (+59%) und Nevirapin/NVP (+39%) signifikant höher als bei Kaukasiern. Ob die erhöhten Spiegel auch vermehrt Nebenwirkungen verursachen, ist unklar. Wird zum NNRTI Rifampicin dazu gegeben, ist der NNRTI-Abfall bei den Afrikanern durch die Interaktion mit Rifampicin weniger gravierend (EFV -35%, NVP -40%) wie man in Abb. 3 erkennt.1, 2


Literatur

1 . Stoehr W et al. Factors influencing EFV and NVP plasma concentration: Effect of ethnicity, weight, and co-medication. Abstract O13.

2. Mahungu TW et al. The impact of CYP2B6 (516G>T, 1459C>T), CYP3A4 (-392A>G), CYP3A5 (6986A>G) and MDR1 (3435C>T, 2677G>T, 1236C>T) single nucleotide polymorphisms (SNPs) on the pharmacokinetics of NVP. Abstract O1.

3. Rhee M et al. Relationship between plasma PI concentrations and lipid elevations in HIV patients on dual boosted PI regimen. Abstract P50.

4. Miserez AR et al. A single-nucleotide polymorphism in the sterol-regulatory element-binding protein 1c gene is predictive of HIV-related hyperlipoproteinaemia. AIDS 2001;15(15):2045-9.

5. Ramanathan S et al. Clinical pharmacokinetics of once-daily elvitegravir boosted by ATV vs RTV. Abstract O18.

6. Rhame F. RAL-KAL: pharmacokinetics of coadministered RAL and LPV/rin healthy adults. Abstract O19.

7. Best B et al. High-dose lopinavir and Standard-dose emtricitabine Pharmacokinetics during Pregnancy and Postpartum. Abstract 629. 15th CROI, 3.-6.2.08, Boston, USA.

8. Eley T et al. Steady State Pharmacokinetics and Safety of ATV after Treatment with ATV 300 mg Once Daily/RTV 100 mg Once Daily + ZDV/3TC during the Third Trimester in HIV + Women. Abstract 624. 15th CROI, 3.-6.2.08, Boston, USA.

9. Fayet A et al. Free and total plasma concentrations of LPV, RTV and ATV during the course of pregnancy, in umbilical cord and at post-partum. Abstract O10.

10. Fayet A. Free and total plasma concentrations of LPV, RTV and ATV during the course of pregnancy, in umbilical cord and at post-partum. Oral presentation.

11. Letendre S et al. Validation of the CNS Penetration-Effectiveness Rank for Quantifying Antiretroviral Penetration Into the Central Nervous System. Arch Neurol 2008 ;65(1):65-70.

12. Letendre S. Invited Lecture: Distribution and effectiveness of antiretrovirals in the central nervous system. oral presentation.

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