MATTHIAS STOLL, WOLF-GEORG FORSSMANN, REINHOLD E. SCHMIDT, FRANK KIRCHHOFF
"From Bench to Bedside" und "from Bedside to Bench"

Die HIV-Forschung hat in den letzten 25 Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Weitere Erfolge sind jedoch nur möglich durch ein vernetztes, interdisziplinäres, gemeinsames Vorgehen von Grundlagenforschern und Klinikern sowie die Kooperation mit Forschungsverbänden und Biotechnologieunternehmen. Ein solcher Ansatz ist die Zusammenarbeit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit dem Universitätsklinikum Ulm und dem Biotech-Unternehmen VIRO Pharmaceuticals. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. Ein Arzneimittelkandidat geht in Kürze in die klinische Prüfung.

Trotz aller erzielten Erfolge ist die Nachhaltigkeit im Fortschritt zur Bekämpfung der HIV-Pandemie weiterhin fraglich. Die limitierte langfristige Wirksamkeit und Verträglichkeit der HAART bedingt eine unzureichende Adhärenz und das Auftreten und die Ausbreitung von resistenten HI-Viren. Nachlassende Erfolge in der Prävention und Rückschläge bei der Entwicklung von Impfstoffen lassen zusätzlich befürchten, dass die HIV-Pandemie auch weiterhin fortschreitet und damit auch in Zukunft eine globale Herausforderung an Politik und Wissenschaft darstellen wird.

Vor diesem Hintergrund hat die Forschergruppe des früheren, landeseigenen Niedersächsischen Institutes für Peptid-Forschung GmbH (IPF) gemeinsam mit Virologen aus Erlangen/Ulm 1995 ein innovatives Konzept entwickelt, mit dem Ziel antivirale Peptide als natürliche Wirkstoffe zu erforschen, die direkt im Organismus des Menschen gebildet werden.


Interdisziplinäre Zusammenarbeit ohne Berührungsängste als Grundlage für Erfolg. Von links nach rechts: Prof. Dr. F. Kirchhoff, Prof. Dr. R.E. Schmidt, Prof. Dr. Th. Schulz, Prof. Dr. Dr. W. G. Forssmann

VERNETZTE FORSCHUNG ALS MITTEL

Das HI-Virus hat damit auch die Forschungslandschaft verändert: Multizentrische vernetzte Forschung, Forschungsverbünde, Telematikplattformen, Datennetzwerke und Exzellenzinitiativen sind häufig gebrauchte Begrifflichkeiten, wenn es um erfolgreiche Forschungsförderung geht. Manchmal bleiben diese Begriffe aber für den Außenstehenden recht abstrakt und vermitteln den Eindruck, dass es sich um eine Ansammlung von Einzelpersonen handeln könnte, die nicht mehr persönlich, sondern nur noch über elektronische Medien global vernetzt miteinander kommunizieren.

Sowohl die innovativen technischen Möglichkeiten als auch die politische Willensbildung für die vernetzte Forschung in komplexen und sich dynamisch entwickelnden Netzwerkstrukturen dürfen hier nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich primär nur um infrastrukturelle und technische Hilfestellungen zur Kommunikation handelt, die für sich alleine nicht automatisch zur Zunahme oder Effizienzsteigerung des Kommunikationsprozesses führen. Interdisziplinäre Kommunikation in der Wissenschaft ist auf einer Sachebene Führungsaufgabe und kreativer Prozess und zugleich auf einer Gefühlsebene gegenseitiger vertrauensvoller Umgang miteinander.

VERTRAUEN IST DIE BASIS

"Nur wer sich ohnehin gut versteht, wird auch erfolgreich miteinander kooperieren". Dieser Satz gilt auch für die vernetzte Forschung. Die herausragende Bedeutung der Vertrauensebene wird im kompetitiven Konzert der Wissenschaft(ler/lerinnen) gelegentlich stark unterschätzt - oder erst dann zur Kenntnis genommen, wenn - trotz erklärten politischen Willens - die Förderung von neuen infrastrukturellen Optionen nur sehr zögerlich Früchte trägt.

