Interview mit Dr. Ulrich Marcus, Robert Koch-Institut Berlin
Schweinegrippe in Deutschland

Am 24. April hat die WHO die zweithöchste Pandemie-Alarmstufe erklärt. 257 Infektionen mit dem Grippevirus H1N1 in 11 Ländern waren gemeldet. Diese Zahl ist deutlich im Steigen begriffen. Ende Mai waren es schon mehr als 12.536 Erkrankte in 47 Ländern. 91 Menschen sind an der Schweinegrippe gestorben. Der neuartige Erreger breitet sich rasch aus, ein tödlicher Verlauf ist jedoch eher selten.

ALT ATTRIBUTEWie viele Erkrankte gibt es in Deutschland?

Dr. Marcus: In Deutschland haben wir aktuell 17 bestätigte Fälle und immer wieder Verdachtsfälle, die abgeklärt werden müssen.

Wie unterscheidet sich die Schweinegrippe und saisonale Influenza klinisch?

Dr. Marcus: Das kann man noch nicht abschließend beurteilen. Es sieht aber so aus, dass die H1N1-Influenza eher mild verläuft. Klinisch gibt es keine Unterschiede, lediglich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind häufiger betroffen.

Sind HIV-Infizierte besonders gefährdet?

Dr. Marcus: Unter den Erkrankten in Deutschland sind keine HIV-Infizierten. Möglicherweise sind in den USA und Mexiko auch HIV-Infizierte betroffen, aber es gibt keine Berichte über einen anderen Verlauf als bei Nicht-HIV-Positiven. Die amerikanische CDC weist jedoch darauf hin, dass erfahrungsgemäß die saisonale Influenza bei HIV komplikationsreicher verlaufen kann (http://www.cdc.gov/h1n1flu/guidance_HIV.htm). Das ist möglicherweise bei einer H1N1-Infektion auch so, aber wie gesagt, wir wissen es nicht.

Wann sollte man Neuraminidasehemmer einsetzen?

Dr. Marcus: Für Personen die an neuer Influenza (A/H1N1) erkrankt sind, sollte eine Therapie mit antiviralen Arzneimitteln für 5 Tage vom behandelnden Arzt in Erwägung gezogen werden. Am sinnvollsten ist die frühe Gabe, d.h. innerhalb von 36 Stunden, aber auch der spätere Einsatz kann bei schwerer Erkrankung möglicherweise Komplikationen verhindern. Die prophylaktische Gabe ist nur bei engen Kontaktpersonen von bestätigten Fällen indiziert.

Ulla Schmidt hat ja Meldungen der Presse zufolge für Deutschland gleich für 90 Millionen Euro Neuraminidasehemmer eingekauft. Wie schätzen Sie die weitere Ausbreitung der Seuche ein?

Dr. Marcus: Das ist im Moment schwer vorauszusagen. In Deutschland haben wir derzeit nur importierte Fälle und Erkrankungen bei engen Kontaktpersonen, d.h. keine autochtone Übertragung. Anders in den USA und in Mexiko. Wir müssen damit rechnen, dass weitere „Fälle importiert“ werden und es möglicherweise auch in Deutschland zur autochtonen Ausbreitung kommt. Dann haben wir in den nächsten Wochen/Monaten eine nicht-saisonale Grippewelle. Es kann aber auch passieren, dass wir im Rahmen der nächsten Influenza-Saison eine neue Variante des Erregers sehen.

Was muss passieren, damit die WHO die höchste Warnstufe ausruft? 

Dr. Marcus: Die WHO-Warnstufen sind spezifisch für Influenza-Pandemien und es zählt allein die geographische Ausbreitung, nicht die Pathogenität des Erregers. Die nächste Stufe wird nach derzeitiger Definition ausgerufen, wenn es außerhalb von Nordamerika zur autochtonen Ausbreitung kommt. Die Ausbreitung der Influenza werden wir nicht ganz verhindern können, wir können aber den Zeitpunk verschieben.

Ausgabe 2 - 2009Back

Meldungen

  • MPOX

    01. Juli 2025: Warum wir 2025 noch über Mpox sprechen müssen weiter

  • Poliomyelitis

    03. Juli 2025: Wieder Impfviren im Abwasser weiter

  • Influenza

    02. Juli 2025: Subkutaner Neuramidase-Hemmer statt Influenza-Impfung? weiter

  • Impfstoffe

    02. Juli 2025: Vermindert Adjuvans in RSV- und Zoster-Impfung Demenzrisiko? weiter

  • Deutsche Leberstiftung

    02. Juli 2025: Preis für hepatologische Publikation vergeben weiter

  • Newletter online

    Jeden Monat akutelle Informationen rund ums Thema HIV und sexuell übertragbare Erkrankungen.

    Für Ärzt_innen, Menschen mit HIV und alle Interessierten.

    Anmeldung hier

  • Ambulant erworbene Pneumonie

    01. Juli 2025: 1 oder 2 g/d Ceftriaxon? weiter

  • HIV

    01. Juli 2025: Statine zur KHK-Primärprävention empfohlen weiter

  • HIV-Heilung

    30. Juni 2025: mRNA gezielt in ruhende CD4-Zellen eingeschleust weiter

  • Lepra

    29. Juni 2025: Seltene Form in Amerikas vor 4000 Jahren weiter

  • HIV-Infektion

    27. Juni 2025: Jahresbericht 2024 vom RKI weiter

  • Tuberkulose

    27. Juni 2025: Kleines Handgerät zur TB-Diagnostik weiter

  • Lenacapavir

    19. Juni 2025: Zulassung in den USA: Yeztugo® zur PrEP weiter

  • PrEP

    19. Juni 2025: HIV-PCR als Routinetest nicht sinnvoll weiter

  • Hepatitis A

    18. Juni 2025: Ausbrüche in mehreren europäischen Ländern weiter

  • Neue Erreger

    18. Juni 2025: In China wurden bei Fledermäusen mehrere neue bisher unbekannte Erreger entdeckt. weiter

Ältere Meldungen weiter

Diese Website bietet aktuelle Informationen zu HIV/Aids sowie zur HIV/HCV-Koinfektion. Im Mittelpunkt stehen HIV-Test, Symptome und Auswirkungen der HIV-Infektion, Behandlung der HIV-Infektion, HIV-Medikamente mit Nebenwirkungen und Komplikationen, Aids, Hepatitis B und C. Ein Verzeichnis der Ärzte mit Schwerpunkt HIV ergänzt das Angebot.