Einreisebeschränkungen: UNAIDS gründet internationales Task Team

Nach wie vor gelten in vielen Ländern Einreisebeschränkungen für HIV-infizierte Personen, obwohl sie zur Prävention nicht taugen und diskriminierend sind. Eine internationale Arbeitsgruppe, in der auch die DAH vertreten ist, soll sich nun für die Abschaffung dieser Beschränkungen einsetzen.


Seit 2000 gibt die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. Informationen zu Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für Menschen mit HIV/AIDS heraus. Ein Schnellfinder gibt Menschen mit HIV einen schnellen Überblick, worauf sie bei 170 Ländern u.U. achten müssen. Dieser Schnellfinder liegt inzwischen in fünf Sprachen vor (deutsch, englisch, französisch, spanisch, italienisch) und kann als Pdf herunter geladen werden: www.aidshilfe.de Der Quellenband im Umfang von mehr als 200 Seiten richtet sich ausschließlich an Berater/innen und gibt wichtige Hintergrundinformationen für die individuelle Beratung. Er kann bei der DAH als Printmedium bestellt werden: versand@dah.aidshilfe.de

Zu Beginn der HIV-Epidemie in den 80iger Jahren übertrug sich die aufkeimende Ratlosigkeit und Hysterie hinsichtlich der Ausbreitung von HIV rasch auf Gesetzgebung und Politik. Mit Einführung des HIV- Tests wurden in mehr als 100 Ländern unverzüglich Gesetze erlassen, um Menschen mit HIV/AIDS die Einreise zu verweigern. Zahlreiche Länder banden die Gewährung von Visa an einen obligatorischen HIV-Test. Während touristische Aufenthalte in den meisten Ländern keine Probleme bereiten, wird es für Menschen mit HIV schwierig, wenn sie einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten Dauer planen. Ein positiver HIV-Test führt automatisch zur Verweigerung der Einreise, was vor allem für Student(inn)en und Arbeitssuchende ein großes Problem darstellt.

Einige Länder verweigern die Einreise selbst bei kurzfristigen Aufenthalten. Das beste Beispiel hierfür sind die USA, wo HIV-Positive, die legal einreisen wollen, auch bei touristischen Aufenthalten ihre HIV-Infektion offen legen müssen. Die einzige Möglichkeit der Einreise besteht für sie in der Beantragung eines so genannten "Waiver" (Ausnahmegenehmigung zur legalen Einreise). Eine "illegale Einreise" mit Verschweigen der HIV-Infektion hingegen kann eine Ausweisung und ein lebenslanges Einreiseverbot nach sich ziehen, sobald die HIV-Infektion erkannt wird.

WELTWEITE UMFRAGE DER DAH

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. nimmt sich dieses wichtigen Themas seit 1999 an, als sie eine weltweite Befragung durchführte, um einen Überblick über vorhandene Einreiseverbote erstellen zu können. Das Ergebnis war niederschmetternd: Mehr als 100 Länder hatten diskriminierende Bestimmungen erlassen. Diese Ergebnisse wurden auf verschiedenen internationalen Konferenzen vorgestellt und förderten die Diskussion über den diskriminierenden Charakter solcher Regelungen. Nach mehr als 30 Jahren beginnt sich jetzt langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass diese Gesetze auf Annahmen gründen, die inhaltlich falsch, in ihrer Auswirkung schädlich und unmenschlich sind:

Konferenzankündigung

"HIV/Aids - Ethische Perspektiven" 19.-21. Juni 2008, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main

