HIV-POSITIVE FLÜCHTLINGE
Gemeinsam Eintreten für ein Bleiberecht für HIV-positive Flüchtlinge und eine bessere Versorgung

Anlässlich des internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember 2008 hat die Deutsche AIDS-Hilfe eine Postkartenkampagne an Bundesinnenminister Schäuble gestartet, um auf die schwierigen Lebensbedingungen von Flüchtlingen mit HIV und anderen chronischen Erkrankungen aufmerksam zu machen und ein Bleiberecht für diese zu fordern. In Kooperation mit HIV-positiven Migrantinnen und Migranten, der bundesweiten Arbeitsgruppe "Aids und Migration/Aids&Mobility" und dem Verein "Positive Aktion - MigrantInnen gegen AIDS" wurde diese Aktion entwickelt und umgesetzt.

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Die Postkarten sind kostenlos zu beziehen bei der Deutschen AIDS-Hilfe: versand@dah. aidshilfe.de oder per Fax 0 30 / 69008742 – ein formloses Schreiben mit der gewünschten Anzahl genügt!

Unter dem Slogan "Die Gesundheit HIV-positiver Flüchtlinge ist in Deutschland durch eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Wohnraum und Sozialleistungen bedroht - und häufig auch durch ständige Angst vor Abschiebung" werden auf vier Postkartenmotiven diese Schwerpunkte illustriert. Die Postkarten sind verbunden mit den Forderungen für:

  • uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, Wohnraum und Sozialleistungen für alle Menschen mit HIV und Aids in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft
  • ein Bleiberecht für Flüchtlinge mit HIV und anderen schwerwiegenden chronischen Erkrankungen

Ziel der Postkartenaktion ist es, auf die verheerende Situation von Migrantinnen und Migranten unter dem Asylbewerberleistungsgesetz aufmerksam zu machen und den Anspruch auf einen Zugang zu Prävention und Versorgung für alle zu fordern. Das Menschenrecht auf Gesundheit wird in Deutschland bisher wenig thematisiert - mit dem Start der Aktion am 60. Jahrestag der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte gilt es daher auch, ein Zeichen für Gesundheit als ein elementares Menschenrecht für alle zu setzen.

Postkarte

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ZUR AKTUELLEN SITUATION VON HIV-POSITIVEN FLÜCHTLINGEN IN DEUTSCHLAND1

In der Beratungspraxis von Aidshilfen stellt die schwierige Versorgungssituation von HIV-positiven Migrantinnen und Migranten nach wie vor einen Arbeitsschwerpunkt dar. Im Vordergrund stehen drei Themenfelder, die nur gemeinsam in Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft in Klinik und Praxis und mit Anwältinnen und Anwälten bearbeitet werden können: die Anerkennung von HIV als Abschiebehindernis, die Integration von Flüchtlingen und die Versorgung von Menschen ohne Papiere.

1. Anerkennung von HIV und Aids als Abschiebungshindernis

Aufgrund der mangelhaften Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten haben in den vergangenen Jahren HIV-positive Migrantinnen und Migranten zum Beispiel aus zahlreichen Ländern Subsahara-Afrikas bei Behandlungsbedürftigkeit der HIV-Infektion zumindest eine Duldung nach § 60,7 wegen eines zielstaatenbezogenen Abschiebehindernisses erhalten. In der gegenwärtigen Rechtspraxis werden jedoch immer häufiger auch Menschen mit einer behandlungsbedürftigen HIV-Infektion abgeschoben mit der Begründung der zunehmenden Verfügbarkeit von antiretroviralen Medikamenten in den Herkunftsländern. Höchst bedenklich ist dabei, dass zur Begutachtung der individuellen Situation eines Flüchtlings nur die Auskünfte der Botschaft im Heimatland akzeptiert werden. Weder Gutachten von großen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen noch Stellungnahmen von NGOs vor Ort finden Berücksichtigung.

Daher fordert die Deutsche AIDS-Hilfe gemeinsam mit Anwältinnen und Anwälten und Vertretern von ProAsyl:

  • Die Stellungnahmen von NGOs müssen systematisch und selbstverständlich in die Rechtssprechung einbezogen werden, wie es im nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der HIV/Aids-Bekämpfungsstrategie2 als Möglichkeit eingeräumt wird.
  • Individuelle Fallprüfungen müssen systematisch durchgeführt werden. Dabei ist von realistischen Lebensbedingungen der konkreten Person und ihrer Familie im Herkunftsland auszugehen und die lokale Situation zu berücksichtigen. Wie in einem Urteil im März 2007 (Bayern)3 festgehalten wurde, müssen folgende Punkte für eine Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten erfüllt sein, um eine Abschiebung zu rechtfertigen:
    1. Verfügbarkeit von ART und Labortests etc. zum Therapiemonitoring,
    2. Erreichbarkeit der entsprechenden Behandlungszentren,
    3. Bezahlbarkeit der Leistungen und
    4. persönliche soziale und finanzielle Situation der betroffenen Person inklusive deren Familie (zu erwartende Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit, Erwerbstätigkeit der Familienmitglieder, Wohnsituation etc.).
  • Die unmenschliche Praxis der Mitgabe von antiretroviralen Medikamenten für einen begrenzten Zeitraum zur Versorgung im Herkunftsland muss beendet werden:

Es widerspricht ethischen Grundsätzen, Menschen für drei Monate eine Behandlung zu ermöglichen, ohne zu wissen, ob sie im Anschluss weiterbehandelt werden können.