Vertrauen ist nicht nur in der Wissenschaft wie eine empfindliche Pflanze, deren Wachstum vom generellen Klima, vom geeigneten Standort und von der richtigen Pflege abhängt - und nur unter optimalen Bedingungen zu einem starken Gewächs werden kann. Wissenschaftler verfolgen zudem mit ihren teilweise kurzfristigen Projekten meist langfristige Perspektiven und Visionen. Dem daraus resultierenden Bedarf nach mehr Nachhaltigkeit muss sich auch die Forschungsförderung künftig besser stellen.

Erfolgreiche wissenschaftliche Kooperationen entstehen somit auch in Zeiten neuer und niederschwelliger Möglichkeiten zur regionalen und überregionalen Vernetzung weniger aus Kontrahierungsdruck, sondern eher aus einem Patchwork von informellen Verbindungen und dezentralen Projekten. Im Idealfall erwachsen daraus auch beispielhafte und zukunftsweisende größere Projekte. Als ein möglicherweise vielversprechendes Beispiel soll an dieser Stelle die Kooperation von Grundlagen- und klinischer HIV-Forschung an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit dem Universitätsklinikum Ulm illustriert werden, auch als ein Indiz dafür, wie stark spezifische lokale und strukturelle Voraussetzungen und Besonderheiten die erfolgreiche Umsetzung von Forschungsvorhaben bestimmen können.

SCHWERPUNKTE AN DER MHH

Die MHH hat eine herausragende Stellung unter den deutschen Universitätskliniken. Für die Patienten ist sie ein stark spezialisiertes Zentrum der Supramaximalversorgung. Die besondere Struktur bildet sich auch bei Betrachtung des 2003 eingeführten bundesweiten Fallpauschalensystems (G-DRG) ab: Die Patienten der MHH haben dort den durchschnittlich höchsten Faktor für Komplexität und Komorbidität im Vergleich mit allen anderen Krankenhäusern. Als einzige eigenständige Medizinische Hochschule in Deutschland erreicht die MHH in aktuellen Rankings eine Spitzenstellung unter den universitären Einrichtungen in der wissenschaftlich-publikatorischen Aktivität (gemessen als Summe der Impact-Faktoren) und in der erfolgreichen Einwerbung von "Drittmitteln pro Professor". Im besonders kompetitiven Feld der öffentlichen Forschungsförderung sind dies: Vier Sonderforschungsbereiche (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), drei Graduiertenkollegs, zwei Europäische Graduiertenkollegs, acht (klinische) Forschergruppen der DFG, sechs Kompetenznetze des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Die inhaltlichen Schwerpunkte der MHH liegen in den Bereichen:

  • Infektions-, Immunitäts- und Entzündungsforschung
  • Transplantation und Stammzellenforschung
  • Biomedizinische Technik und Implantate
  • Public Health- und Gesundheitssystemforschung

IM FOCUS: INFEKTION UND ENTZÜNDUNG

Der Schwerpunkt zur Infektions-, Immunitäts- und Entzündungsforschung steht dabei traditionell an erster Stelle der auch innerhalb der MHH stark untereinander vernetzten wissenschaftlichen Aktivitäten. Zahlreiche an der MHH-Hannover angesiedelte Sonderforschungsbereiche und Forschergruppen fokussieren darauf. Die "Hannover Biomedical Research School (HBRS)", das MD/PhD Programm "Molekulare Medizin" und die PhD Programme "Infektionsbiologie" und "Regenerative Medizin", die infektiologischen Trainingsprogramme "Pseudomonas: Pathogenität und Biotechnologie" und "Strategien humaner Pathogene bei der Etablierung akuter und chronischer Infektionen" sowie die "Strukturierte Doktorandenausbildung" (StrucMed), und das assoziierte Qualifizierungsprogramm "Biomedizin" unterstreichen zusätzlich den infektiologischen Schwerpunkt, aber zugleich auch das Werben um qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs in diesen Feldern an der MHH.

Dabei bestehen enge Kooperationen mit einer Vielzahl anderer wissenschaftlicher Institutionen in der näheren und weiteren Umgebung, von denen hier nur einige exemplarisch genannt werden: Leibniz-Universität Hannover, Tierärztliche Hochschule Hannover, Technische Universität Braunschweig, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI, Braunschweig), Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin (BNI, Hamburg), Heinrich Pette Institut für experimentelle Virologie und Immunologie (HPI, Hamburg), Leibniz Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V./Hans-Knöll-Institut (HKI, Jena) und das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Ulm.

