Interview mit RA Jacob Hösl, Köln
Juristische Aspekte

Dies sind Empfehlungen von zwei virologischen Fachgesellschaften. Welchen juristischen Stellenwert haben Sie?

Jacob Hösl, ist Rechtsanwalt und hat sich mit  der Rechtsprechung zu  HIV und Aids beschäftigt
Jacob Hösl, ist Rechtsanwalt und hat sich mit  der Rechtsprechung zu  HIV und Aids beschäftigt

Jacob Hösl: Bei den besagten Empfehlungen handelte es sich wie das Wort schon sagt um Empfehlungen. Eine vollständige Rechtsverbindlichkeit kann dadurch nicht hergestellt werden. Allerdings dienen die Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Interpretation der Rechte und Pflichten für Mitarbeiter in solchen Zusammenhängen. So definieren diese Empfehlungen bei der Prüfung eines Behandlungsfehlers den Bereich des Verschuldens. Hat sich der betreffende an Empfehlungen gehalten, so hat er alles getan, um eine Schädigung eines Patienten zu vermeiden. Dann kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, wenn es trotzdem passiert. Hat er sich nicht daran gehalten, gilt das Gegenteil. Auch in der arbeitsrechtlichen Beziehung kann der Mitarbeiter sich auf entsprechende Empfehlungen berufen, wenn er zum Beispiel überzogene den Empfehlungen nicht entsprechende Weisungen seines Arbeitgebers abwehren möchte, weil der Arbeitgeber darf keine willkürlichen Anforderungen an seine Mitarbeiter stellen. Umgekehrt hat der Arbeitgeber natürlich auch für die Sicherheit zu sorgen, so dass die Unterschreitung der Sicherheitsanforderungen solcher Empfehlungen ebenfalls rechtliche Konsequenzen haben kann. Insofern haben die Empfehlungen mittelbar bei der Interpretation von Rechtspositionen durchaus eine Bedeutung. Anders bei so genannten Leitlinien oder Richtlinien die berufsrechtlich für die Angehörigen der Berufsgruppe verbindliche Handlungsanweisungen enthalten.

Heißt das, niemand muss sich daran halten, jede Klinik kann ihre eigene Strategie fahren?

Jacob Hösl: Nein, das heißt es in dieser Einfachheit nicht, wie ich oben versucht habe darzulegen. Allerdings steht dem Arbeitgeber, wenn ihm sachliche Argumente zur Seite stehen, ein Ermessensspielraum zu, wie er die Sicherheit von Patienten einerseits bzw. die Rechte seiner Mitarbeit andererseits schützt. Vollständig und verbindlich wird man solche Dinge allerdings in dieser Form nicht regeln können, es sei denn der Gesetzgeber bzw. die entsprechenden Fachministerien erlassene rechtsverbindliche Gesetze oder Verordnungen. Damit ist allerdings in solchen Detailfragen nicht unbedingt zu rechnen.

 In dem Papier wird immer wieder auf die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt“ verwiesen, der ja der Schweigepflicht unterliegt. Darf dieser auch keine Informationen weitergeben, wenn z.B. ein Chirurg mit 1.000 Kopien operiert?

Jacob Hösl: Der Betriebsarzt ist grundsätzlich ebenfalls der Verschwiegenheitspflicht unterworfen. Wenn er dagegen verstößt, kann er sich strafbar machen. Zudem kann er auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn er sich hieran nicht hält. Die einzige Befugnis des Betriebsarztes im Bereich der Mitteilung an den Arbeitgeber ist, dass er bestimmte Beschränkungen der Tätigkeit anordnen kann. Er darf allerdings den Grund hierfür nicht mitteilen.

Muss sich der HIV-positiv invasiv tätige Mitarbeiter dem Betriebsarzt gegenüber outen? Was ist, wenn er es nicht tut?

Jacob Hösl: In den Empfehlungen wird von einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ zwischen dem Mitarbeiter und dem Betriebsarzt gesprochen. Gemeint ist damit offenbar, dass der Mitarbeiter sich gegenüber dem Betriebsarzt offenbaren soll. Eine Verpflichtung hierzu besteht allerdings nicht. Jedoch kann der Betriebsarzt im Zusammenhang mit bestimmten risikoträchtigen Tätigkeiten Untersuchungen anordnen, um zu prüfen, ob von dem Mitarbeiter Gefahren für Patienten ausgehen können. Wenn der Mitarbeiter diese Untersuchungen, denen er in jedem Fall zustimmen muss, verweigert, so kann der Betriebsarzt hieraus entsprechende Konsequenzen ziehen und Tätigkeitsbeschränkungen auferlegen. Eine Verpflichtung eines Mitarbeiters im Gesundheitswesen, seine HIV-Infektion in jedem Fall zu offenbaren, besteht aber nicht.

Wenn keine risikoträchtigen Tätigkeiten von ihm ausgeübt werden, so kann ich keine Veranlassung erkennen, dass der Mitarbeiter die HIV-Infektion gegenüber dem Betriebsarzt offenbart. Selbstverständlich hat er aber das Recht, einen Betriebsarzt hierüber in Kenntnis zu setzen.

Wie ist eine invasive Tätigkeit definiert?.

Jacob Hösl: Diese Frage kann ich als Jurist letztlich nicht beantworten. Aber den Empfehlungen zufolge erscheint es so, dass dort alle Tätigkeiten gemeint sind, bei denen es zu irgendwelchen „Öffnungen“ des Körpers des Patienten kommt. Nach meiner Kenntnis bestehen Risiken einer HIV-Übertragung bei beruflicher Tätigkeit im Gesundheitswesen nur bei so genannten risikoträchtigen Tätigkeiten, die im einzelnen auch definiert sind. Sämtliche andere auch invasive Tätigkeiten bergen kein HIV-Übertragungsrisiko in sich. Insoweit erscheinen mir die angesprochenen Empfehlungen noch etwas undifferenziert.

Wenn es zur möglichen Blutübertragung gekommen ist und der Patient wegen einer PEP informiert wird, wie kann sich der Arzt schützen, dass der Patient seine Geschichte nicht an die Bild Zeitung verkauft?

Jacob Hösl: Das ist eine schwierige Frage. Letztlich steht es natürlich jedem Menschen frei, sich mit seiner „Geschichte“ an die Presse zu wenden. Dies kann einem Patienten letztlich nicht verboten werden. Auf der Ebene der Berichterstattung muss dann das entsprechende Medium, sei es eine Zeitung oder gar ein Fernsehsender, die Rechte der Betroffenen nach presserechtlichen Grundsätzen wahren. Dies geschieht in der Regel durch Anonymisierung. Das ist natürlich etwas theoretisch. Tatsächlich würde eine solche Berichterstattung natürlich eine Katastrophe für den behandelnden Arzt oder die Klinik bedeuten.

Dies gilt ganz besonders bei HIV, weil in unserer Gesellschaft HIV mit sämtlichen Ängsten besetzt wird, die Krankheiten irgendwie haben können. Ob sie aber wirkungsvoll verhindert werden kann, muss man doch in Zweifel ziehen. Gegebenenfalls sollte überlegt werden, ob ein Verfahren möglich ist, das den Schutz des Patienten gewährleistet, aber auch den Mitarbeiter im Gesundheitswesen, zum Beispiel dadurch, dass dieser ihm nicht benannt wird.

Solche Verfahren wären aus meiner Sicht möglich, wenn auch vielleicht nicht in allen Fällen.

 



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