ICAAC Logo49 th ICAAC 2009, San Francisco 12.-15. September 2009
HIV, Influenza und vieles mehr…

Auf dem diesjährigen ICAAC (Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy), dem größten amerikanischen Infektiologie-Kongress, kamen erneut alle Bereiche in diesem Fachgebiet zur Sprache. Mit Spannung erwartet wurde der australische Bericht zur Neuen Influenza, denn im dortigen Winter trafen die Saisonale und die Neue Influenza erstmals zusammen. Im Bereich HIV gab es gute Übersichtsvorträge, aber nur wenige wissenschaftliche Highlights. Interessant war die Diskussion der verschiedenen Präventionsstrategien, die nach dem Regierungswechsel in den USA endlich wieder sehr offen geführt wurde.

Literature Review
Bilder: S. Scholten

Es ist doch erstaunlich, dass immer, wenn man denkt, in einer ganz wichtigen, geradezu bahnbrechenden Session gewesen zu sein, man jemanden trifft, der einen fragt: „Hast Du das gerade über die Tuberkulose gehört – super Vortrag!“. Die Vielzahl der Parallelvorträge und Veranstaltungen, sind bei diesem wirklich großen Kongress schon beeindruckend und so kann man nur eher schlaglichtartig versuchen, einen ganz persönlichen Eindruck dessen, was herausstach, wiederzugeben.

Wichtige Publikationen 2009

Gleich in vier Sälen wurde die „Literature Review 2009“ übertragen, in dem die wichtigsten Veröffentlichungen des letzten Jahres von vier Referenten in einem Parforceritt zusammengefasst vorgetragen wurden. Zu diesen Publikationen gehörte unter anderem die Veröffentlichung von Kitahata et al. aus dem New England Journal of Medicine im April 2009. In dieser Arbeit hatte die Initiierung der antiretroviralen Therapie vor dem Abfallen der CD4-Zellen unter 500/µl gegenüber einer aufgeschobenen Therapie einen signifikanten Überlebensvorteil in den folgenden 10 Jahren. Eine weitere Arbeit kam aus Deutschland. G. Hutter et al. beschrieben im New England Journal im Februar 2009 die „Heilung“ eines Patienten mit CCR5 Delta32/Delta32 Stammzelltransplantation. Auffällig war hier, dass trotz 2% CXCR4-troper Viren vor der Transplantation und vereinzelten nicht Delta32depletierten CCR5-Zellen im Darm HIV nach der Transplantation komplett supprimiert blieb.

„Test and Treat“ auf dem Vormarsch 

Moscone-Kongresszentrum

Moscone-Kongresszentrum

In den HIV-Sessions zur Prävention wurde deutlich, dass es zunehmend schwerer wird, der „opt out“ HIV-Testung und dem deutlich früheren Beginn der antiretroviralen Therapie (wie sie in den USA nun in der Mehrheit der Bundesstaaten durchgeführt wird) argumentativ zu begegnen. TNT („Test and Treat“ = Testung auf freiwilliger Basis, jedoch ohne schriftliches Einverständnis und ohne Beratung) sowie ein deutlich früherer, regelhafter Beginn der ART wurden in „Expanding HIV Testing“ von Bernard M. Branson vom Center of Disease Controll (CDC) in Atlanta als aktuelle Strategie in den USA vorgestellt. Dabei kam es von seiner Seite zu unverhohlener Kritik an den Bundesstaaten, die sich dieser Devise noch nicht angeschlossen hatten, dies noch hinterfragten und die gesetzlichen Regelungen für eine HIV-Testung ohne schriftliches Einverständnis bisher noch nicht umgesetzt hatten. So verwunderte es auch kaum mehr, dass in einer interaktiven Session mit Fallvorstellungen Kollegen aus europäischen Ländern, die Ähnliches in der Diskussion hinterfragten, eher spöttisch, oder wie ein ungarischer Kollege, gar nicht zur Kenntnis genommen wurden. Eine Lanze für TNT brach in ihrem sehr bewegenden Vortrag „Challenges in Treating the Adolescent Patient“ Donna Futterman vom Montefiore Medical Center in der New Yorker Bronx. Im Rahmen einer stadtteilweiten „Awareness-Kampagne“ (www.adolescentaids.org) und mit den Prinzipien von TNT soll in einer problematischen urbanen Gegend der Erkrankung und der daraus vielfach folgenden Verelendung begegnet werden. PrEP, Dapivirin-Vaginalringe und PEP sowie das „Swiss-Statement“ wurden von Myron Cohen, Chapel Hill, diskutiert und kritisch hinterfragt. In diesem Zusammenhang war es für den Europäer interessant zu hören, wie seit dem Regierungswechsel in den USA neue Präventionsstrategien erstmals wieder offen besprochen und geplant werden können.  