Die Deutsche AIDS-Hilfe veranstaltet vom 19. bis zum 21. Juni gemeinsam mit dem Fachbereich Evangelische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität die interdisziplinäre Fachtagung "HIV/Aids - Ethische Perspektiven". Das Ziel der Tagung ist es, das gesellschaftsrelevante Thema HIV/Aids einmal nicht primär aus der Perspektive von Medizin und Forschung in den Blick zu nehmen, sondern es dezidiert als ethisches Feld zu untersuchen. Der besondere Reiz des interdisziplinären Ansatzes besteht darin, dass hier der auseinanderdriftende wissenschaftliche Ethikdiskurs in ein gemeinsames Gespräch anlässlich eines realen ethischen Konflikts eingebracht wird. Erstmals kommen zu der dreitägigen Konferenz mehr als 26 Referentinnen und Referenten aus Philosophie, Wirtschaftwissenschaft, Rechtswissenschaft, Medienwissenschaft, Medizin, Theologie, Religionswissenschaft, Politikwissenschaft und Selbsthilfe zusammen, um ethische Perspektiven von HIV und Aids zu diskutieren. Themen sind z.B.:

  • Globale Herausforderung und globale Verantwortung von HIV-Prävention und -Therapie
  • Verantwortungsdiskurs im Gesundheitswesen: das Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Solidaritätsprinzip
  • Grenzen des Rechts zur Selbstzerstörung in einer liberalen Gesellschaft
  • Einfluss von Religion und Kultur auf die Einstellung zu Sex, Krankheit und Tod
  • Infizierung als Straftatbestand: Recht als Mittel der HIV-Prävention
  • Medialisierung von HIV und Aids: zwischen seriöser Berichterstattung und Skandal

Das aktuelle Programm und das Anmeldeformular finden Sie auch auf der Tagungswebsite: www.ethikkonferenz.de

Die Tagung findet in Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) statt. Weitere Unterstützung erhält die Konferenz durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Tagungsort: Casino des Campus Westend, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt/Main

Anmeldung: Peter Wiesner, Tel. 0151-51 22 85 16, E-Mail: anmeldung@ethikkonferenz.de

Anmeldeschluss: 10. Mai 2008

Öffentlichkeitsarbeit und Presseakkreditierungen: Jörg Litwinschuh, Tel. 030-690087-16 oder 0177-28 22 581, E-Mail: joerg.litwinschuh@dah.aidshilfe.de

Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Kongressorganisation: Steffen Taubert, Wilhelmstraße 138, 10963 Berlin, Tel. 030-690087-0, Fax: 030-690087-81, E-Mail: steffen.taubert@dah.aidshilfe.de, www.aidshilfe.de

Johann Wolfgang Goethe-Universität, Fachbereich Evangelische Theologie, Prof. Dr. Stefan Alkier, Campus Westend, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt/Main, Tel. 069-798-33319, Fax: 069- 798-32026, E-Mail: alkier@em.uni-frankfurt.de

  • HIV ist weder sehr infektiös, noch wird es durch alltägliche Kontakte übertragen. Seuchenpolitische Maßnahmen, die zum Beispiel bei SARS durchaus berechtigt sind, können nicht auf HIV übertragen werden
  • Präventionsstrategisch macht es wenig Sinn, die Fremden zu testen, während man darauf verzichtet, die eigene Bevölkerung angemessen über Übertragungswege aufzuklären. Die Auswirkungen einer solchen Politik kann man an den steigenden Infektionszahlen in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in China beobachten.
  • Mit Einführung der antiretroviralen Therapie besteht erst recht kein Grund mehr, Menschen mit HIV auszusondern. Menschen mit HIV können heute genauso leistungsfähige Arbeitskräfte sein wie solche ohne HIV, so dass die Verweigerung von Arbeitsvisa nicht länger toleriert werden kann.
  • Die Vorstellung, dass Menschen mit HIV in Scharen die Grenzen überschreiten und dadurch zu einer Belastung für das nationale Gesundheitsbudget werden könnten, hat sich im keinen Land dieser Welt als zutreffend herausgestellt.

UNAIDS INITIIERT EIN "TASK TEAM"

Um eine internationale Initiative zu formieren, die sich für die Abschaffung dieser diskriminierenden Bestimmungen einsetzt, hat UNAIDS1 Anfang 2008 ein internationales Task Team mit ca. 50 Experten zusammengestellt. Neben der DAH, die aufgrund ihrer langjährigen Arbeit an der weltweit umfassendsten Datensammlung zu Einreisebestimmungen selbstverständlicher Kooperationspartner für dieses Vorhaben ist, sind in dem Task Team Regierungsvertreter (Indien, Norwegen, Holland, etc.) aber auch Mitarbeiter der WHO2, ILO3, UNHCR4, IOM5, UNWTO6 und Mitglieder der internationalen HIV Community (EATG, GNP+, ICW7 etc.) vertreten.

