ILSE GROSCH-WÖRNER, BERLIN UND RALF WEIGEL, LILONGWE, MALAWI
HIV-Infektion bei Kindern weltweit

Kooperationspartner für die Millenniumsziele in Deutschland

Seit 2003 berichtet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über das Aktionsprogramm der Millenniumsziele. Kooperationspartner in Deutschland sind u.a. die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die kfw (Entwicklungsbank), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), private Partnerschaften wie die Kooperation des HIV-Centers Frankfurt mit Lesotho (www.hivcenter.de) und des Berliner Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikums mit der Ukraine (www.aids-ukraine.org) zusammen mit Connect plus e.V. (www.connect-plus.org) und die Deutsche AIDS-Stiftung. Geplant und auch schon teilweise in Angriff genommen sind über die GTZ Kooperationen mit dem Institut für Tropenhygiene und öffentliches Gesundheitswesen der Universität Heidelberg und den Universitäten München, Hamburg und Rostock, in Planung sind Kooperationen mit den Universitäten Köln, Bonn, Frankfurt. Auf der klinischen Seite sollen die Schnittstellen die Organisationen Deutsche AIDS Gesellschaft (DAIG) und die Pädiatrische Arbeitsgemeinschaft AIDS Kinder (PAAD) sein.

Von besonderem Interesse und erfolgversprechend ist ESTHER (Ensemble pour une Solidarité Thérapeutique Hospitalière En Reseau, www.esther.fr), eine französische Initiative, die als sogenanntes Twinning-Projekt zum Ziel hat, zwischen Kliniken ständige Kontakte aufrecht zu erhalten, einen Wissenstransfer auf medizinischem, pflegerischen und labortechnischen Be-reich zusammen mit den politisch verantwortlichen Partner der Nehmerländer. Kernländer bei der Gründung 2006 waren neben Frankreich, Spanien, Italien und Luxemburg, hinzugekommen sind Österreich, Deutschland, Belgien und Portugal.

In den westlichen Industrienationen ist die HIV-Infektion auch bei Kindern zu einer behandelbaren chronischen Erkrankung geworden. Ganz anders sieht das in den weniger entwickelten Ländern aus: Die Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten ist eines der acht internationalen Entwicklungsziele (Millennium Development Goals; MDG´s) der Vereinten Nationen, die bis 2015 erreicht werden sollen.1 Durch die bisherigen vielfältigen, aber nicht ausreichend konzertierten Aktionen aller Organisationen sind zweifelsohne Erfolge erzielt worden wie das Beispiel Malawi zeigt. Der UN-Monitor konstatiert aber, dass AIDS trotzdem inzwischen in der Mortalitätsstatistik die vierte Stelle einnimmt, und dass eine Zunahme der HIV-Infektionen in Afrika und Asien - aber auch in Europa und den USA - zu verzeichnen ist. Trotz des Einsatzes der antiretroviral wirksamen Therapie und den Interventionen, die Mutter-Kind-Übertragung zu reduzieren, bleibt daher die Prävention Primärziel aller Strategien.

Die Übertragung der HIV-Infektion bei Kindern erfolgt hauptsächlich während der Schwangerschaft von der HIV-infizierten Mutter auf das Kind: Der Transmissionszeitpunkt ist zu 50-70% ab der 32. Schwangerschaftswoche und in den anderen Fällen unter der Entbindung und durch Stillen2 anzunehmen. 0hne Intervention liegt die vertikale Transmissionsrate in Europa bei 16-18%3 und in den USA bei 25-30%.4

Diese Erkenntnisse führten konsequenterweise zu den Interventionsstrategien wie antiretrovirale Behandlung während der Schwangerschaft, Kaiserschnittentbindung am wehenfreien Uterus, antiretrovirale Postexpositionsprophylaxe postnatal und Verzicht auf Stillen. Eine Mutter-Kind-Übertragung von HIV unter der Schwangerschaft ist damit auf unter 2% gesunken.5

