"HIGH LEVEL MEETING ON AIDS" DER UNITED NATIONS
Aus Aachen nach New York für die DAGNÄ unterwegs

Auf Einladung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Frau Ministerin Ulla Schmidt konnte Dr. Heribert Knechten, Aachen, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DAGNÄ Anfang Juni 2008 erneut an einem Spezialmeeting der UN zu HIV/AIDS teilnehmen. Diese alle zwei Jahre stattfindenden Bestandsaufnahmen sollen die Fortschritte dokumentieren auf dem Weg zum "Millennium Development Goal" von 2010 und 2015. Als Delegierte reisten neben den Vertretern des Ministeriums für Gesundheit und des auswärtigen Amtes eine Reihe von Bundestagsabgeordneten mit sowie Vertreter der Zivilorganisationen - von der Aids-Hilfe bis zu kirchlichen Diensten -, die zum Teil in beratender Funktion tätig waren, aber auch an vielen Stellen direkt Input leisten konnten.


Oben li: Dr. Heribert Knechten, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt; oben re: Im Plenarsaal; unten li: PD Keikawus Arastéh und Dr. Heribert Knechten; unten re: Auf dem Weg zum Plenarsaal

Hier der Bericht von Dr. Knechten: Während der Sitzung im Plenum gab es zahlreiche Statements der verschiedenen Ländervertreter zur Situation von HIV/AIDS, wobei an erster Stelle Präsidenten und Ministerpräsidenten (von Bodyguards begleitet und persönlich zum Podium gebracht) auftraten, und dann je nach Rang Minister, Staatssekretäre und Vertreter der Ministerien das Wort ergriffen. Die vorgeschriebene Redezeit wurde in den seltensten Fällen eingehalten, so dass eine Verlängerung um einen Tag notwendig wurde und von Dienstag ab einschließlich Donnerstag, die entsprechenden Beiträge zu hören waren.

Neben den Plenarveranstaltungen ("official events") gab es "Panel Workshops" und "Side Events", zu denen man je nach Absprache mit der deutschen Delegation als Berichterstatter anwesend sein und zum Teil auch Redebeiträge liefern konnte.

Im Plenum war immer jemand aus der Bundesrepublik Deutschland vertreten, insbesondere vom Auswärtigen Amt saßen bis spät in die Nacht fleißige Berichterstatter, sahen die Redner kommen und gehen und notierten alles, was in irgend einer Form berichtenswert war.

Im Verlauf der vier Tage gab es zahlreiche Möglichkeiten, mit den Abgeordneten aus den Fraktionen, den Vertretern aus den Ministerien, der Ministerin und dem Staatssekretär Theo Schröder zu sprechen. Bei den vielen Kontakten, die sich aus einer derartigen Delegationstätigkeit ergeben, konnte ich sowohl der Ministerin als auch dem Staatssekretär wesentliche Punkte unserer derzeitigen DAGNÄ-Tätigkeit nahe bringen, insbesondere unser Bemühen um eine bundeseinheitliche qualitätsgesicherte Versorgung mit adäquater Honorierung. Ich stieß erneut auf Verständnis und mir wurde versichert, dass die weitere Unterstützung unseres Bemühens bestehen bleiben wird. Zudem erhielt ich das Angebot, bei auftretenden Schwierigkeiten direkt Kontakt aufzunehmen.

Ein Höhepunkt für uns war sicherlich die Rede der Ministerin Schmidt vor der UN, in der sie klar und pragmatisch zu einigen Punkten Stellung bezog, Forderungen stellte z.B. nach stärkerer Berücksichtigung der Ausbildung und Rechte von Frauen und Mädchen, besonders deren Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung und auch Probleme benannte wie vergebliche Bemühungen bei unzureichender Gesundheitsversorgung vor Ort - die ansonsten häufig im diplomatischen Weichspülen, mit Rücksicht auf Empfindlichkeiten anderer, unbenannt geblieben sind. Der Staatssekretär betonte im Workshop zum Zugang zu Arzneimittel neben den Positionen der deutschen Bundes- regierung zu den angeführten Themen (Verhandlungen mit der Pharmaindustrie zu gegliederten Preisgestaltungen, Einbeziehung der Pharmaindustrie in die Aufgabe), insbesondere aber auch das Engagement der Bundesrepublik in Osteuropa.

ERÖFFNUNGSPLENUM: "ZIELE NICHT ERREICHT"

Der Generalsekretär Ban Ki-moon berichtete in der Vollversammlung, dass die Ziele der Deklarationen von 2001 und 2006 und des angestrebten Millennium Development Goal 2010 noch nicht erreicht worden seien: Die acht Ziele "Millennium Development Goals (MDGs)" reichen von Halbierung der extremen Armut, über Aufhalten der HIV/AIDS-Pandemie bis zur Gewährleistung einer universellen Grundbildung für alle. Die Ziele der jetzigen Veranstaltung waren deshalb eine weitere Bestandsaufnahme und weitere Vereinbarungen, die Ziele bis 2010 bzw. 2015 zu erreichen. Der scheidende Exekutivdirektor von UNAIDS Peter Piot gab eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation und plädierte für eine Verbindung der Programme für Tuberkulose und Hepatitis mit den HIV/AIDS Programmen. Für Piot steht weiterhin die Prävention an erster Stelle, da ein Impfstoff nach wie vor nicht in Sicht ist. Der Direktor des US-NIAIDA Anthony Fauci berichtete, dass die notwendige Behandlung in den Entwicklungsländern nur 30% der Betroffenen erreiche. Bei den anschließenden Statements der Regierungs- und Staatschefs zeigte sich, dass viele Länder sich zwar ihrer nationalen Verantwortung bewusst sind und sich die medizinische Versorgung gebessert hat, die Erfolge jedoch noch unzureichend sind.