Studien in aller Kürze

Raltegravir QD und BID in Pilotstudie vergleichbar

In diesem nicht-randomisierten Vergleich führte die Umstellung von RAL BID auf OD bei Patienten (n=125) mit komplett supprimierter Viruslast innerhalb von 15 Monaten nicht häufiger zum virologischen Versagen. Die Verträglichkeit war gut (Mena A et al. #H-920).

Keine Dosisanpassung bei Darunavir/r plus Buprenorphin/Naloxon

Eine pharmakologische Studie ergab keine klinisch relevanten Interaktionen von Darunavir/r 600 mg/100 mg BID und BUP/NLX. Die norBUP-Spiegel waren allerdings erhöht, d.h. man sollte auf mögliche Nebenwirkungen unter der Therapie sowie beim Absetzen von DRV/r auf Entzugserscheinungen achten (Sekar V et al. #H-232).

HCV-Abfall nach 24 Stunden als Prädiktor für SVR

Bei HIV/HCV-Infizierten erwies sich der Abfall der HVC-RNA in einer sehr kleinen argentinischen Studie (n=20) als guter Prädiktor für eine SVR. Der negative prädiktive Wert bei einem Abfall von <0,9 log IU/ml lag bei 100%, der positive prädiktive Wert bei einem stärkeren Abfall bei 83% (Laufer N et al. #H-213).

VICTOR-E1: Vicriviroc über 96 Wochen

An der offenen Verlängerung dieser Studie nahmen 85/86 Patienten teil, die die ersten doppelblinden 48 Wochen absolviert hatten. Die Wirksamkeit des CCR5-Antagonist erwies sich dabei als konstant. Nur zwei Patienten entwickelten eine Resistenz. Hinsichtlich der Verträglichkeit und Sicherheit gab es keine Auffälligkeiten (McCarthy MC et al. #H-923; Zingman B, #39LB).

Tuberkulöse Meningitis

Der gleichzeitige Beginn einer HAART mit der TB-Therapie zeigt bei tuberkulöser Meningitis keinen günstigen Effekt. Im Gegenteil, die frühzeitige HAART verbessert die Überlebenschancen nicht, sondern führt lediglich vermehrt zu schweren Nebenwirkungen. In der vietnamesischen Studie kam es insbesondere häufiger zur neurologischen Verschlechterung und Hepatitis (Torok ME et al. #H-1224).

Maraviroc bremst Immunaktivierung schneller

Unter Maraviroc wurde in früheren Studien ein stärkerer Anstieg der CD4-Zellen bei vergleichbarer virologischer Wirksamkeit beobachtet. Möglicherweise geht dies auf einen rascheren Rückgang der HIV-assoziierten Immunaktivierung unter Maraviroc zurück. Das ergab die Analyse der Entzündungsparameter bei jeweils 30 Patienten unter Maraviroc und Efavirenz in der MERIT-Studie (Funderburg N et al. #H-1582).