Außerdem ist das Kompetenzzentrum Infektiologie im Verbund der MHH-Kliniken für (a) Immunologie und Rheumatologie, (b) für Pneumologie, (c) für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie und für (d) Pädiatrische Pneumologie sowie in den Abteilungen (e) Medizinische Mikrobiologie und (f) Virologie von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie zertifiziert.

VERSORGUNG UND FORSCHUNG


Das Team der Immunologischen Ambulanz II der MHH

Die Klinik für Immunologie und Rheumatologie betreut seit der ersten Stunde der HIV-Pandemie Menschen mit HIV und AIDS sowohl im ambulanten Sektor in einer großen eigenen Sprechstunde als auch im stationären Bereich auf der eigenen Infektionsstation und hat damit eine überregionale Bedeutung in der Patientenversorgung und in der infektiologischen Weiterbildung im gesamten norddeutschen Raum. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen zellulärer und molekularer Immunologie, der Erforschung von Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie, gesundheitsökonomischer Untersuchungen zur HIV-Infektion und klinischer Studien. Darüber hinaus ist das Zentrum in zahlreiche wissenschaftliche Netzwerke integriert: EUROSIDA, INSIGHT und NEAT auf internationaler Ebene sowie das Kompetenznetzwerk HIV/AIDS des BMBF und das ClinSurv-Projekt des Robert Koch-Instituts auf nationaler Ebene. Die Mehrzahl der klinischen Studien betrifft Phase III-Studien und einen kleineren Anteil Phase II-Studien, die überwiegend multizentrisch durchgeführt werden. Die genannten Aktivitäten der Klinik für Immunologie und Rheumatologie werden an einem abteilungseigenen Studienzentrum koordiniert.

Eine zukunftsweisende weitere Verbesserung der klinisch-forscherischen Infrastruktur ergibt sich aus der erfolgreichen Einwerbung eines interdisziplinären klinischen Studienzentrums beim BMBF, in welches der Bund, das Land Niedersachsen und die MHH 40 Millionen Euro investieren werden.

KOOPERATION MIT BIOTECH-UNTERNEHMEN

Eine besondere Facette erfolgreicher und innovativer Kooperation im Bereich der HIV Forschung ist die enge Zusammenarbeit mit dem lokalen Biotechnologie-Unternehmen, der VIRO Pharmaceuticals GmbH & Co. KG. Diese Gesellschaft ist, wie eine ganze Reihe anderer ähnlicher Unternehmen, mit ihrem Sitz im Medical Park in unmittelbarer Nachbarschaft der MHH angesiedelt. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, ein Konzept voranzutreiben, das im früheren Niedersächsischen Institut für Peptid-Forschung GmbH (IPF) entstanden ist. Seit der Privatisierung und Spezialisierung als IPF Pharmaceuticals GmbH innerhalb der biotechnologisch arbeitenden Pharis-Gruppe hat IPF weiter an natürlich vorkommenden Peptiden geforscht. Besonders wurden spezifische, antimikrobielle Aktivitäten untersucht, die zur Behandlung von Infektionskrankheiten neue Ansätze bieten können. Zur Entwicklung der antiviralen Produkte wurde die Firma VIRO Pharmaceuticals GmbH & Co. KG gegründet, ebenfalls Tochterfirma der Pharis-Gruppe, die enge Kooperationen mit Forschergruppen an universitären Einrichtungen geknüpft hat. Diese Situation bietet für beide Seiten Vorteile: (1)Unterstützung der Grundlagenforschung durch Bereitstellung von Mitteln durch Kapitalgeber des forschenden Unternehmens und (2)Anwendung von verwertbaren Forschungsergebnissen zu ermöglichen, so dass der interdisziplinäre Ansatz tatsächlich zugleich sowohl "from Bench to Bedside" als auch umgekehrt "from Bedside to Bench" führt.

Dadurch sind auch traditionelle Berührungsängste zwischen öffentlich-rechtlich getragener universitärer Einrichtung und der von Kapitalgebern mitbestimmten Industrie-unterstützten Forschung abgebaut worden. Diese Abgrenzung ist zwar historisch erklärbar, aber im international zunehmend kompetitiveren Wettbewerb sowohl im Marktgeschehen als auch in Wissenschaft und Forschung eher kontraproduktiv.


