RAMONA PAULI-VOLKERT UND JOSEF EBERLE, MÜNCHEN
Wie zuverlässig ist die Viruslast-Bestimmung?

Die Viruslast ist ein entscheidender Parameter für die Therapieindikation und zur Kontrolle des Therapieansprechens. Muss man damit rechnen, dass sich die Viruslastmessung als unzuverlässig erweist? Im vorliegenden Fall lag die Viruslast plötzlich unter der Nachweisgrenze - und zwar ohne Therapie.

DER FALL:

Die Diagnose HIV war bei dem 27jährgen Einzelhandelskaufmann im Rahmen eines Routinetests im Oktober 2007 gestellt worden. Im Jahr zuvor war der Test noch negativ ausgefallen. Beschwerden, die auf eine HIV-Infektion deuten könnten, hatte er nicht bemerkt. Die Viruslast bei der Erstdiagnose war mit 12.000 Kopien/ml niedrig und das Immunsystem mit einer CD4-Zahl von 700/µl bei 22% nicht stark beeinträchtigt. Die Resistenztestung ergab keinen Hinweis auf Resistenzmutationen. Das Virus gehört dem hier sehr verbreiteten Subtyp B an. Es bestanden keine Begleiterkrankungen und keine Koinfektionen. Der Patient war asymptomatisch und er wurde zu regelmäßigen Kontrollen einbestellt, die alle eine weiterhin niedrige Viruslast (zuletzt 6.500 Kopien/ml) und einen ausreichenden Immunstatus zeigten.

SPONTANER ABFALL DER VIRUSLAST?

Im Oktober wechselte der Patient den Arbeitsplatz und zog nach München. Bei der ersten Vorstellung waren außer einer depressiven Verstimmung keine Auffälligkeiten festzustellen. Die körperliche Untersuchung blieb ohne Befund. Am 20. Oktober 2008 wurden die Blutwerte kontrolliert und erfreulicherweise lag die Viruslast ohne antivirale Therapie unter der Nachweisgrenze (<40 Kopien/ml). Die CD4-Zellen betrugen 499/µl bei 19% und alle anderen Laborparameter waren im Normbereich.

VERSCHIEDENE VERFAHREN - UNTERSCHIEDLICHE ERGEBNISSE?

Test ergebnis

Ende Oktober wurde im Rahmen des HIV-Workshops der Münchner Medizinischen Poliklinik über ähnliche Fälle berichtet, die in einer Kooperation zwischen dem Landeskrankenhaus Salzburg und dem Virologischen Institut der LMU (Max von Pettenkofer-Institut) in München eingehend untersucht worden waren. In dieser Studie sind acht von 170 Patienten aufgefallen, bei denen die Viren mit einem Testverfahren entweder gar nicht oder deutlich zu niedrig gemessen worden waren.

Daraufhin wurde das Blut unseres Patienten an das Pettenkofer-Institut zur weiteren Analyse geschickt. Die Viruslast, gemessen mit dem m2000rt Verfahren (Fa. Abbott) lag diesmal wieder bei 4.900 Kopien/ml.

Durch den Umzug des Patienten und den Arztwechsel war die Viruslast erstmals in einem Münchner Privatlabor untersucht worden, während die vorherigen Untersuchungen alle am Virologischen Institut der Universität Erlangen durchgeführt worden waren. In Erlangen wurde für die Viruslastmessung stets der branched-DNA-Assay (Fa. Siemens) benutzt. Für die Viruslastmessung im Münchner Privatlabor wurde der Cobas TaqMan eingesetzt.

UNTERQUANTIFIZIERUNG BEIM COBAS TaqMan?

Datum Viruslast (Kopien/ml)
18.10.2007 12.000
31.10.2007 5.400
19.12.2007 14.000
11.6.2008 6.500
20.10.2008 <40

Die unterschiedlichen kommerziellen Viruslasttests, Cobas TaqMan, Cobas Amplicor (auch Fa. Roche), der bDNA-Assay und der m2000rt liefern im Wesentlichen gut vergleichbare Werte, so dass auf eine Umrechnung bei einem Methodenwechsel verzichtet werden kann. Allerdings ist bei der hohen Variabilität von HIV in extremen Einzelfällen mit einer Fehlbestimmung oder sogar einem Ausfall eines Verfahrens zu rechnen. Diese Testausreißer betreffen jedoch meistens nur ein Testverfahren, weil die verschiedenen Hersteller unterschiedliche Genombereiche von HIV als Zielsequenz nutzen. Bei der Ursachensuche für die Fehlbestimmungen mit dem Cobas TaqMan in Salzburg konnte neben anderen Fehlerquellen eine auffällige Mutation im Bereich des 3'-Primers dingfest gemacht werden.

Diese Mutation fanden wir auch bei unserem fehlbestimmten Patienten (s. Bild). Aufgrund eines Vergleichs mit der HIV-Gendatenbank sind entsprechende Fehlbestimmungen bei 1-2% aller HIV-Patienten zu erwarten, so dass mittlerweile die Herstellerfirma mit Nachdruck an einer Behebung dieses Fehlers arbeitet.

Quellen: Taylor N et al: Underquantification and lack of detection of HIV-1 RNA by Cobas TaqMan? XIX Österreichischer AIDS-Kongress 2008.

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