Anke Reitter, Frankfurt
Zervikale Dysplasien und Zervixkarzinom bei HIV

Das Zervixkarzinom gehört zu den AIDS-definierenden Erkrankungen. In über 90% sind kanzerogene humanen Papillomaviren (high risk HPV) beteiligt. Vorstufen des Zervixkarzinoms sind zervikale intraepitheliale Dysplasien/Neoplasien (CIN). HIV-positive Frauen erkranken neunmal häufiger am Zervixkarzinom als HIV-negative Frauen.

Das Zervixkarzinom ist in über 80% ein Plattenepithelkarzinom. Die höchste Erkrankungsrate liegt zwischen dem 40. und 59. Lebensjahr. High Risk HPV sind in über 98% ursächlich für die Entstehung des Zervixkarzinoms verantwortlich (Typ 16, 18, aber auch 31, 33, 35, 58 etc., Abb. 3 und 4 Seite 43). Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, genitale Infektionen, Langzeiteinnahme von oralen Kontrazeptiva und Immunsuppression.

Die „harmloseren“ low-risk HPV (Typ 6,11, 42, 43 und 44) führen zu Feigwarzen an Händen und Füßen und Genitalwarzen.

Abb. 1: Kahn J. N Eng J Med 2009; 361:271-278. HPV Lebenszyklus im Plattenepithel
Abb. 1: Kahn J. N Eng J Med 2009; 361:271-278. HPV Lebenszyklus im Plattenepithel

Abb. 2: Genese des Zervixkarzinoms
Abb. 2: Genese des Zervixkarzinoms

HPV sind als kanzeroge Viren neben den zervikalen Erkrankungen auch für vaginale, vulväre und anale Dysplasien und Karzinome verantwortlich. Hier ist die Inspektion der betroffenen Areale wichtig, bei auffälligen Arealen sollte eine Gewebsprobe entnommen werden, die zur Diagnosesicherung führen.

Die Durchseuchung mit HPV ist in der erwachsenen Population hoch, sie wird bei jungen Frauen 5 Jahre nach Beginn des Geschlechtsverkehrs mit 60% angegeben. Eine Infektion mit HPV scheint keine lebenslange Immunität hervorzurufen, daher ist eine Impfung generell zu erwägen (Abb. 1 und 2).

Vorsorgeuntersuchung

Tab. 1: Erkrankungsfälle am Zervixkarzinom in Deutschland (RKI, 7. Ausgabe, Stand 2010)
Tab. 1: Erkrankungsfälle am Zervixkarzinom in Deutschland (RKI, 7. Ausgabe, Stand 2010)

Aufgrund eines funktionierenden Früherkennungssystems mittels zytologischer Abstriche (gesetzlich empfohlene Vorsorgeuntersuchung) nahm bis 1990 die Erkrankungsrate stetig ab, seither stagniert sie. Die Inzidenz liegt bei 13,3/100.000 (Tab. 1 und Abb. 3).

Bis zu 75% aller sexuell aktiven Menschen in der Bevölkerung infizieren sich mit HPV, 70-95% heilen ohne Folgen aus. Bei den übrigen kann die Viruspersistenz zu Dysplasien im Genitalbereich führen, Dysplasien bilden sich auch zurück. Bei HIV-negativen Frauen ist der Progress von Vorstufen (Dysplasien) zum invasiven Karzinom  langsam (10 Jahre und mehr).

Abb. 3: Erkrankungsrate am Zervixkarzinom (RKI 7. Ausgabe, 2010)
Abb. 3: Erkrankungsrate am Zervixkarzinom (RKI 7. Ausgabe, 2010)

HIV-positive Frauen erkranken häufiger an den  Vorstufen und neunmal häufiger an einem Zervixkarzinom als HIV-negative Frauen.

Bei HIV-positiven Frauen ist der Erkrankungsverlauf verändert, je nach Immunstatus kann die Erkrankung schneller fortschreiten und es kommt häufiger zu Rezidiven. Der günstige Effekt einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) auf viele AIDS-definierende Karzinome konnte beim Zervixkarzinom bisher nicht eindeutig bestätigt werden, es scheinen hier auch lokale Mechanismen eine große Rolle zu spielen. Die Bedeutung der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung bei  HIV-positiven Frauen ist groß.

