Siegfried Schwarze
Immunaktivierung

Washington DC, 24.7. 2011

Inzwischen ist klar, dass im Rahmen einer chronischen HIV-Infektion langfristig vor allem Entzündungsreaktion Probleme bereitet. Steven Deeks gab einen Überblick zum aktuellen Stand der Wissenschaft.

 Im Zusammenhang mit der Entzündungsreaktion bei HIV-Infektion gibt es eine Reihe ungeklärter Fragen:

  • Was verursacht die Entzündung?
  • Welche Parameter können das Risiko am besten beschreiben?
  • Wie kann man diese Entzündungsparameter verbessern?
  • Bietet diese Verbesserung letztendlich auch einen klinischen Nutzen?

Steven Deeks fasste den derzeitigen Wissensstand zusammen. Dabei waren folgende Punkte erwähnenswert:

  • Vermutlich sind selbst geringfügig erhöhte Entzündungsparameter bei HIV-Positiven von größerer Bedeutung als bei HIV-Negativen, da sie:
    • Trotz Therapie über die Jahre relativ konstant bleiben. (D.h. nachdem die Werte nach Therapiebeginn sich zunächst deutlich bessern, bleiben sie anschließend über die Jahre relativ unverändert).
    • Z.B. ein erhöhter D-Dimer-Wert noch 8 Jahre später ein erhöhtes Risiko für CVE bedeutet.
    • Vermutlich (mind.) zwei unterschiedliche Pfade umfassen: Gerinnung und Entzündung.
  • Bei dauerhafter niedriger CD4-Zellzahl besteht nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Defekt im Immunsystem, der z.B. zu einer mangelhaften Kontrolle von CMV führt, was wiederum erhöhte Entzündungsparameter zur Folge hat.
  • Die Viruslast können wir inzwischen gut kontrollieren, nun gilt es
    • Die Immunaktivierung  und Entzündungsreaktion zu verringern. Hierbei sind u.a. folgende Substanzen in der Diskussion und sollen möglicherweise in klinischen Studien auf ihren Nutzen untersucht werden
      • Valganciclovir (wegen der Wirksamkeit gegen CMV)
      • Maraviroc (fraglich, da es in einigen Studien eine Senkung der Entzündungsparameter bewirkte, in anderen eher eine Erhöhung)
      • Raltegravir (da gezeigt wurde, dass es die residuale Virusvermehrung im Ileum reduzieren kann)
      • Rifaximin+Sulfasalazin (+Probiotika) (als Möglichkeit, die mikrobielle Translokation und die damit verbundene Entzündung zur verringern)
      • COX-2-Hemmer (wegen ihrer direkt antientzündlichen Wirkung)
      • Statine (ihnen werden neben der cholesterinsenkenden auch entzündungsmodulierende Wirkungen nachgesagt)
      • Hydroxychloroquin (dämpft die Immunaktivierung)
      • ddI+Hydroxycarbamid (antivirale Wirkung und gleichzeitig Dämpfung der Immunaktivierung – ja, ich dachte auch, diese Kombination sei schon seit Jahren abgehakt…)
      • Leflunomid (ein Analogon des Thalidomid, das ebenfalls immunmodulierend wirkt)
      • Prednisolon (es gibt viele anekdotische Berichte zur positiven Wirkung von niedrig dosiertem Kortison bei HIV-Patienten; eine mögliche Erklärung wäre auch hier die Dämpfung der Entzündungsreaktion)
      • NSAID (wie bei COX-2-Hemmern aber zusätzliche Wirkungen, z.B. bei ASS auf die Blutgerinnung)
      • Sartane (auch ihnen werden z.T. neben der blutdrucksenkenden Wirkung auch Effekte auf Entzündungsreaktionen, v.a. des Endothels, nachgesagt)
  • Wichtiger Grund für den Verlust von CD4-Zellen: Fibrose des T-Zell-Areals in den Lymphknoten. Durch die Fibrose des Retikulär-Dendrititschen Netzwerks wird weniger IL-7 produziert, das für die Proliferation und für das Überleben von CD4-Zellen benötigt wird.
  • Auch nach langer HAART ist diese Fibrosierung kaum reversibel
  • Unterschied der vorbestehenden Fibrose bei ugandischen Patienten durch andere Erkrankungen (Malaria, Wurmerkrankungen, TB) führt zu im Durchschnitt deutlich niedrigeren Helferzellzahlen und langsamerem CD4-Anstieg nach Therapiebeginn
  • Bei Integrasehemmung bleiben ccc-DNA-Ringe, die ebenfalls zur Virenproduktion beitragen können, wenn auch nur in sehr geringem Ausmaß. Die Menge an produzierten viralen Antigenen reicht aber möglicherweise aus, um eine Entzündung zu stimulieren. Allerdings ist die praktische Relevanz fraglich, da Integrasehemmer bis dato immer in Kombination mit anderen Substanzklassen gegeben werden.


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