Abb. 1: VIR-576 inhibiert die Verankerung von HIV auf der CD4+ T-Zelle durch Bindung an das gp41-Fusionspeptid

Ein Ausdruck dieser neuen und engeren Kooperation ist die Tatsache, dass Prof. Wolf-Georg Forssmann in Personalunion sowohl Leiter der Peptid-Forschungsgruppe innerhalb der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der MHH als auch CEO der VIRO Pharmaceuticals GmbH & Co. KG ist.

HUMANE PEPTIDE ALS POTENZIELLER FUNDUS

Aus der hier skizzierten Zusammenarbeit ist inzwischen auch ein praktisches klinisches Projekt entstanden: eine Phase I/II-Studie mit dem Peptid VIR-576, einem HIV-1 Inhibitor der Verankerung und damit des Eintritts der Viren in die Wirtszellen (Ankerinhibitor), wird an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der MHH noch im Jahr 2008 beginnen (Abb. 1). Die Idee, die zur Entwicklung des neuen HIV-Hemmstoffes führte, entstand vor über 13 Jahren. Prof. Wolf-Georg Forssmann stellte im Rahmen eines Seminars in Erlangen die Strategie vor, aus tausenden Litern


Abb. 2: Screening nach Arzneimittelkandidaten aus einer humanen Peptidbank


Abb. 3: VIRIP steht für VIRus Inhibitory Peptide

Blutfiltrat, welches bei der Hämodialyse von Patienten mit Nierenversagen anfällt, bioaktive Peptide zu isolierensiehe Forssmann et al. 1993. In einer anschließenden Diskussion mit Prof. Frank Kirchhoff entstand die Idee, diese "Peptidbanken", die etwa 300-500 Fraktionen und mehr als 1 Million unterschiedliche körpereigener Peptide enthalten, auf neue HIV-Inhibitoren zu testen (Abb. 2).

EIN NEUER ANSATZ: VIRIP

Diese Untersuchungen, die in enger Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsgruppen von Prof. Frank Kirchhoff insbesondere mit Prof. Jan Münch am Universitätsklinikum Ulm und Prof. Wolf-Georg Forssmann und seinen Mitarbeitern PD Dr. Ludger Ständker und PD Dr. Knut Adermann in Hannover durchgeführt wurden, führten zu der Entdeckung, dass ein natürlich vorkommendes 20 Aminosäurereste umfassendes Fragment des im Blut zirkulierenden Eiweißes "alpha-1-Antitrypsin" den Eintritt von HIV-1 in die Wirtszelle blockiert. Weiterhin konnten die Forscher nach Synthese von über 600 ähnlichen Peptiden zeigen, dass einige wenige Veränderungen in der Sequenz dieses Peptides, als VIRIP (VIRus-Inhibitorisches-Peptid) bezeichnet, die Wirksamkeit gegen HIV-1 um etwa das 100-fache steigern. Bei VIR-576, welches jetzt in der klinischen Phase I/II-Studie untersucht werden soll, handelt es sich um eine dieser optimierten VIRIP-Varianten (Abb. 3).

VIRIP und seine Derivate sind besonders interessant für die klinische Weiterentwicklung, weil sie das HI-Virus durch einen neuartigen Mechanismus blockieren und somit auch HIV-1 Varianten hemmen, die gegen andere Wirkstoffe resistent sind. Sie binden an eine hoch konservierte Region im viralen Hüllprotein, die als Fusionspeptid bezeichnet wird. Das Fusionspeptid dringt beim Infektionsvorgang in die Zellmembran ein und vermittelt dadurch den ersten direkten Kontakt zwischen Viruspartikel und Wirtszelle. VIRIP verhindert somit die Verankerung des Virus an der Zielzelle und blockiert dadurch die HIV-Infektion. Bemerkenswerterweise toleriert das Fusionspeptid im Vergleich zu anderen viralen Domänen kaum Veränderungen. Deswegen sollte die Entwicklung von Resistenzen gegen VIR-576 erschwert sein.