Grund für die hohe Prävalenz von malignen Veränderungen der Zervix ist u.a. die höhere Prävalenz onkogener HPV-Subtypen sowie die erhöhte HP-Viruslast (insbesondere HPV-16) bei Frauen mit fortgeschrittener HIV-Infektion. Die zervikale Dysplasie korreliert dabei klar mit einem fortgeschrittenen Immundefekt und einer hohen Viruslast. Die Korrelation von Zervixkarzinom und Immunstatus ist dagegen weniger klar. Zum einen ist der Unterschied in der Inzidenz von Zervixkarzinomen bei HIV-positiven und HIV-negativen Frauen deutlich geringer ausgeprägt als beispielsweise beim Kaposi-Sarkom und Non-Hodgkin-Lymphom, die beide ebenfalls mit Virusinfektionen assoziiert sind.

Zum anderen fand sich in den meisten Studien kein günstiger Einfluss der HAART auf die Häufigkeit von malignen Zervixveränderungen.

Dies mag daran liegen, dass man behandelte und unbehandelte Frauen nicht vergleichen kann (u.a. unterschiedlicher Immunstatus, CD4-Nadir usw.), die bisherigen Studien zu kurz waren und nicht für Risikofaktoren wie Rauchen, Sexualverhalten usw. adjustiert wurde.

Diagnostik

Die gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchung erfolgt spätestens ab dem 20. Lebensjahr (oder mit Beginn des regelmäßigen Geschlechtsverkehrs). Es werden jährliche zytologische Abstriche vom Gebärmutterhals durchgeführt (Zervixabstrich, Pap-Abstrich genannt nach der Färbemethode von Papanicolaou). Die Pap-Abstriche werden entsprechen der aufgeführten Einteilung beurteilt (Tab. 2).  Erst bei auffälligem Pap-Abstrich wird auch ein HPV-Abstrich empfohlen, dies ist bisher kein Bestandteil der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchung und somit bei Durchführung kostenpflichtig.

Tab. 2: Einteilung der Pap-Abstrichbefund; CIN = zervikale intraepitheliale Neoplasie=Krebsvorstufen
Tab. 2: Einteilung der Pap-Abstrichbefund; CIN = zervikale intraepitheliale Neoplasie=Krebsvorstufen

Tab. 3: Histologische Einteilung der Dysplasien
Tab. 3: Histologische Einteilung der Dysplasien

Je nach Abstrichergebnis wird eine weitere histologische Sicherung empfohlen, hierbei wird eine Gewebsprobe entnommen (Biopsie) und dann je Ergebnis ggf. mit einer größeren Gewebsentfernung (Konisation) behandelt (Tab. 3).

Bei HIV-positiven Frauen sollte eine gynäkologisch/zytologische Vorsorgeuntersuchung im ersten Jahr der Diagnose in halbjährlichen und dann bei unauffälligem Befund in jährlichen Abständen durchgeführt werden. Häufigere Untersuchungen sind indiziert, wenn:

  • der vorherige Pap-Abstriche auffällig war
  • eine HPV-Infektion vorliegt
  • nach Behandlung einer zervikalen Dysplasie
  • Patienten mit symptomatischer HIV-Infektion bzw. CD4-Zellen <200/μl

Im Fall einer Dysplasie ist das Risiko eines raschen Fortschreitens der Veränderung hoch. Daher sollte auch nach der Behandlung eines präinvasiven Befundes im ersten Jahr alle drei bis vier Monate, danach alle sechs Monate ein Abstrich gemacht werden. Keine Routine sind derzeit noch der Analabstrich und die HPV-Diagnostik. Dennoch wird beides von Deutschen und Amerikanischen Fachgesellschaften empfohlen, spätestens wenn zervikal ein auffälliger Befund nachweisbar ist.

Obwohl die gynäkologische Vorsorgeuntersuchung ein seit vielen Jahren etabliertes Verfahren zur Prävention des Zervixkarzinoms ist, nehmen viele Frauen dieses Angebot nicht in Anspruch. Aus diesem Grund sollten insbesondere HIV-positive Frauen, Migrantinnen und ältere Frauen immer wieder auf die Bedeutung der Krebsvorsorge hingewiesen werden.

Behandlung und Therapie

Die Behandlung von zervikalen Dysplasien (Krebsvorstufen) und des Zervixkarzinoms unterscheiden sich bei  HIV-positiven und HIV-negativen Frauen nicht.

Die Therapie von Dysplasien erfolgt je nach Lokalistation. Im Bereich der Zervix stellt die Konisation die Therapie der Wahl dar. Bei vulväre, vaginalen und/oder perianalen Dysplasien ist neben der klassischen Exzision auch die Laserexzision als Alternativmethode zu erwägen. Leider kommt es  häufig zu Rezidiven, was wiederholte Behandlungen erforderlich macht.