Eindeutige Therapieerfolge bei den HIV-infizierten Kindern in den Industrienationen sind aus dem beeindruckenden Rückgang der Mortalität zu erkennen: So betrug im Jahr 1994 die Todesrate 7,2/100 Patientenjahre und im Jahr 2006 0,6/100 Patientenjahre (Mofenson et al. IAC 2008, Poster MOAB01). Die deutlichen Erfolge einer HAART bei Kindern belegte die Auswertung der US-amerikanischen Perinatal AIDS Collaborative Transmission Study (PACTS) zwischen 1986 und 2004: Nach zehn Jahren lebten ohne Behandlung 45% der Kinder, mit einer Behandlung lebten dagegen noch 94% der Kinder (Abb. 1).


Abb. 1: Überlebenswahrscheinlichkeit von behandelten (HAART; jeweils Alter bei Therapiebeginn) und unbehandelten Kindern (Kapogiannis et al. IAC 2008; Poster TUPDB1)


Abb. 2: HIV Neuinfektionen bei Kindern <5 Jahren weltweit, 1990-20071

Die Auswertungen der PACTS decken sich mit denen der European Collaborative Study (ECS): Der natürliche Verlauf der HIV-Infektion war im westlichen Europa zu Zeiten ohne antiretroviral wirksame Therapie gekennzeichnet durch hohe Morbidität und Mortalität mit einer AIDS-Prävalenz im ersten Lebensjahr zwischen 15-20%.6

HIV-INFEKTION BEI KINDERN IN DEN HOCHPRÄVALENZLÄNDERN

Nach neuesten Angaben der WHO leben zur Zeit 2,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren mit HIV, bei 90% erfolgte die HIV-Übertragung durch Mutter-Kind-Transmission (MTCT) und 90% dieser Kinder leben im Raum südlich der Sahara. Etwa 370.000 Kinder sind 2007 neu mit HIV infiziert worden1 (Abb. 2).

Der Anteil von Schwangeren mit HIV-Test und medikamentöser Transmissionsprophylaxe (pMTCT) stieg in den letzten Jahren, der Bedarf ist aber nach wie vor wesentlich größer (Tab. 1).


Tab. 1: Bedarfsdeckung zur Vorbeugung kindlicher HIV-Infektion durch eine Prophylaxe der Mutter-Kind-Übertragung (pMTCT) in Ländern mit mittleren und niedrigem Einkommen7

Mittlerweile empfiehlt die WHO zwar eine Kombinationsprophylaxe, aber die weniger effektive Prophylaxe mit einer Einzeldosis Nevirapin ist in Afrika wegen ihrer Einfachheit nach wie vor weit verbreitet. Langes Stillen mit früher Einführung von Beikost tragen ebenfalls zu einer Vielzahl von Neuinfektionen über die Muttermilch bei und nivellieren nahezu den Effekt der medikamentösen Prophylaxe. Die Überlebenschancen HIV-infizierter Neugeborener sind schlecht. Ohne antiretrovirale Behandlung (ART) versterben z.B. in Malawi 89% der infizierten Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr.8

Weltweit trägt AIDS mit 3% zur Mortalität der unter Fünfjährigen bei. Durchfallerkrankungen (17%), Pneumonie (19%), Erkrankungen der Neugeborenenperiode (36%) und Malaria (8%) sind wesentlich häufigere Todesursachen. Mangelernährung trägt in vielen Fällen zu rascher Krankheitsprogression bei. Viele dieser Erkrankungen können durch kostengünstige Maßnahmen wie beispielsweise verbesserte Hygiene, Bereitstellung von sauberem Wasser und imprägnierten Bettnetzen sowie verbessertem Zugang zu Gesundheitseinrichtungen vorgebeugt werden.9

