8th CLINICAL PHARMACOLOGY WORKSHOP ON HIV-THERAPY VOM 16.-18.4.2007 IN BUDAPEST
Neue Trends in der Pharmakologie

Im Mittelpunkt dieses internationalen Workshops von Pharmakologen und TDM- Experten standen in diesem Jahr die Transportermoleküle und genetischen Polymorphismen. Hier zeichnen sich viele Neuerungen ab. Die meisten sind jedoch noch weit von der Praxis entfernt. Aber es gab auch zu bekannten Substanzen und Regimen viele neue Informationen.

Wenn man die Einnahmezeit eines Arzneimittels variieren kann oder die Einnahme eines Medikamentes sogar auslassen kann, ohne dass der Medikamentenspiegel unter den „therapeutischen“ Bereich sinkt, wird dies als „Forgiveness“ bezeichnet. Jedes Medikament hat aufgrund seiner Pharmakokinetik und Konzentration-Wirkungsbeziehung einen unterschiedlich hohen Grad an „Forgiveness“.

AUF FORGIVENESS ACHTEN

L. Dickinson aus Liverpool untersuchte die Forgiveness von geboostertem Saquinavir (SQV/r) in verschiedenen Dosierungen und auch bei einmal täglicher Gabe. Sie berechnete die Zeit, in der die SQV-Spiegel auf eine Ctrough-Konzentration <100 ng/ml absinken. Für SQV 1.000/100 mg BID ergab sich eine Forgiveness von sieben Stunden und für SQV/r 2.000/200 mg QD von lediglich vier Stunden. SQV BID „verzeiht“ somit das Vergessen einer Einnahme bei zweimal täglicher Dosierung, während der Medikamentenspiegel bei einmal täglicher Gabe schon kritisch sinkt, wenn man die Tabletten vier Stunden später einnimmt (Dickinson Ll. #14).

Fosamprenavir (FPV) einmal täglich wurde in klinischen Studien mit 100 mg oder 200 mg RTV geboostert. Jetzt wurden beide Optionen auch in einer pharmakologischen Untersuchung an 12 Patienten geprüft. Dabei lagen die Cmin-Werte der metabolisch aktiven Substanz APV mit RTV 100 mg QD im erwarteten Bereich und waren statistisch nicht geringer als bei Boosterung mit RTV 200 mg QD. Außerdem war das Lipidprofil unter RTV 100 mg QD günstiger (Parks D et al. #22). Die Patientenzahlen in den Untersuchungen mit FPV/r 1.400/100 mg OD waren sowohl in den pharmakologischen als auch in den klinischen Studien zu gering, um eine Aussage zu treffen. Eine große klinische Studie läuft gerade an.


Abb. 1: Veränderungen der AUC einer Mini- Dosis RTV
in Gegenwart der verschiedenen PIs

RTV-SPIEGEL BEIM BOOSTERN

Die Spiegel von Ritonavir als Booster in verschiedenen Proteasehemmer-basierten Regimen sind nicht einheitlich. M. Boffito aus London demonstrierte anschaulich in einer Literaturanalyse, wie unterschiedlich RTV mit den verschiedenen Proteasehemmern interagiert. Atazanavir (ATV) und Indinavir (IDV) erhöhen die Cmax-Werte von RTV, während Darunavir (DRV), Lopinavir (LPV) und Tipranavir (TPV) die RTV-Spiegel erniedrigen. Das gleiche gilt für die Cmin- Werte, mit einer Ausnahme. ATV senkt den Cmin-Wert von RTV. Saquinavir hatte als einziger Proteasehemmer keinen Effekt auf die RTV-Spiegel (Abb. 1)(Boffito M et al. #13).

TIPRANAVIR BEI LEBERFIBROSE

Bei Patienten mit chronischer Hepatitis C und Leberfibrose wurden unter einer Salvage-Therapie mit Tipranavir (TPV) TPV- Spiegel und Transaminasen gemessen. Zwischen der Höhe der Transaminasen und dem TPV-Spiegel bestand keine Korrelation. Beide Parameter korrelierten jedoch mit dem Fibrosegrad. In keinem Fall kam es im Verlauf der 12-wöchigen Beobachtung zu einem Anstieg der Transaminasen bzw. einer Toxizität Grad 3 oder 4(Morello J et al. #35). In einer anderen Arbeit von S. Bonora zu intrazellulären TPV-Spiegel korrelierten die Konzentrationen von TPV und RTV in der Zelle mit den Plasmaspiegeln von TPV und RTV. TPV zeigte eine niedrigere intrazelluläre Akkumulation als andere Proteasehemmer. Die intrazellulären RTV-Spiegel stiegen um das 4fache an(Bonora S et al. #48).