Die einfachen Genitalwarzen der Vulva oder Vagina (low risk HPV Typ 6, 11, seltener Typ 42, 43 und 44) können zunächst mit z.B. Podophyllin oder Imiquimod behandelt werden, bei großflächigen Befall oder Rezidiv ist eine Laservaporisation zu erwägen.

Beim invasiven Karzinom wird das Vorgehen nach Tumorstadium angepasst, die radikale operative Therapie und/oder die kombinierte Radiochemotherapie stehen hier als Standard zur Verfügung. Je nach Immunstatus ist mit dem vermehrten Auftreten von Komplikationen zu rechnen (Wundheilungsstörungen, Fistelbildung etc.). Aufgrund der Rezidivneigung ist die engmaschige Nachbetreuung und onkologische Nachsorge zu empfehlen.

Impfung, Prävention

Gardasil®  (MSD,  quadrivalenter  Impfstoff
low-risk  HPV  6,10  und  high-risk  16,  18),
Impfung 0-2-6 Monate
Cervarix® (GSK, bivalenter Impfstoff, high-
risk HPV 16,18), Impfung  0-1-6 Monate
Kosten ca. 150 Euro/Impfung

Tab. 4: Impfstoffe gegen HPV

Seit 2006 gibt es einen Impfstoff gegen HPV und somit die Möglichkeit der Prävention des Zervixkarzinoms. Seit 12.2007 gilt die Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO), alle Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren zu impfen. Um einen maximalen Schutz zu erreichen, ist der optimale Zeitpunkt der Impfung vor Beginn des ersten Geschlechtsverkehrs. Die Empfehlung der STIKO unterscheidet sich von der amerikanischen Empfehlung, dort wird bis zum 26. Lebensalter geimpft. Es stehen aktuell zwei  Impfstoffe zur Verfügung, ein bi- und ein quadrivalenter Impfstoff (Tab. 4). Die Impfstoffe wirken gegen die beiden high-risk Typen HPV 16 und HPV 18, der tetravalente Impfstoff wirkt auch noch gegen die Erreger der Genitalwarzen (low-risk HPV 6 ,11). Der Impfschutz wird für mindestens 5 Jahre angenommen.

Aktuell wird keine serologische Untersuchung vor der Impfung durchgeführt, somit werden auch Mädchen/Frauen geimpft, die möglicherweise aufgrund von Sexualkontakt schon HPV infiziert sind. Ob auch Frauen mit HIV geimpft werden sollen, ist derzeit noch unklar. Die Wirkung der Impfung bei HIV-positiven Frauen ist noch nicht gesichert.

Die Bedeutung der Impfung muss auch in Hinblick auf die Gesamtbevölkerung abgewartet werden. Kritisch wird sie zurzeit bei Erwachsenen gesehen, da durch die hohe Durchseuchung kein umfassender  Impferfolg zu erwarten ist. Möglicherweise sind aber Teilerfolge möglich, so ist eine Kreuzimmunität auch auf high-risk HPV 45 bekannt und es kommt zur längeren und höheren Antikörpertiter als bei der Infektion.

Aktuell gibt es Bemühungen zunächst die HPV Typen, die bei HIV positiven Frauen vorliegen zu bestimmen, möglicherweise unterscheiden sich die Stämme im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (Abb. 4).

Abb. 4: High-risk HPV und der Anteil am Zervixkarzinom (Harper et al. Lancet 2006; 367: 1247-55)
Abb. 4: High-risk HPV und der Anteil am Zervixkarzinom (Harper et al. Lancet 2006; 367: 1247-55)

Zusammenfassung

HIV-positive Frauen sollten auf die Möglichkeit der Früherkennung und Behandlung von HPV assoziierten Dysplasien und Neoplasien im Genitalbereich hingewiesen werden. Mindestens jährliche Vorsorgeuntersuchung sind zu empfehlen. Neben dem sogenannten Pap-Abstrich, sollte Vulva, Vagina und Perianal/Anal Bereich inspiziert (auch kolposkopiert) werden, bei jedem Zweifel der Dignität erfolgt ein Abstrich, besser eine Gewebebiopsie.

Oft sind sechs monatliche Kontrollintervalle zu bevorzugen, bei bekannter Dysplasie und möglicherweise vorbehandelter Patientin werden die Untersuchungstermine engmaschiger festgelegt (3 monatlich).

Ob die Impfung zum Schutz vor eine HPV Infektion bei HIV-positiven Frauen sinnvoll ist, kann laut aktueller Studienlage noch nicht abschließend beantwortet werden, sie sollte aber mit betroffenen Frauen besprochen werden.

Literatur beim Verfasser

 

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