INTERVENTIONEN ZUR VERMINDERUNG DER MUTTER-KIND-TRANSMISSION

Viele Länder haben den auf vier Eckpfeilern ruhenden Ansatz der WHO für die medikamentöse Prophylaxe der Mutter-Kind-Übertragung angenommen: 1. Vorbeugung der HIV-Infektion bei Frauen im gebärfähigen Alter, 2. Vorbeugung unerwünschter Schwangerschaften HIV-infizierter Frauen, 3. pMTCT während der Schwangerschaft, der Geburt und des Stillens und 4. Bereitstellung angemessener Behandlung und Unterstützung von HIV-infizierten Müttern, deren Kindern und Familien. Priorität haben deshalb:

  • HIV-Test und Beratung (HTC) für Schwangere ("provider-initiated, opt-out Modell" in der Schwangerenvorsorge),
  • Verbindung von pMTCT und Therapieprogrammen: Bereitstellung von antiretroviraler Therapie für schwangere Frauen in fortgeschrittenen Stadien (WHO Stadien 3 und 4, CD4 unter 350/µl),
  • Bereitstellung von Medikamenten (insbesondere Kombinationsprophylaxe) zur Verringerung der Mutter-Kind-Transmission für Schwangere ohne Behandlungsindikation,
  • Kontinuierliche Beratung zur Säuglingsernährung - in der Realität Aufklärung und Anleitung zur ausschließlichen Brustfütterung bis zum 6. Lebensmonat, denn Flaschennahrung ist meist keine Alternative -,
  • Nachsorge von HIV-exponierten Neugeborenen und HIV-infizierten Müttern,
  • Bereitstellung von Cotrimoxazol zur Primär- und Sekundärprophylaxe für opportunistische Infektionen für HIV-exponierte Neugeborene und Mütter,
  • frühe HIV-Testung exponierter Kinder (entweder durch HIV-Direktnachweis ab der 6. Lebenswoche oder spätestens im 12.-18. Lebensmonat durch Nachweise von HIV-Antikörpern)

und

  • früher Beginn der antiretroviralen Therapie bei HIV-infizierten Kindern, die jünger als ein Jahr sind (aufgrund der hohen frühen Mortalität wird jetzt bei allen HIV-infizierten Kindern eine ART in einem Alter <1 Jahr empfohlen).


Abb. 3: Zugangsmöglichkeiten zur antiretroviralen Behandlung HIV-infizierter Kinder in Malawi (HTC = Testung und Beratung für HIV)

DIE REALITÄT SIEHT ANDERS AUS

In der Realität wird diese angestrebte Kontinuität der Versorgung leider an vielen Stellen unterbrochen und damit das Risiko der Mutter-Kind-Transmission, der mütterlichen Krankheitsprogression und des Todes des Kindes erhöht. Alle Zugangsmöglichkeiten, auch für ältere HIV-infizierte Kinder, müssen deshalb besser genutzt werden (Abb. 3).

Inzwischen haben in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehr HIV-infizierte Kinder Zugang zu ART:

Zwischen 2005 und 2007 war ein 2,6fa-cher Anstieg auf 198.000 behandelte Kinder zu verzeichnen.7 Der Mehrheit bleibt aber die Behandlung nach wie vor vorenthalten. Diese unbefriedigenden Ergebnisse müssen im Zusammenhang mit der Situation der Gesundheitswesen der einzelnen Länder und Regionen gesehen werden.


Abb. 4: Malawi im Südosten Afrikas ist mit 12,9 Millionen Einwohnern eines der dicht besiedeltsten Länder der Region (www.wikipedia.de)

EIN BEISPIEL: VERSORGUNG HIV-INFIZIERTER KINDER IN MALAWI

Malawi (Abb. 4) ist eines der ärmsten Länder der Welt, 42% der Bevölkerung leben von weniger als 1 USD pro Tag.10 Im Jahr 2004 verfügten 7% aller Haushalte über Elektrizität, 62% besaßen ein Radio und 5% einen Fernseher. Der Boden von 80% aller Wohnhäuser bestand aus Lehm oder Sand. 98% aller Haushalte benutzen Holz oder Stroh zum Kochen.11 Wie in anderen Staaten der Region fehlen im Gesundheitssektor ausgebildete Fachkräfte:

2 Ärzte und 56 Schwestern stehen 100.000 Einwohnern zur Verfügung (im Vergleich Großbritannien: 222 bis 1.170/ 100.000).10

Malawi ist auch eines der am stärksten von HIV betroffenen Länder: Schätzungen zufolge liegt die HIV-Prävalenz bei Erwachsenen bei 12,3% und bei Kindern unter 15 Jahren bei 8%. Im Jahr 2007 gab es geschätzte 65.000 Neuinfektionen bei Erwachsenen und 20.000 bei Kindern unter 15 Jahren.12

Die Überlebenschancen von Kindern - nicht nur der HIV-infizierten Kinder - hängen wesentlich von den Lebensumständen ihrer Mütter ab. Die Müttersterblichkeit ist mit 980 auf 100.000 Lebendgeburten eine der höchsten weltweit. Die Kindersterblichkeit ("under 5 mortality rate") liegt mit 120 auf 1.000 Lebendgeburten auf Rang 32 - beides sind Schlüsselindikatoren zur Versorgung von Frauen und Kindern.9 Es gibt deutliche Assoziationen zwischen Kindersterblichkeit, Bildungsstatus und Einkommen der Mütter. Früher Beginn sexueller Aktivität, frühe Heirat, häufige Schwangerschaften und kurzes Geburtsintervall stellen Risikofaktoren für Mütter und deren Kinder dar. Tabelle 2 zeigt eine Auswahl wichtiger Gesundheitsindikatoren.


Tab. 2: Ausgewählte Indikatoren zur Gesundheitssituation von Frauen und Kindern in Malawi11

Kinder mit HIV und Kinder, die in Haushalten mit HIV aufwachsen, sind besonders gefährdet. Von den eine Million Waisen, die in Malawi leben, wurden die Hälfte Waisen aufgrund des Todes eines oder beider Eltern durch AIDS. Großfamilien, die traditionell diese Kinder aufnehmen, sind zunehmend überfordert (Abb. 5).


Abb. 5: Großeltern tragen oft die Verantwortung
für Waisen der eigenen und anderer Familien
(Bild UNICEF Malawi)13

Waisen, insbesondere junge Mädchen und Frauen, übernehmen Verantwortung für ihre jungen Geschwister und andere Mitglieder der Familie. Aufgrund des Verlusts des Elternteils mit Einkommen verschärft sich die finanzielle Lage, so dass Kinder und Jugendliche gezwungen werden, die Schule abzubrechen, um zum Haushaltseinkommen beizutragen. Junge Frauen haben früh sexuelle Kontakte oder heiraten früh, um die eigene materielle Not und die der Familie abzufedern.13 Gleichzeitig ist der Wissenstand zu HIV - insbesondere in ländlichen Gebieten - gering. Ein Schlüsselindikator ist das Wissen der 15-24jährigen zur HIV Prävention. So mussten Jugendliche und junge Erwachsene bei einer Befragung zwei Methoden zur HIV Prävention korrekt angeben sowie zwei typische Fehlinformationen wie "HIV kann durch Mücken oder übernatürliche Kräfte übertragen werden", verneinen: Nur 41% aller jungen Männer und Frauen gaben richtige Antworten.14

