(Ein paar) Neuigkeiten zur PrEP
von Siegfried Schwarze

Boston, 28. 2. 2011

Mit den erfreulichen (vorläufigen) Ergebnissen der iPREx-Studie ist die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) salonfähig geworden. Wie alle großen Studien,  so liefert auch diese eine Unmenge von Daten, die über die primären Ergebnisse weit hinausgehen.  Damit ist es nur folgerichtig, dass die PrEP das Thema einer ganzen Session im Rahmen der CROI war.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu hören war, reichen die Daten der iPREX-Studie der FDA für ein Zulassungsverfahren aus. Sollte der Hersteller Gilead die Zulassung anstreben, könnte Truvada® bereits im nächsten Jahr zur PrEP zur Verfügung stehen.


Siehe auch:

HIV-PrEP Präexpositionsprophylaxe


Zu Beginn wurde nochmals daran erinnert, dass 2009 weltweit etwa 2,9 Millionen neue HIV-Infektionen auftraten, während im gleichen Zeitraum nur 1,2 Millionen Infizierte mit einer Therapie begonnen haben. Auf jeden neu Therapierten kommen also mehr als zwei Neuinfektionen – auf diese Weise werden wir uns also nicht aus der Epidemie „heraustherapieren“ können. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Männer, die Sex mit Männern haben, ein fast 20fach erhöhtes Risiko für eine HIV-Infektion, wobei der ungeschützte aufnehmende Analverkehr mit Abstand ein besonders hohes Risiko birgt. Es war also nur folgerichtig, eine Präventionsmethode zu suchen, die in Ergänzung und eventuell als Alternative zum Kondom Schutz bietet.

In die iPREx-Stuide waren bis Dezember 2009 2.499 Probanden an 11 Zentren aufgenommen worden. Das Studienklientel ist vergleichsweise jung: 50% der Teilnehmer sind zwischen 18 und 24 Jahren alt, der Median aller Teilnehmer liegt bei 25 Jahren.

In einer ersten Auswertung (Mai 2010)  betrug die Wirksamkeit im Bezug auf die Verhinderung einer HIV-Infektion 44% (95% Konfidenzintervall: 15-63%). In der Plazebo-Gruppe hatten sich 64 Probanden infiziert, in der Gruppe, die Tenofovir+Emtricitabin als Dauerprophylaxe erhalten hatte, lediglich 36 – also wurden 28 HIV-Infektionen durch die PrEP verhindert.  Allerdings kann die PrEP natürlich nur wirken, wenn die Tabletten auch zuverlässig eingenommen werden: In der Gruppe, die sich trotz PrEP infiziert hatte, hatten nur 9% nachweisbare Medikamentenspiegel im Blut (n=34), in der Gruppe der Nichtinfizierten immerhin 51% (n=43). Und selbst wenn bei den Infizierten die Medikamente im Blut nachweisbar waren, dann in äußerst geringen Konzentrationen. Da sowohl Tenofovir als auch Emtricitabin lange Halbwertszeiten haben, kann man davon ausgehen, dass beide Substanzen etwa noch eine Woche nach der letzten Einnahme nachweisbar sind.  Bei Probanden, die Plasmaspiegel in einer Höhe aufwiesen, dass man von korrekter täglicher Einnahme ausgehen kann, trat keine einzige HIV-Infektion auf.  Somit hängt die Wirksamkeit der  PrEP stark von der Adhärenz ab: Bei einer Adhärenz von unter 50% beträgt die Wirksamkeit nur 16%, bei 50-90%iger Adhärenz 34% und bei über 90%iger Einnahmetreue steigt sie auf 68%.

Da bei dieser Präventionsmethode eigentlich gesunde Menschen hochwirksame Medikamente schlucken müssen, stellt sich automatisch die Frage nach „Kollateralschäden“. In iPREx untersuchte man speziell Nebenwirkungen,  Desinhibierung und Resistenz.

Bei schweren Nebenwirkungen gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen, allerdings war ein Trend zu vermehrten Depressionen in der Plazebo-Gruppe feststellbar.