LIPIDSENKER

HLA-Bestimmung in Praxis möglich

Aufgrund der klaren Hinweise auf den prädiktiven Wert des HLA-B*5701 für das Risiko einer HSR lassen immer mehr HIV-Experten ihre Patienten vor dem Einsatz von Abacavir testen. Die Kostenübernahme scheint - zumindest bei einigen Labors - kein Problem mehr zu sein.

Die Bestimmung von HLA-B*5701 wird mittlerweile von mehreren Labors in Deutschland angeboten. Ist dies eine erstattungsfähige Leistung?

Dr.Thiele: Grundsätzlich sind HLA-Bestimmungen erstattungsfähige Leistungen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen tendieren dazu, im Transplantationswesen mit entsprechend autorisierten Labors Sondervereinbarungen einzugehen, denn der EBM bildet momentan nicht das ab, was an Methodik international als Minimum gefordert wird. Deshalb haben Labore, die sonst nichts mit HLA-Typisierung zu tun haben, hier ein Problem.

Wie findet der Arzt ein autorisiertes Labor?

Dr.Thiele: Das ist ganz einfach. Alle Labore, die im Rahmen von Transplantation HLA- Bestimmungen durchführen, brauchen eine internationale Akkreditierung der Europäischen Föderation für Immungenetik. Die Liste dieser Labore kann man auf http://www.efiweb.org/labs.html einsehen. Meist handelt es sich um Universitätsinstitutionen, aber es gibt auch einige wenige niedergelassene Labore, die über eine efi-Akkreditierung im Hochauflösungsbereich verfügen.

Sind die Bestimmungsverfahren überall vergleichbar?

Dr. Thiele: Wie so oft führen viele Wege nach ROM. Man kann unterschiedliche Verfahren zur Typisierung einsetzen,z.B.Ansätze mit sequenzspezifischen Primern oder die Hybridisierung mit verschiedenen Sonden oder durch Sequenzierung.Wichtig ist,dass man die Bestimmungsgenauigkeit einhält, also HLA-B*5701-positiv und -negativ sicher unterscheidet.Wichtig ist meiner Ansicht nach auch eine Stufendiagnostik.Das HLA B 57 ist kein häufiges Merkmal. Da empfiehlt es sich aus ökomonischen Gründen, zunächst das Merkmal 57 sicher auszuschließen. Kann es nicht sicher ausgeschlossen werden, muss mit hochauflösenden Verfahren eine sichere Bestätigung und Eingrenzung erfolgen.

Dr. med. Bernhard Thiele
Hellmut-Hartert-Str. 1 · 67653 Kaiserslautern
Email: immungenetik@t-online.de

Pravastatin galt bisher als Statin der Wahl in Kombination mit einer HAART. Die bisherigen Untersuchungen zeigten keine relevanten Interaktionen zwischen geboosterten Proteasehemmern und Pravastatin. Unter DRV/r 600/100 mg BID und Pravastatin 40 mg kam es jedoch im Vergleich zu Pravastatin 40 mg allein zu einem Anstieg der Pravastatin-Konzentration um 80%. Bei 6/14 Probanden stieg der Spiegel sogar um 200%. Ursache für die drastische Erhöhung könnte evtl. der genetische Polymorphismus des Anionentransporters 1B1 (OAT- P1B1) sein, welcher Pravastatin aktiv in die Hepatozyten transportiert(Sekar V et al. #54). Weiter stellte Tibotec fest, dass RTV diesen Transporter hemmt und damit den Abbau von Pravastatin. Ezetimib, ein neuer Cholesterinaufnahmehemmer, führt erwartungsgemäß nicht zu Interaktionen mit Proteasehemmern. Kombinationspräparate von Ezetimib mit Simvastatin können dagegen aufgrund von Simvastatin gefährliche Wechselwirkungen verursachen(Klibanov O et al. #64).