WEITERE KÖRPEREIGENE VIRUSINHIBITOREN

Die Strategie, humane Peptidbibliotheken als Quelle zur Isolierung körpereigener Virusinhibitoren zu verwenden, hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Neben VIRIPsiehe Münch et al. 2007a wurden bisher u.a. neue Chemokinagonisten, die spezifisch R5- und CXCR4-Viren hemmen, b-Defensine und Serinprotease-Inhibitoren sowie ein Verstärker der HIV-Infektion im menschlichen SpermaMünch et al. 2007b entdeckt. Weitere Virusinhibitoren auch gegen andere Viren wie Herpes-2 oder andere Virustypen werden zur Zeit von den beiden Arbeitsgruppen beforscht, u.a. auch mit den Virologen der MHH, Prof. Martin Messerle und Prof. Thomas F. Schulz, gefördert durch ein Sonderprogramm der VW-Stiftung. Dieses Programm betrifft eine Reihe von Inhibitoren und Verstärkern der HIV-Infektion, die derzeit aufgereinigt werden, und das Konzept wurde auf das Hepatitis C Virus und das Cytomegalie-Virus ausgeweitet.

WO BLEIBT DIE STAATLICHE UNTERSTÜTZUNG?

Bemerkenswerterweise gelang es den Forschern trotz dieser Ergebnisse, die bereits mit mehreren renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet wurden, bislang nicht, finanzielle Unterstützung im Rahmen von BMBF- oder EU-Förderprogrammen zu erhalten. Zwei Anträge zur Isolierung neuer HIV-Hemmstoffe aus Peptidbanken im Rahmen des Kompetenznetzes HIV/AIDS waren ebenso erfolglos, wie zwei Versuche Forschungsverbünde zu diesem Themenbereich im Rahmen von EU Förderprogrammen zu etablieren. Kürzlich scheiterte auch ein Versuch von Prof. Dr. Münch einen "ERC Starting Grant" zu erhalten, um eine neue Klasse von Hemmstoffen zu entwickeln, welche die Fusionspeptide verschiedener humanpathogener Viren, wie z.B. HIV, HCV und Influenza, blockieren. Kritisch ist anzumerken, dass keine der Ablehnungen aus wissenschaftlichen Gründen erfolgte und dass die Förderverfahren meist aufwändig, langsam und wenig transparent waren. Im internationalen Vergleich steht Deutschland bei der Förderung der AIDS-Forschung nach wie vor weit hinten. Dass die Forschung trotz dieser Schwierigkeiten einen beachtlichen Fortschritt machte, liegt vorwiegend an Privatinitiativen: Prof. Wolf-Georg Forssmann konnte über Kooperationen mit Pharmafirmen und Gewinnung von Privatinvestoren Beträge in mehrfacher Millionenhöhe einwerben, die zusätzlich vom Land Niedersachsen aufgestockt wurden. Derzeit spielt die Unterstützung durch das Niedersächsische "VW-Vorab", einer Anschubfinanzierung für innovative Ansätze, eine unverzichtbare Rolle für die Forschungsaktivität.

Die Forscher hoffen, dass diese international hoch beachteten Ergebnisse und möglicherweise eine erfolgreiche erste klinische Testung von VIR-576, dazu beitragen werden, dass auch in Deutschland und Europa mehr in diese innovative Forschung investiert wird.

Literatur

Robert Koch-Institut (RKI): HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen in Deutschland. Aktuelle epidemiologische Daten (Stand vom 1.3.2008). Halbjahresbericht II/2007. Epi-demiologisches Bulletin 2008, Sonderausgabe A2008: 1-16.

Forssmann WG, Schulz-Knappe P, Meyer M, Adermann K, Forssmann K, Hock D, Aoki A (1993) Characterization of natural posttranslationally processed peptides from human blood: A new tool in the systematic investigation of native peptides. In: Peptide Chemistry 1992, N Yanaihara, ed., pp. 553-557. Escom: Leiden.

Münch J, Ständker L, Adermann K, Schulz A, Schindler M, Chinnadurai R, Pöhlmann S, Chaipan C, Biet T, Peters T, Meyer B, Wilhelm D, Lu H, Jing W, Jiang S, Forssmann WG, Kirchhoff F (2007a). Discovery and optimization of a natural HIV-1 entry inhibitor targeting the gp41 fusion peptide. Cell 129, 263-275.

Münch J, Rücker E, Ständker L, Adermann K, Goffinet C, Schindler M, Wildum S, Chinnadurai R, Rajan D, Giménez-Gallego G, Cuevas Sanchez P, Fowler DM, Kelly JW, Röcker CH, Mothes W, Grivel JC, Margolis L, Keppler OT, Forssmann WG, Kirchhoff F (2007b). Semen-derived amyloid fibrils drastically enhance HIV infection. Cell 131:1059-1071.

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