Empfehlung des Berliner Impfbeirates zur Impfung gegen Meningokokken-Erkrankungen bei Männern, die Sex mit Männern haben

Robert Koch Institute LogoAnlässlich einer im Zeitraum zwischen Oktober 2012 und Mai 2013 aufgetretenen Häufung von fünf Erkrankungen an Meningokokken in Berlin bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, hat der Berliner Impfbeirat am 17.07.2013 eine Erweiterung der öffentlichen Impfempfehlung des Landes Berlin beschlossen, wonach sich MSM gegen Meningokokken der Serogruppe C impfen lassen sollten.1

Die Regelung ist am 27. Juli 2013 in Kraft getreten. Von bisher insgesamt 18 Meningokokken-Erkrankungen in Berlin im Jahr 2013 waren sieben durch die am gefährlichsten geltende Serogruppe C verursacht, drei bei Frauen und vier bei Männern. Die vier Männer gehörten alle zur Gruppe der MSM; drei von ihnen starben und ein vierter erlitt schwere neurologische Schäden. Ein weiterer Fall bei einem MSM wurde rückblickend im Oktober 2012 identifiziert.2 Ein definitiver epidemiologischer Zusammenhang konnte lediglich zwischen zwei Fällen eruiert werden. Bei drei der fünf Fälle konnte durch molekulargenetische Untersuchungen am Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken in Würzburg ein identischer Klon des verursachenden Meningokokkenstammes nachgewiesen werden; bei einem Fall wich der Stamm leicht von diesen ab und beim fünften Fall sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.2

Berlin, New York und Paris

Aktuelle Häufungen von Meningokokken-Erkrankungen unter MSM wurden ebenfalls aus New York (22 Fälle zwischen August 2010 und Anfang 2013) und Paris (vier Fälle bei MSM und ein Fall bei einer Frau, die eine schwule Bar besucht hatte zwischen Anfang Juni und Mitte Juli 2013) berichtet.3;4 Derzeit untersucht das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und lokalen Gesundheitsämtern, ob es unter den seit Anfang 2012 gemeldeten invasiven Meningokokken-Erkrankungen bei Männern weitere Fälle bei Männern die Sex mit Männern haben gegeben hat und ob solche Fälle in irgendeiner Weise mit der Berliner Fallhäufung zusammenhängen.

Invasive Erkrankung ernst nehmen

Meningokokken sind Bakterien, die im Nasen-Rachen-Raum des Menschen vorkommen und durch Tröpfchen übertragen werden können. Bei ca. 10% der Bevölkerung ist der Nasen-Rachenraum mit Meningokokken besiedelt; Jugendliche und junge Erwachsene haben die höchsten Trägerraten von ca. 20%.5 Zu einer invasiven Erkrankung kommt es nur extrem selten, wenn die Bakterien die Schleimhautbarriere überwinden und in den Liquor und/oder das Blut gelangen. Dies wird begünstigt durch Schädigungen der Schleimhäute, z.B. durch sehr trockene Luft, Rauchen, oder vorangehende Atemwegsinfekte.6 In einer Trägerstudie bei MSM über 12 Monate wurden bei 40% der 815 beteiligten Männer Meningokokken im Nasen-Rachenraum nachgewiesen.6 Eine erhöhte Trägerrate könnte eine Erklärung für ein höheres Erkrankungsrisiko darstellen. Eine invasive Erkrankung ist sehr ernst zu nehmen, da sie mit schweren Komplikationen und bleibenden Schäden einhergehen kann. So kommt es bei ca. zwei Drittel der erkrankten Patientinnen und Patienten zu einer Hirnhautentzündung und bei ca. einem Drittel zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung (Sepsis). In 10-20% der Fälle kommt es zu bleibenden Schäden. Die Sterblichkeit der Serogruppe C-Erkrankungen in Deutschland lag in den Jahren 2001-2011 bei 11,6%.7

Impfung für MSM empfohlen

Die einzige wirksame Möglichkeit der Prävention besteht in einer Impfung. Gemäß Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) sollen alle Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr eine einmalige Impfung gegen Meningokokken der Gruppe C erhalten.8 Bei Erwachsenen empfiehlt die STIKO eine Impfung für bestimmte Personen mit Immundefizienz oder Immunsuppression, wie z.B. HIV-Positive, oder auch für Reisende in bestimmte Länder. Impfungen bei HIV-Positiven gemäß der STIKO-Empfehlung werden von den Krankenkassen getragen. Für MSM hat die STIKO bisher keine Impfempfehlung ausgesprochen, da für diese Personengruppe in Deutschland bisher kein erhöhtes Erkrankungsrisiko erkennbar war.

