25 Jahre Deutsche AIDS-Stiftung
Deutsche AIDS-Stiftung25 Jahre Pflege und Betreutes Wohnen

1987 wurde die Deutsche AIDS-Stiftung von Rainer Ehlers, geb. Jarchow, dem Deutschen Roten Kreuz und dem Verband der Privaten Krankenversicherung gegründet. Ihre Ziele waren die direkte finanzielle Hilfe für Erkrankte in Notlagen, die Unterstützung von Projekten von und für Betroffene und das Eintreten gegen Diskriminierung und Stigmatisierung. Die Hilfen sollten und sollen existenzielle Not abwenden und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Zu dieser Zeit erfüllte die Stiftung häufig „letzte Wünsche“: noch einmal einen geliebten Ort sehen oder einen geliebten Menschen besuchen.

Stiftungsgründer Rainer Ehlers, geb. Jarchow 2011 bei der Einweihung des
      Wohnprojektes in Köln
Stiftungsgründer Rainer Ehlers, geb. Jarchow 2011 bei der Einweihung des Wohnprojektes in Köln
©Foto: Steffen Hoeft

Damals hatten Erkrankte nach der Diagnose AIDS eine durchschnittliche Überlebenszeit von zehn bis zwölf Monaten. Der Medizin blieb kaum mehr als die Linderung der opportunistischen Infektionen und die Pflege der Kranken. Diese stieß aber an Grenzen, die nicht zuletzt durch Ängste der Pflegenden vor einer eigenen Infektion und vor dem Unbekannten, der Homosexualität und den illegalen Drogen, entstanden. Eine weitere Schwierigkeit in der pflegerischen Versorgung der ersten aidskranken Menschen bestand im Mangel an familiärer Unterstützung. Diese Defizite im professionellen und familiären Pflegebereich führten zu einem in der schwulen Community nicht erwarteten Ausmaß an Solidarität. Angehörige der Community engagierten sich für bereits Erkrankte: durch regelmäßige Besuche, Hilfe im Haushalt und Pflege.

Betreute Wohnprojekte werden Förderungsgegenstand

Ende der 80er Jahre galt schon die HIV-Infektion als Grund für Erwerbsunfähigkeit und Verrentung. Die Hilfen der Stiftung mussten vor allem viele junge und damit finanziell schlecht abgesicherte Erkrankte in Anspruch nehmen, 80% der Antragstellenden waren jünger als 40 Jahre. Schon damals bezogen sich viele der von uns gewährten Einzelhilfen auf den Erhalt der Wohnung. Daneben gewann der Bereich „Betreutes Wohnen“ bereits Anfang der 90er Jahre in der Projektförderung an Bedeutung. 1991 kam der größte Einzelbetrag der Inlandsförderung einem Wohnprojekt in Berlin zugute. Auch in den darauffolgenden Jahren wurden zahlreiche Projekte des Betreuten Wohnens, von der Förderung von Wohngemeinschaften bis zum behindertengerechten Ausbau einzelner Wohnungen, gefördert.

Daneben gelang es der Medizin, opportunistische Infektionen sukzessive besser zu behandeln und somit die Lebenserwartung Erkrankter zu erhöhen. Damit wurden die professionellen Ansprüche an die häusliche Pflege Aidskranker immer größer und setzten eine medizinisch-pflegerische Ausbildung voraus. AIDS führte für die Mehrzahl der Erkrankten immer noch rasch zum Tode. Bei professioneller Pflege und akzeptablem Wohnraum war es aber möglich, die letzten Lebensmonate zu Hause und nicht im Krankenhaus zu verbringen. In dieser Zeit entstanden in vielen Großstädten Spezialpflegedienste für Menschen mit HIV und AIDS. Die ambulante Pflege erforderte eine Betreuungsintensität, die von den gesetzlichen Kostenträgern in der Regel nicht vollständig abgedeckt wurde. Dies stellte die Pflegedienste vor finanzielle Herausforderungen, die auch zur Inanspruchnahme der AIDS-Stiftung führten. 1995 rückten erstmals Projekte der ambulanten Pflege und des Betreuten Wohnens in den Vordergrund der Projektförderung der Deutschen AIDS-Stiftung. Neben der Notwendigkeit von Pflegewohnungen wurde zunehmend über Hospize für Menschen mit HIV und AIDS nachgedacht bzw. der Bau solcher Hospize geplant.