Panel 1: Millennium Development GOALS

Dieses Panel beschäftigte sich vor allem mit der Beschleunigung des "Access to Treatment". Dabei wurden Armut und Ungerechtigkeit als Hindernis und die Vergabe von Zwangslizenzen als Voraussetzung identifiziert, letzteres als ein möglicher Konfliktfall zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und den Betroffenen.

Panel 2: countries with concentrated epidemics

Hier ging es um Länder mit hohen Infektionszahlen in bestimmten Betroffenengruppen und den Möglichkeiten, dort gezielt Arbeit zu leisten. Verschiedene Länder, insbesondere Indien, berichteten, dass Sexworker den geringsten Zugang zur HIV-Therapie haben und für diese Gruppe die Stigmatisierung am größten ist. Eine weitere problematische Gruppe weltweit sind Drogengebraucher: Nur 5% erhalten eine HIV-Therapie. Betont wurde, dass Drogengebraucher Kranke sind und nicht in die Gefängnisse gehören, weil von da aus Neuinfektionen unkontrolliert zunehmen.

Panel 3: women and girls

Vor allem in den Ländern des früheren Ostblocks nimmt die HIV-Infektion durch zunehmende Versklavung der Sexarbeiter zu. Es wurde noch einmal betont, dass in der HIV-Pandemie vor allem Frauen und Mädchen Opfer sind und weiterhin eine große Lücke in der effektiven Einbindung und Einbeziehung von Frauen und Mädchen existiert. Weniger als die Hälfte der 15-24jährigen Frauen sind ausreichend über HIV/AIDS informiert. Sexuelle und reproduktive Gesundheitshilfen für Frauen und Mädchen müssen Teil der HIV-Prävention sein und insbesondere Schulbildung kann eine wichtig Rolle dabei spielen.

Panel 4: multigenerational challenge

Ein weiteres Panel beschäftigte sich mit der Herausforderung mit dem Generationen-Problem. So wandern Ärzte aus Afrika nach Europa und in die USA aus, was zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in den afrikanischen Staaten führt und eine Reihe von sozialen und ökonomischen Problemen mit sich bringt. Ein Beispiel: Ältere, nicht versorgte Tuberkulosekranke stecken Kinder an, die dann wiederum mit der Kombination HIV und TB früher sterben.

Panel 5: resources and universal access

In diesem Panel wurde der Global Fund kritisiert, unter anderem weil zu wenig afrikanische Repräsentanten in den Entscheidungsgremien sitzen. Der Ansatz "good government", d.h. nur Staaten mit entsprechender Infra-Struktur und entsprechendem Commitment erhalten Hilfe, wurde als Instrument zur politischen Entmachtung der afrikanischen Regierung und nationale Aktionspläne als nicht notwendig angesehen. Einigen G8-Nationen wurde vorgeworfen, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen und auch nationale Entwicklungshilfen zu kürzen.

SIDE EVENT: FINANCING AND RESOURCING GENDER EQUALITY

Es wurde kritisch angemerkt, dass es nicht gelungen ist, auch Männer für das Problem der "Gender Equality" zu aktivieren. Eine Veränderung der HIV/AIDS Epidemie sei nur möglich durch Änderung des Verhaltens von Männern in Richtung eines verantwortungsvollen Sexualverhaltens.

FORUM HIV-TB

Armin Goetzenich (stellv. Geschäftsführer)
DAGNÄ e.V.
Blondelstraße 9 - 52062 Aachen

Tel.: +49 (0241) 26 79 9
Fax: +49 (0241) 40 86 52

Vorstand:

Dr. med. H. Knechten, Aachen

Dr. med. J. Gölz, Berlin

Dr. med. H. Jäger, München

Email: Verein@dagnae.de
Webseite: http://www.dagnae.de

Ban Ki-moon und Bill Clinton wiesen darauf hin, dass in Zukunft die Epidemien HIV und TB nicht mehr getrennt betrachtet werden sollen. Dazu gehören intensivierte Fallfindungen, INH-Prophylaxe bei TB-Infizierten und HIV-Positiven sowie Infektionskontrolle. Jede Investition in eine HIV/AIDS-Kontrolle geht fehl, wenn nicht auch die Tuberkulose effektiv bekämpft wird. Es wurde von 205 Nicht-Regierungsorganisationen ein offener Brief mit der Forderung nach einem allgemeinen Zugang zur HIV-TB-Behandlung bis 2015 veröffentlicht.

FAZIT

Es gibt eine deutliche Entwicklung in Sachen HIV/AIDS weltweit, aber die Geschwindigkeiten sind unterschiedlich und es bedarf sicher noch vieler weiterer derartiger Treffen, um die Verantwortung aller Staaten nachhaltig zu stärken und das Geleistete jeden Staates immer wieder auf den Prüfstand der internationalen Gemeinschaft zu stellen.

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