In Berlin erkrankten nun in einem 10 Monatszeitraum fünf MSM mit einer geschätzten Inzidenz von 6,3 Fällen/100.000 MSM.2 Dies ist deutlich höher als die jährliche Inzidenz von 0,65 Erkrankung/100.000 Einwohner unter 15-49jährigen Männern. Deshalb erfolgte eine zunächst bis zum 31.01.2014 zeitlich begrenzte Impfempfehlung des Landes Berlin, die dann erneut evaluiert werden soll. Die Impfung sollte mit einem Impfstoff erfolgen, der eine Komponente gegen Meningokokken der Gruppe C enthält und für Erwachsene zugelassen ist. Die verfügbaren Impfstoffe sind im Allgemeinen sehr gut verträglich. Nach derzeitigem Informationsstand werden die Kosten für die Impfung bei MSM in Berlin durch die gesetzlichen Krankenkassen getragen bzw. erstattet.

Wir danken Prof. Dr. med. Ulrich Vogel und PD Dr. rer. nat. Heike Claus vom Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken, Dr. med. Jörg Bätzing-Feigenbaum sowie Herrn Amadeus Schubert vom Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin als auch den ermittelnden
Gesundheitsämtern.


1  Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Berlin. Empfehlung des Berliner Impfbeirates zur Impfung gegen Meningokokken-Erkrankungen. Pressemitteilung vom 18.07.2013. Online verfügbar unter: http://www.berlin.de/sen/gessoz/presse/archiv/20130718.1630.387129.html

2  Marcus U, Vogel U, Schubert A, Claus H, Baetzing-Feigenbaum J, Hellenbrand W, Wichmann O. A cluster of invasive meningococcal disease in young men who have sex with men in Berlin, October 2012 to May 2013. Euro Surveill. 2013;18(28):pii=20523. Online verfügbar unter: http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=20523

3  Simon MS, Weiss D, Gulick RM. Invasive Meningococcal Disease in Men Who Have Sex With Men. Ann Intern Med. 2013 Jun 17 http://dx.doi.org/10.7326/0003-4819-159-4-201308200-00674 PMid:23778867

4  European Center for Disease Prevention and Control (ECDC). Rapid Risk Assessment: Invasive meningococcal disease among men who have sex with men. Stockholm: ECDC; 2013. Online verfügbar unter: http://www.ecdc.europa.eu/en/publications/Publications/rapid-risk-assessment-invasive-meningococcal-disease-among-MSM.pdf

5  Christensen H, May M, Bowen L, Hickman M, Trotter CL. Meningococcal carriage by age: a systematic review and meta-analysis. The Lancet Infectious Diseases. 2010;10(12):853-61.

6  Janda WM, Bohnhoff M, Morello JA, Lerner SA. Prevalence and site-pathogen studies of Neisseria meningitidis and N gonorrhoeae in homosexual men. JAMA 1980;244(18):2060-4.

7  Robert Koch-Institut. Zur Situation bei ausgewählten Infektionskrankheiten in Deutschland. Invasive Meningokokken-Erkrankungen, 2009-2011. Epid Bulletin. 2012; 39:389-97.

8  STIKO. Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut / Stand: Juli 2012. Epidemiologisches Bulletin 2012;30:283-310. http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/Ausgaben/31_12.pdf?__blob=publicationFile


Daran denken und rasch handeln!
Klinische Zeichen einer invasiven Meningokokken-Erkrankung

Weiterhin ist wichtig, dass gefährdete Personen und Ärzte beim Auftreten verdächtiger Symptome an die Möglichkeit einer invasiven Meningokokken-Erkrankung denken und entsprechend handeln: für gefährdete Personen bedeutet dies, rasch einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen, für den Arzt bedeutet es, geeignete Diagnostik einzuleiten und ggf. antibiotisch zu behandeln.

Die Dauer zwischen Infektion und Erkrankung beträgt 2 bis 10 Tage, meistens 3 bis 4 Tage. Die Verwechslungsgefahr mit einer Grippe ist groß.

Charakteristisch sind

  • ein schweres Krankheitsgefühl, das sich innerhalb weniger Stunden verstärkt

  • Fieber

  • Übelkeit, Erbrechen

  • Schüttelfrost

Innerhalb weniger Stunden kommt es zu einer Blutvergiftung (Sepsis) und/oder einer Hirnhautentzündung (Meningitis). Die Meningokokken-Erkrankung kann rasch ins Koma oder zum Tod führen.

Typische Krankheitssymptome sind:

  • Nackensteifigkeit

  • Kopfschmerzen

  • Bläulich-rote, nicht wegdrückbare Flecken auf der Haut

  • Schläfrigkeit, schwere Erweckbarkeit der Patienten

  • Überempfindlichkeit der Augen gegenüber Licht (Photophobie)

  • Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen

  • Reizbarkeit

  • Krampfanfälle

Gefährdete Personen sollten bei einem akut auftretenden schweren Krankheitsbild, welches begleitet wird von zwei oder mehr solcher Symptome, sofort eine Arztpraxis oder eine Rettungsstelle aufsuchen!

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