2. Bleiberecht für Migrantinnen und Migranten mit HIV und Aids: Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25,3 und Förderung der Integration

Nach wie vor wird in der Rechtssprechung selbst bei Erteilung einer Duldung davon ausgegangen, dass sich die medizinische Versorgungssituation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge so weit verbessern wird, dass diese in absehbarer Zeit zurückkehren können. Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, so ist unter großen Anstrengungen von UNAIDS, Global Fund und vielen internationalen Hilfsorganisationen eine Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten in zahlreichen Ländern ermöglicht worden. Damit können jedoch nach wie vor nur ein Drittel aller Behandlungsbedürftigen versorgt werden. Gleichzeitig schreitet leider auch die epidemiologische Entwicklung voran: Auf zwei neu mit ART versorgte Menschen kommen fünf Neuinfektionen mit HIV4 - aufgrund dieses Verhältnisses ist eine flächendeckende Versorgung in den nächsten Jahren unmöglich .

Die Rechtsprechung beruht also auf völlig unrealistischen Annahmen über die Entwicklung der Versorgungsmöglichkeiten in den Herkunftsländern. Die Erteilung von Duldungen stellt eine unsichere Aufenthaltssituation dar und verunsichert Menschen in einer durch Krankheit und das Leben in einem anderen Land schon sehr schwierigen Lebenssituation zusätzlich. Gleichzeitig verhindert die Praxis die Integration von Menschen, die bereit und in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen und sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Zudem ist die medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf Dauer von Jahren nicht ausreichend.

Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert daher gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Indikationsgebiete:

  • Menschen, die medizinische Behandlung benötigen, müssen diese in Deutschland dauerhaft gewährt bekommen und die Integration der Menschen darf nicht behindert werden - dazu gehört die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen und Zugang zum Arbeitsmarkt.
  • Gesundheitsschädigende Lebensbedingungen wie z.B. die Ungewissheit der Aufenthaltssituation, die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und die Ernährung mit Lebensmittelpaketen müssen verändert werden.

3. Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltstatus und ohne Krankenversicherung

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Die Postkarten sind kostenlos zu beziehen bei der Deutschen AIDS-Hilfe: versand@dah. aidshilfe.de oder per Fax 0 30 / 69008742 – ein formloses Schreiben mit der gewünschten Anzahl genügt!

Die Bundesarbeitsgruppe Gesundheit /Illegalität hat in den Jahren 2006 und 2007 unter dem Dach des Deutschen Instituts für Menschenrechte eine umfassende Bestandsaufnahme zur Situation von Menschen ohne Papiere erstellt.5 Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss, dass die gesetzliche Regelung, nach der Menschen ohne Papiere unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen und entsprechend in Fällen von akuter Behandlungsbedürftigkeit versorgt werden, nicht ausreichend ist. Menschen ohne Papiere nehmen diese garantierte Versorgung häufig nicht in Anspruch, da durch die behördliche Übermittlungspflicht nach § 87 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz für sie die Inanspruchnahme von Versorgung eine Aufdeckung ihres Status zur Folge hätte.

Nach wie vor besonders schwierig stellt sich die Situation für Menschen mit HIV und Aids dar, die ohne Papiere und ohne Krankenversicherung in Deutschland leben. Die geschaffenen Projekte wie z.B. von der Malteser Migranten Medizin, den Medizinischen Flüchtlingsbüros, OpenMed von Ärzte der Welt usw. können im Fall von chronischen Krankheiten, die dauerhaft behandlungsbedürftig sind, keine Lösung anbieten.

Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert daher mit Ärztinnen und Ärzten und Menschenrechtsorganisationen:

  • Der Zugang zu Prävention und Versorgung muss für alle gewährleistet werden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Aufenthalts- und ihrem Versicherungsstatus.
  • Gesundheit ist ein Menschenrecht und muss für alle, die in diesem Land leben, erreichbar sein.
  • Flächendeckende Strukturen sind notwendig, um die Versorgung sicherzustellen. Diese kann mittel- und langfristig nicht durch ehrenamtliche Arbeit und Spenden getragen werden.
  • Der öffentliche Gesundheitsdienst ist zuständig für die Versorgung aller Menschen und als niedrigschwelliges Angebot zugänglich für alle - er muss entsprechend ausgestattet werden, um diese Aufgabe erfüllen zu können.

Die Gründung einer bundesweiten Arbeitsgruppe zur Versorgung von Menschen mit HIV und Aids könnte der erste Schritt sein für eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit mit dem Ziel, die Versorgung langfristig sicher zu stellen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe freut sich über Rückmeldungen und Interesse an Zusammenarbeit!

Literatur

1. Siehe auch Asylmagazin 12/2008: HIV und Aids als Abschiebehindernis in Beratung und Praxis, Silke Klumb und Antje Sanogo. Berlin.

2. Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bundesministerium für Bildung und Forschung (2007). Aktionsplan zur Umsetzung der HIV/AIDS-Bekämpfungsstrategie der Bundesregierung. Bonn/Berlin.

3. http://www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/9952.pdf

4. UNAIDS (2008): Report on the global AIDS epidemic 2008.

5. Deutsches Institut für Menschenrechte (2007): Frauen, Männer und Kinder ohne Papiere in Deutschland - Ihr Recht auf Gesundheit. Bericht der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit / Illegalität. Berlin.

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