Bei den leichteren Nebenwirkungen waren Durchfall, Kopfschmerz, Übelkeit, Gewichtsverlust und Kreatininerhöhung in der  Verumgruppe erhöht.

Die Befürchtung, dass die Einnahme einer (möglicherweise) schützenden Pille zu einer größeren Risikobereitschaft führen werde, hat sich bisher nicht bestätigt. Zumindest  zeigte sich keine Veränderung der Anzahl der Sexualpartner. Ob dies langfristig so bleibt, wenn die Menschen wissen, dass sie sich auf die Wirkung der Medikamente verlassen können,  muss sich noch zeigen.

Auch was Resistenzen anbelangt, kann vorsichtige Entwarnung gegeben werden. In der Plazebogruppe fand man bei den Infizierten eine Resistenzmutation gegen Emtricitabin (die logischerweise übertragen worden sein muss), in der Verumgruppe fanden sich zwei M184V-Mutationen bei  neu Infizierten.

Es wurden aber auch eine Reihe von möglichen „Kollateralnutzen“ gesehen, unter anderem das routinemäßige Screening auf sexuell übertragbare Infektionen , die regelmäßigen HIV-Tests einschließlich Beratung, Hepatitis-B-Impfung für alle Teilnehmer, schnelle Identifizierung von Neuinfektionen und sofortige Überweisung zum HIV-Behandler,  vermehrter Kondomgebrauch, verringerte Partnerzahl und der Aufbau einer Community. Ein Großteil dieser vorteilhaften Auswirkungen ergibt sich allerdings nur im Rahmen eines Studiensettings und würde  bei einem routinemäßigem Einsatz der PrEP verloren gehen.

Da  man in klinischen Studien bei Patienten, die Tenofovir erhielten, teilweise eine Verringerung der Knochendichte beobachtet hat, wurde diese Untersuchung auch bei den Probanden in der iPREx-Studie durchgeführt.

Überraschenderweise waren die Z-Scores bereits vor Studienbeginn niedriger als erwartet: Am Rückgrat etwa -0,6, an der Hüfte -0,1. Da die Studienpopulation relativ jung war,  hatte sie vielleicht die maximale Knochendichte noch nicht erreicht, aber die Z-Scores sind bereits altersadaptiert. Die Referentin wollte nicht ausschließen, dass vielleicht auch die Daten, die in der Literatur als „normal“ angegeben sind, falsch sind, da es insgesamt nur wenige Daten zur Knochendichte gesunder junger Männer gibt.

Nach 24 Studienwoche ergab sich ein Netto-Unterschied von -0,95% (Rückgrat) und -0,7% (Hüfte) zu Ungunsten der Medikamente.  Es traten 16 Knochenbrüche bei 15 Probanden der Verumgruppe im Vergleich zu 12 Brüchen bei 11 Probanden in der Plazebogruppe auf – der Unterschied ist statistisch nicht signifikant.

Da die Adhärenz bei der PrEP eine entscheidende Rolle spielt, wurden auch hierzu intensiv Daten erfasst. Einmal im Rahmen eines persönlichen Interviews aber auch anonym am Computer, durch Erfassung der verbrauchten Pillenzahl und als „medication possesion ratio“ einem Maß, an wie vielen Tagen der Patient Medikamente hatte (diese Methode erfasst auch Einnahmefehler, die darauf beruhten, dass der Patient zu spät zu einer Kontrolluntersuchung kam und deshalb keine Pillen mehr hatte). Die mit den unterschiedlichen Methoden erhobenen Werte für die Adhärenz korrelierten untereinander relativ gut.  Verglich man sie aber mit tatsächlich gemessenen Plasmaspiegeln, ergab sich ein anderes Bild: Bei denjenigen Probanden, die angaben, 100% korrekt eingenommen zu haben, fand man nur in 2/3 der Fälle auch entsprechende Plasmaspiegel . Umgekehrt sah es besser aus: Bei Probanden, die erklärten, sie hätten weniger als 50% eingenommen, fanden sich in 88% der Fälle keine Medikamentenspuren im Blut.

Insgesamt sind die Ergebnisse von iPREx so ermutigend, dass die Studie in einer „open label extension“ fortgesetzt wird –iPREx OLE also.

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