SÄUREBLOCKER

Im Bereich der Säureblocker wurde nicht viel Neues berichtet. Die Datenlage erhärtet sich, dass Omeprazol 40 mg keinen Effekt auf TPV, LPV/r und den Integrasehemmer Elvitegravir ausübt, SQV-Spiegel ohne toxische Reaktionen ansteigen und 20 mg Omeprazol die ATV-Spiegel von ATV/r um 30% senkt(Bertz R. #66; La Porte C et al. #59; Ramanathan S et al. #69; Tschampa J et al. #60; Singh K et al. #62).

NEUE SUBSTANZEN

Die Interaktionsstudien zu neuen Substanzen fokussierten vor allem auf die CCR5- Inhibitoren Maraviroc und Vicriviroc(Ramanathan S et al. #70) sowie den Integrasehemmer Elvitegravir. Alle drei Substanzen sind Substrate von CYP-3A4. Die Spiegel werden durch RTV erhöht. Während für Vicriviroc wahrscheinlich keine Dosisanpassung unter einem PI/r-Regime benötigt wird, wird für Maraviroc eine 50%ige Reduktion empfohlen. DRV/r erhöhte z.B. Maraviroc-Spiegel um 405%. Bei milder und moderater Leberinsuffizienz wurde die Maraviroc-AUC um 32% bzw. 45% erhöht, aber von den Patienten gut vertragen(Ramanathan S et al. #70). Der Integrasehemmer Elvitegravir wird ebenfalls mit RTV geboostert und die Spiegel mit CYP 3A4-Inhibitoren erhöht. Mit NRTIs wie d4T, ddI oder ABC gibt es keine Interaktionen und es ist keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz vorzunehmen(Mathias A et al. #53; Davis J et al. #8).

BEI MULTIRESISTENZ: PIQ UND GIQ

Stark vorbehandelte Patienten brauchen im Gegensatz zu Therapie-naiven Patienten höhere Medikamentenspiegel, um die Viruslast zu senken. Aus diesem Grund wurden Parameter wie der „phänotypische inhibitorische Quotient“ (PIQ) und der „genotypische inhibitorische Quotient“ (GIQ) entwickelt, die den Plasmaspiegel mit der Anzahl von Mutationen in Verbindung setzen. Beim PIQ wird die EC50 durch die Anzahl der Mutationen geteilt und beim GIQ der Ctrough-Spiegel. In einer Studie wurde der klinische Effekt des GIQ geprüft. In 75 Fällen zeigte sich durch die Beratung anhand des GIQ-Wertes im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine verbesserte virologische Antwort. Der Unterschied war aber nicht statistisch signifikant(Sheehan N et al. #76).

POLYMORPHISMEN


Abb. 2: Patch-Test mit 1% und 10% Abacavir

Die Bestimmung einiger Polymorphismen beginnt für die klinische Praxis mehr an Bedeutung zu gewinnen. Eine HSR-Reaktion kann z.B. nur in Anwesenheit des HLA- B*5701 Allels auftreten. Dies bestätigte die Australierin E. Phillips, indem sie die Ergebnisse des Patch-Testes mit der Bestimmung verschiedener Haplotypen verglich. Alle 25 Patienten mit positivem Patch-Test besaßen das Allel HLA-B*5701. Zwei weitere Patienten mit dem Allel HLA-B*5701 wiesen einen negativen Patch-Test auf. Somit werden mit dieser Allelbestimmung auch einige nicht HSR gefährdete Patienten falsch positiv erfasst(Phillips E et al. #74).

Der 2B6-Polymorphismus könnte für den Metabolismus von Efavirenz von Bedeutung sein. Das Allel tritt wahrscheinlich bei 20% der Afrikaner und 3% der Kaukasier auf. In einer südafrikanischen Studie korrelierte das 2B6 G516T-Allel mit einer Efavirenz-Konzentration von mehr als 4 mg/l. 13% der Patienten waren homozygot. Sie berichteten über schwere Schlafstörungen(Cohen K et al. #32).

Leonie Meemken · ifi-Institut für interdisziplinäre
Medizin an der Asklepios Klinik St. Georg
Lohmühlenstr. 5 · 20099 Hamburg
Email: meemken@ifi-infektiologie.de

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