HHV8-assoziierte Erkrankungen

In einem Vortrag in der Session „Which Virus for Which Disease?“ wurde über HHV8-assoziierte Erkrankungen und Malignome, das Castleman-Syndrom, das primäre Effusionslymphom und das Kaposi-Sarkom berichtet. Neben der Notwendigkeit der Splenektomie zur Diagnosesicherung bei MCD (Multizentrisches Castleman Syndrom) und PEL (primäres Effusions Lymphom) wurden der Gebrauch von Rituximab in der Therapie und die hohe Wirksamkeit von Etoposid diskutiert. Auch die Bedeutung der ART wurde betont, aber gleichzeitig das assoziierte Risiko des Immunrekonstitutionssyndroms (IRIS) erwähnt (Eric Oksenhendler, Paris).

Analkarzinom-Screening empfohlen

In einem sehr interessanten und differenzierten Vortrag von Alexandra M. Levine, City of Hope, Duarte, wurde das Analkarzinom als HPV-assoziierte Tumorentität beleuchtet und von der deutlich steigenden Inzidenz dieser Erkrankung berichtet. Jährliche PAP-Abstriche und bei Auffälligkeiten eine regelmäßige Anoskopie mit Anätzung der Analschleimhaut mit Essigsäure und Gegenfärbung mit Lugol’scher Lösung wurden empfohlen, um die Übergangszone identifizieren zu können, die vor allem hinsichtlich der Entwicklung von AIN gefährdet sei. Hier wurde auch auf die steigende Inzidenz des HPV-assoziierten oropharyngealen Karzinoms bei HIV-Patienten eingegangen, welches jedoch eine deutlich bessere Prognose als das nikotininduzierte habe.

Neue Influenza: Erfahrungen aus Australien

Mit Spannung wurde der Vortrag von Dominic Dwyer, Sydney, zum Verlauf der Pandemischen Influenza in Australien erwartet. In Australien hat sich im dortigen Winter das H1N1/9-Virus deutlich schneller und mit einer größeren Bevölkerungsdurchseuchung ausgebreitet als die saisonale Grippe. Der Verlauf der Infektion sei im Mittel protrahierter und mit erheblich mehr gastrointestinalen Beschwerden wie Durchfall vergesellschaftet, erklärte Dwyer. Der Verlauf sei aber nicht so schwer wie bei saisonaler Grippe und es habe auch nicht so viele Todesfälle gegeben. Bei 35.963 nachgewiesenen Fällen sei es lediglich zu 4.600 Krankenhausaufnahmen  und 169 Todesfällen gekommen. Die Mehrheit der Infizierten sei jung gewesen (im Mittel 21 Jahre), gestorben seien aber vor allem Patienten höheren Alters (mittleres Alter der Verstorbenen ca. 53 Jahre). Die schweren, intensivpflichtigen Komplikationen waren in erster Linie Pneumonien, wobei in einem Verhältnis von 5:1 virale zu bakteriellen Pneumonien vorherrschten. Da es bei der saisonalen Influenza zunehmend zu Oseltamivir-Resistenzen mit der H275Y-Mutation komme, wurde zur Differenzierung der Influenzasubtypen zur Identifikation der Neuen Influenza geraten, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Resistenzbildungen bei der pandemischen Grippe beobachtet worden waren. Der Gipfel der Neuerkrankungen in Australien ist nach Worten von Dwyer derzeit bereits deutlich überschritten, wobei die Gesamtzahl der Grippefälle in diesem Jahr 10x höher war als in den Vorjahren. Zeitgleich sei auch im Vergleich zu den früheren Jahren eine deutliche Zunahme der „Influenzalike Infections“ und eine Zunahme pulmonaler Erkrankungen durch RSV registriert worden.

Eine Vielzahl weiterer Vorträge und Poster sind es wert, hier auf- und genauer ausgeführt zu werden, doch dies würde den Rahmen sprengen. Alle Abstracts und digitalen Aufnahmen der Konferenz finden sie unter www.icaac.org.

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