DER "PUBLIC HEALTH"-ANSATZ FÜR DAS NATIONALE ART-PROGRAMM

Unter diesen Rahmenbedingungen wählte das Gesundheitsministerium von Malawi im Jahr 2003 den "public health"-Ansatz, um die Folgen der HIV-Epidemie abzudämpfen.15 Wesentliche Bestandteile dieses Ansatzes sind kostenlose Bereitstellung von HIV-Testung und -Beratung - Malawi benutzt Schnelltests zum Nachweis von HIV-1- und HIV-2- Antikörpern - und ART durch Mittel des Global Fund und anderen Gebern. Die ART ist in Malawi standardisiert, die initiale Behandlung erfolgt mit einer fixen Arzneimittelkombination (FDC) aus d4T/3TC/Nevirapin. Falls unter dieser FDC die bekannten häufigen Nebenwirkungen auftreten, stehen alternative HIV-Medikamente und FDCs zur Verfügung: bei der relativ häufigen d4T-assoziierten peripheren Neuropathie AZT/3TC und Nevirapin sowie bei den relativ häufigen Nevirapin-assoziierten Haut- und Lebermanifestationen d4T/3TC und Efavirenz. Diese Medikamente sind als Generika in allen HIV-Kliniken vorhanden. Das nationale Secondline-Regime (Lopinavir, AZT/3TC und TDF) wird gegenwärtig nur in ausgewählten Kliniken angeboten.

Weitere wichtige Elemente des "public health" Ansatzes sind:

  • Entwicklung nationaler Behandlungsrichtlinien und eines standardisierten Trainingspakets,
  • Management von HIV auf der Basis von klinischen Zeichen und Symptomen,
  • Ausbildung von Clinical Officers, Schwestern, Clerks und Counsellors entsprechend den Behandlungsrichtlinien,
  • Eröffnung und Zertifizierung von HIV-Kliniken in allen Distrikt- und Zentralkrankenhäusern,
  • robustes Monitoring und Evaluierungssystem nach dem Vorbild des nationalen Tuberkuloseprogramms und
  • quartalsweise Supervision der Kliniken zur Datensammlung, Kontrolle und Mentoring durch die HIV-Unit des Gesundheitsministeriums.

Tab. 3: Kumulative Ergebnisse des nationalen ART-Programmes von Malawi, Stand 30.06.2008 im öffentlichen und privaten Gesundheitssektor; *davon 15.216 Kinder <15 Jahren (8,25% der gesamten Kohorte)16

Im Jahr 2003 hatten landesweit nur 3.000 Patienten in neun öffentlichen und privaten HIV-Kliniken eine HIV-Therapie begonnen. Kumulativ erhielten in Malawi mehr als 180.000 HIV-Patienten in nunmehr 207 HIV-Kliniken eine HIV-Therapie (Tab. 3).

In den Jahren 2003 und 2004 lag der Schwerpunkt bei der HIV-Therapie auf der Behandlung der Erwachsenen. Das Personal in den Gesundheitseinrichtungen war bei der Diagnose, Behandlung und Prognose der pädiatrischen HIV-Infektion unsicher. Nationale und internationale Dokumente gaben wenig Führung und es bestand Verwirrung über die Dosierung von antiretroviralen Medikamenten bei Kindern. Es ist dem Engagement von Entscheidungsträgern in Gesundheitseinrichtungen, Pädiatern und internationalen Organisationen wie UNICEF zu verdanken, dass diese Situation umgekehrt wurde.


Abb. 6: ART-Kalenderbuch zur täglichen Unterstützung der Therapietreue


Abb. 7: Flipchart zur Patientenschulung vor ART-Beginn

DIE BEHANDLUNG VON HIV-INFIZIERTEN KINDERN IN MALAWI

Spezielle pädiatrische Betreuung ist nur in den drei Zentralkrankenhäusern verfügbar. In der Regel werden Kinder und Erwachsene vom gleichen Personal und in den gleichen Einrichtungen auf Distriktniveau betreut. Um einen größtmöglichen Zugang zu erreichen, musste dieser Realität Rechnung getragen werden. Das heißt, der "public health" Ansatz beim pädiatrischen HIV-Management musste mit der gleichen Intensität wie bei Erwachsenen umgesetzt werden. Meilensteine dabei waren:

  • Zweite Edition der nationalen ART-Richtlinien mit Gewichtsband-basierten Dosierungen für alle standardisierten ART-Regime unter Benutzung von geteilten Formulierungen für Erwachsene.
  • Nationale Auffrischungstrainings für alle HIV-Behandler im Land mit Schwerpunkt auf Kinder (ART- und Cotrimoxazol-Richtlinien).
  • Nationale Behandlungsziele für Kinder (z.B. Anteil an nationaler Kohorte 7,6% in 2007).
  • Integrierung der klinischen WHO Kriterien zum ART-Beginn bei Kindern in die nationalen Tools zum Patientenmanagement.
  • Entwicklung von pädiatrischen Richtlinien zur HIV-Testung und -Beratung (mit Schwerpunkt Nachsorge und Diagnose von HIV-exponierten Säuglingen, Testung im stationären Bereich, Vorgehen zur Eröffnung der Diagnose, Probleme Heranwachsender, Unterstützung der Therapietreue).
  • Entwicklung von nationalen Informationsmaterial zur kindlichen HIV Infektion (Abb. 6 und 7).

DAS PROGRAMM ZEIGT WIRKUNG


Abb. 8: Cipla's neue pädiatrische Kombinationstablette aus 6 mg d4T, 30 mg 3TC und 50 mg Nevirapin

Im Ergebnis konnte der Anteil von Kindern an den nationalen ART-Quartals-Kohorten innerhalb von drei Jahren von 5% auf 9% erhöht werden. 82% aller Einrichtungen im ganzen Land haben mit der Behandlung von Kindern begonnen. In den nächsten Monaten beginnt die Verteilung von pädiatrischen fixen Arzneimittelkombinationen für die Behandlung von Kindern unter <10 kg Körpergewicht und die Ausbildung des Personals der ART-Kliniken. Damit besteht die Möglichkeit, alle HIV-infizierten Kinder, die jünger als ein Jahr sind, zu behandeln (Abb. 8).

Im Bereich HIV-Testung und -Beratung können ebenso erste Erfolge verzeichnet werden. Fast eine Million HIV-Tests sind im Jahr 2007 landesweit durchgeführt worden, insgesamt 410 Gesundheitseinrichtungen bieten diesen Service an. Allein in der landesweiten HTC-Woche im Juli 2007 wurden mehr als 180.000 Personen getestet, darunter mehr als 13.000 Kinder.17 Bis Ende 2007 boten nur 36% aller Gesundheitseinrichtungen pMTCT an und nur etwa ein Drittel aller Schwangeren erhielten eine HIV-Beratung. Von diesen akzeptierten 73% einen HIV-Test. Von den 26.000 HIV-positiven Frauen, erhielten nur 41% eine medikamentöse Prophylaxe.13 Es muss also noch viel im Bereich Mutter-Kind-Versorgung und Vorbeugung der HIV-Transmission getan werden.

In einigen Krankenhäusern des Landes ist die Entlastung der Stationen durch das nationale ART-Programm bereits zu spüren. Für bestimmte Berufsgruppen, wie Gesundheitsfachkräfte, Lehrer, Armee und Polizei konnte der positive Effekt des nationalen ART-Programmes dokumentiert werden.

Bei weiteren Anstrengungen kann Malawi wichtige Millenniumsziele bis 2015 erreichen - insbesondere bei den Zielen Nr. 4 "Reduktion der Kindersterblichkeit" und Nr. 7 "Verbesserter Zugang zu sauberem Wasser" bestehen gute Chancen. Um das Ziel Nr. 6 "Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Erkrankungen" zu erreichen, sind verstärkte Anstrengungen notwendig. Das Ziel Nr. 5 "Verbesserung der Gesundheit von Müttern" kann voraussichtlich nicht erreicht werden.13

Literatur

1. UNAIDS. Report on the global AIDS epidemic. Executive summary. 2008. Geneva, Switzerland, UNAIDS.

2. Kourtis AP, Bulterys M, Nesheim SR, Lee FK. Understanding the timing of HIV transmission from mother to infant. JAMA 2001; 285(6):709-712.