Mit Einführung der HAART 1996 stieg die Lebenszeit der HIV-Infizierten und Aidskranken deutlich an. Die Therapien wurden einfacher handhabbar. Seitdem sind immer mehr Betroffene erwerbstätig und können dies auch über viele Jahre bleiben. Von der drastisch verbesserten Behandelbarkeit der Krankheit profitieren nicht alle Betroffene in gleichem Maße. Nach vielen Jahren Behandlung zeigt sich, dass Nebenwirkungen und Begleiterkrankungen zunehmen und früher nicht gekannte gravierende Krankheitsbilder auftreten: Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, neurologische Schädigungen, Osteoporose, Demenz. Auch die materielle Situation vieler Überlebender der 90er Jahre hat sich nicht verbessert, sondern teils eher verschlechtert. Daher bleiben unsere Hilfen im Einzelfall für etliche Betroffene weiterhin dringend notwendig. Durch die verlängerten Lebenszeiten mussten darüber hinaus Hilfen für Beschäftigung, sinnvolle Tagesstrukturierung und zunehmend auch für Betreutes Wohnen geschaffen oder verstärkt werden: In den 90er Jahren war nur ein Prozent der Antragstellenden älter als 50 Jahre, heute sind es 20 Prozent.

Die Förderung von Wohnprojekten heute

Wir haben unsere Anstrengungen in den zurückliegenden Jahren gerade in der Förderung von Projekten des Betreuten Wohnens nochmals deutlich verstärkt. In den letzten zehn Jahren konnte die Deutsche AIDS-Stiftung insgesamt 33 Betreute Wohnprojekte mit insgesamt 624.000 € fördern. Mit weiteren 4,1 Mio. € konnte die Stiftung vier Immobilien in Lahnstein, Essen, Berlin und Köln kaufen oder errichten. Sie werden von lokalen Trägern der AIDS-Hilfe betrieben und bieten Betroffenen eine dem jeweiligen Bedarf angepasste Betreuung und Unterstützung. Dieses Engagement wird aber zunehmend schwieriger. Denn mit dem nachlassenden Interesse am Thema HIV und AIDS in Medien und Öffentlichkeit und mit dem falschen Eindruck, AIDS sei medizinisch nahezu besiegt, schwindet auch die Spendenbereitschaft gerade für die Arbeit in Deutschland.

Heute leben in Deutschland 73.000 Menschen mit HIV und AIDS. Und diese Zahl wird weiter steigen: Dank der verbesserten Therapie stehen den 2.500 bis 3.000 Neuinfektionen pro Jahr nur noch ca. 500 Todesfälle gegenüber. Gleichzeitig zeigen die Erfahrungen vieler lokaler AIDS-Hilfen und die Entwicklung der Antragstellung an unser Haus, dass die absolute Zahl der dringend Hilfsbedürftigen zunehmen wird, obwohl ihr relativer Anteil an der Gesamtheit der Infizierten dank der verbesserten Behandelbarkeit tendenziell abnimmt.

Hape Kerkeling besuchte 2007 das Wohnprojekt in Essen
Hape Kerkeling besuchte 2007 das Wohnprojekt in Essen
©Foto: AIDS-Hilfe Essen e.V.


Viele von denjenigen, die sich in den letzten Jahren infiziert haben, werden ein halbwegs normales Leben führen können, langfristig arbeitsfähig bleiben und eine annähernd normale Lebenserwartung erreichen. Daneben wird die Zahl derjenigen steigen, die dauerhaft Betreuung und Unterstützung benötigen. Bei vielen Betreuungsbedürftigen resultiert der Bedarf eher aus psychosozialen Problemstellungen denn aus klassisch-somatischen Symptomen. Schwierige Lebensverläufe, mangelnde finanzielle Absicherung und Krankheit – häufig nicht nur HIV/AIDS – haben eine Häufung von Problemen entstehen lassen, die zumindest mittelfristig Begleitung und Betreuung erfordert.

Zukünftige Herausforderungen in Betreuung und Pflege

Die Auseinandersetzung mit diesen komplexen Problemlagen und die Hilfe für Menschen in dieser Lebenssituation stellt für Betroffene und Helfende gleichermaßen eine erhebliche Herausforderung dar. Hierbei werden unterstützungsbedürftige Menschen die Deutsche AIDS-Stiftung – genauso wie die AIDS-Hilfen – weiterhin an ihrer Seite wissen. Dies allein wird aber nicht reichen! Eine insgesamt hinreichende Versorgung bedarf deutlich größerer gesellschaftlicher und politischer Anstrengungen. Die psychosozial und medizinisch komplexen Versorgungssituationen erfordern, wie die insgesamt ständig höhere Diversität, mehr intersektorale und interprofessionelle Kooperation, mehr Vernetzung und Wissenstransfer, um eine flexible und qualitativ hochwertige Versorgung zu ermöglichen. Die Notwendigkeit zu mehr Kooperation und Wissenstransfer zwischen HIV/AIDS-Spezialisten aus Medizin und Pflege sowie Experten aus Gerontologie/Geriatrie und Gerontopsychiatrie ist sicher zwingend.

www.aids-stiftung.de


Bitte unterstützen Sie uns, damit wir auch in Zukunft pflegebedürftigen Menschen mit HIV und AIDS helfen können: Spendenkonto 800 4004, Sparkasse KölnBonn, BLZ 370 501 98


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