Das Task Team hat im März seine Arbeit aufgenommen und die zu leistende Arbeit in zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die separat die Bestimmungen für langfristige und kurzfristige Aufenthalte bearbeiten. Erwartungsgemäß dürfte es einfacher sein, die Bestimmungen zu kurzfristigen (touristischen) Einreisen zu bekämpfen.

Noch ist nicht abzusehen, welche Durchschlagskraft die Empfehlungen des Task Teams auf politischer Ebene haben werden. Fest steht allerdings, dass in diesem ganzen Prozess die Datensammlung der DAH8 eines der wichtigsten Instrumente darstellt, da sie das globale Ausmaß der diskriminierenden Bestimmungen sichtbar macht. Das Task Team hat sich dafür ausgesprochen, die weitergehende Finanzierung und stetige Erneuerung der Datensammlung sicherzustellen. Neben den bereits existierenden Sprachversionen sind Übersetzungen ins Spanische, Portugiesische, Russische und in Mandarin vorgesehen.

KEINE HIV-KONFERENZ IN LÄNDERN MIT EINREISEBESCHRÄNKUNGEN

Die Internationale AIDS-Gesellschaft (IAS9) und der Global Fund10 haben bereits angekündigt, dass es keine internationalen Konferenzen und Treffen mehr in Ländern geben wird, die Menschen mit HIV/AIDS an einer "kurzfristigen Einreise" hindern. Im vergangenen Dezember wäre eine in China vorgesehene Vorstandssitzung des Global Fund Boards beinahe hieran gescheitert. Erst im letzten Moment erklärte sich die chinesische Regierung bereit, die gesetzlichen Bestimmungen zu verändern und keine HIV-relevanten Fragen mehr bei der Einreise zu stellen.

Wie sich dies auf längerfristige Aufenthalte in China auswirken wird, ist noch nicht bekannt: Fremdarbeiter werden derzeitig noch abgeschoben, sobald eine HIV Infektion bekannt wird. Dies kann auch für Angestellte deutscher Firmen zum Problem werden, wenn sie sich aus beruflichen Gründen in China aufhalten müssen. Derzeit werden auch in Amerika die geltenden Bestimmungen diskutiert. Bleibt abzuwarten, ob sich unter einem neuen Präsidenten eine Politik der Normalisierung durchsetzt, die Menschen mit HIV und AIDS nicht mehr aussperrt. Die Zeit wäre eigentlich reif.

www.aidshilfe.de

Deutsche AIDS-Hilfe e.V. · Wilhelmstraße 138 · 10963 Berlin
Tel.: 0 30 / 69 00 87-52/-53 · Fax: 0 30 / 69 00 87-42
Literatur

1. Das gemeinsame AIDS Programm der Vereinten Nationen (http://www.unaids.org/en/)

2. Weltgesundheitsorganisation http://www.who.int/en/

3. Internationale Arbeitsorganisation http://www.ilo.org/global/lang--en/index.htm

4. Der hohe Flüchtingskommisar der Verneinten Nationen http://www.unhcr.de/

5. Internationale Organisation für Migration http://www.iom.int/jahia/jsp/index.jsp

6. Welttourismusorganisation http://www.unwto.org/index.php

7. European AIDS Treatment Group (http://www.eatg.org/) Global Network of People living with HIV/AIDS (http://www.gnpplus.net/) und International Community of Woman living with HIV/AIDS (http://www.icw.org/)

8. Es stehen Daten zu 170 Ländern zur Verfügung, siehe: http://www.eatg.org/hivtravel/

9. International AIDS Society http://www.iasociety.org/

10. Global Fund to fight AIDS Tuberculosis and Malaria http://www.theglobalfund.org/en/

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