3. Mok JQ, Giaquinto C, De Rossi A, Grosch-Worner I, Ades AE, Peckham CS. Infants born to mothers seropositive for human immunodeficiency virus. Preliminary findings from a multicentre European study. Lancet 1987; 1(8543):1164-1168.

4. Scott GB, Fischl MA, Klimas N, Fletcher MA, Dickinson GM, Levine RS et al. Mothers of infants with the acquired immunodeficiency syndrome. Evidence for both symptomatic and asymptomatic carriers. JAMA 1985; 253(3):363-366.

5. The mode of delivery and the risk of vertical transmission of human immunodeficiency virus type 1--a meta-analysis of 15 prospective cohort studies. The International Perinatal HIV Group. N Engl J Med 1999; 340(13):977-987.

6. Gray L, Newell ML, Thorne C, Peckham C, Levy J. Fluctuations in symptoms in human immunodeficiency virus-infected children: the first 10 years of life. Pediatrics 2001; 108(1):116-122.

7. WHO. Towards Universal Access. Scaling up priority HIV/AIDS interventions in the health sector. Progress report 2008. 2008. Geneva, Switzerland, WHO.

8. Taha TE, Graham SM, Kumwenda NI, Broadhead RL, Hoover DR, Markakis D et al. Morbidity among human immunodeficiency virus-1-infected and -uninfected African children. Pediatrics 2000; 106(6):E77.

9. The state of the world's children 2008. Child survival. 2007. New York, USA, UNICEF.

10. Country health system fact sheet 2006 Malawi. 2006. Geneva, Switzerland, WHO.

11. National Statistical office (NSO) Malawi, ORC Macro. 2004 Malawi demographic and health survey. Key findings. 2005. Calverton, Maryland, USA, NSO (Malawi) and ORC Macro.

12. National AIDS Commission. HIV and Syphilis Sero-Survey and National HIV prevalence and AIDS Estimates Report 2007-Draft. 2007. Ministry of Health and Population. The Republic of Malawi.

13. Annual Report 2007. 2007. Lilongwe, Malawi, UNICEF Malawi country office.

14. Monitoring the situation of children and women. Malawi multiple indicator cluster survey 2006 (MICS). Preliminary report. 2007. Lilongwe, Malawi, National Statistics office Zomba; UNICEF Malawi Country office.

15. Gilks CF, Crowley S, Ekpini R, Gove S, Perriens J, Souteyrand Y et al. The WHO public-health approach to antiretroviral treatment against HIV in resource-limited settings. Lancet 2006; 368(9534):505-510.

16. HIV unit. ART in the public and private sectors in Malawi-Results up to 30th June, 2008. 2008. Lilongwe, Malawi, Ministry of Health.

17. HIV unit. 12 monthly report from the HIV unit, Ministry of health, Malawi: Progress from January to December, 2007. 2008. Lilongwe, Malawi, Ministry of Health.

DANKSAGUNG

Dank gilt den Kollegen am Lighthouse/Kamuzu Central Hospital, der HIV Unit im Ministry of Health in Malawi und des Centrums für Internationale Migration und Entwicklung (www.cimonline.de). Teile dieser Arbeit sind beim 3. Deutsch-Österreichischen AIDS Kongress 2007 beim Global ART Forum und bei der XVII. International AIDS Conference, Mexico City, 3-8 August 2008 (Poster WEPE0213) vorgestellt worden.


Sonderheft zum WeltAidsTag 2008: HIV/AIDS bei KindernBack

Meldungen

Ältere Meldungen weiter

Diese Website bietet aktuelle Informationen zu HIV/Aids sowie zur HIV/HCV-Koinfektion. Im Mittelpunkt stehen HIV-Test, Symptome und Auswirkungen der HIV-Infektion, Behandlung der HIV-Infektion, HIV-Medikamente mit Nebenwirkungen und Komplikationen, Aids, Hepatitis B und C. Ein Verzeichnis der Ärzte mit Schwerpunkt HIV ergänzt das Angebot.