Kommentar: Resistenzen nehmen zu

Die oben dargestellten Therapie-Empfehlungen für die Gonorrhoe sind aufgrund der geographischen Situation auch für hiesige Verhältnisse anwendbar, zumal ein nicht unerheblicher Anteil der Infektionen im Ausland erworben werden dürfte. Nach jüngsten Untersuchungen aus Norwegen war dies 2009 bei 39% aller Infektionen der Fall.27 Resistenzdaten aus Deutschland sind allerdings nur spärlich publiziert: Hier existieren einzelne Berichte aus unterschiedlichen Regionen, die jedoch die etwa seit dem Jahr 2000 zunehmende Chinolon-Resistenz der Gonorrhoe bereits bestätigen: 1995 und 1997 waren noch 84 von 85 Isolaten aus Berlin empfindlich auf Ciprofloxacin28; 1997-2000 fand sich in Norddeutschland bereits bei 34% der Isolate (n=268) eine Ciprofloxacin-Resistenz.29 2004-2005 wurde im Raum Stuttgart-Heidelberg bei 47% der Stämme eine Resistenz gegen Ciprofloxacin und bei 7,7% eine erhöhte minimale Hemmkonzentration gegen Azithromycin nachgewiesen.30 Die erste Studie der European Surveillance of Sexually Transmitted Infections (ESSTI) mit longitudinaler Erfassung von Resistenzdaten der Gonorrhoe zeigte für die teilnehmenden Europäischen Staaten im Jahr 2008 Resistenzraten von 51% gegen Chinolone, 2% gegen Azithromycin und bisher keine Resistenz gegenüber Ceftriaxon; nur 5% der Isolate waren gegenüber allen Antibiotika sensibel.31 Für Deutschland wurden in dieser Studie Resistenzraten von rund 60% gegen Ciprofloxacin im Jahr 2007 bzw. 2008 angegeben; ferner ein Anstieg der Resistenzrate gegen Azithromycin von 2% im Jahr 2007 auf 8% im Jahr 2008. Im Übrigen zeigte diese Studie einzelne hochresistente Stämme gegen Azithromycin aus Schottland und Irland. Diese wurden auch  aus England/Wales32, und aus Italien33 beobachtet,  so dass diese Substanz zur ungezielten Mono-Therapie der Gonorrhoe nicht empfohlen werden kann.

Eine besorgniserregende Entwicklung zeigt sich auch bei den Cephalosporinen, der letzten noch verbleibenden Substanzklasse für die kalkulierte Therapie der Gonorrhoe: Seit einigen Jahren wurde in Japan, neuerdings auch in den USA und Europa ein Trend zu steigenden minimalen Hemmkonzentrationen bei oral und parenteral anzuwendenden Cephalosporinen der 3. Generation beobachtet, vor allem bei MSM.22, 27,31, 34 2011 wurde in England ein Gonokokken-Klon mit verminderter Empfindlichkeit gegen Cefixim isoliert35; Fälle von Therapieversagen gegen diese Substanz wurden bereits aus Asien36, 37, England38 und Norwegen berichtet.39 In Japan konnte inzwischen ein neuer Gonokokkenstamm mit hochgradiger, auch in vitro nachgewiesener Resistenz gegen Ceftriaxon isoliert und charakterisiert werden.40, 41 Kurz darauf wurde im Februar 2011 in Schweden bei einer pharyngealen Gonorrhoe asiatischen Ursprungs ein Therapieversagen mit erhöhter minimaler Hemmkonzentration gegen Ceftriaxon beobachtet, wobei die Symptome erst auf 1 g Ceftriaxon ansprachen.42 Ein Therapieversagen auf Ceftriaxon bei urogenitaler Gonorrhoe ist bisher nicht bekannt, doch dürfte auch dies nur eine Frage der Zeit sein.

Auch wenn aus Deutschland bisher noch kein Fall einer klinischen Therapie-Resistenz gegen Cephalosporine publiziert wurde, ist zumindest bei Personen mit erhöhtem Risiko für STI´s, bei pharyngealer Gonorrhoe und bei hinweisender Reise-Anamnese eine duale Therapie der Gonorrhoe wie oben beschrieben, oder ggf. eine höhere Ceftriaxon-Dosierung von 1 g bei Monotherapie zu erwägen. Derzeit werden von der Deutschen STI-Gesellschaft entsprechend aktualisierte Leitlinien erarbeitet. Die dargestellte internationale Resistenzproblematik zeigt deutlich die Notwendigkeit einer verstärkten  mikrobiologischen Surveillance der Gonorrhoe auch in Deutschland, die nur über eine intensivierte kulturelle Diagnostik zu erzielen ist.


Ausgabe 4 - 2011Back

DAIG LogoDGI LogoDSTIG LogoPEG Logo

Meldungen

  • HIV

    10. Oktober 2025: Vitamin-A-Transporter aktiviert ruhende HI-Viren weiter

  • HIV

    06. Oktober 2025: Kölner Team entdeckt neuen bnAB, der fast alle HIV-Varianten abdekt. weiter

  • Influenza

    03. Oktober 2025: Diagnostik mittels Kaugummi weiter

  • Stuhltransplantation

    03. Oktober 2025: Sicher und effektiv bei Immunschwäche? weiter

  • Antibiotika

    02. Oktober 2025: 100 Jahre Resistenzentwicklung weiter

  • Newletter online

    Jeden Monat akutelle Informationen rund ums Thema HIV und sexuell übertragbare Erkrankungen.

    Für Ärzt_innen, Menschen mit HIV und alle Interessierten.

    Anmeldung hier

  • 17. KIT

    02. Oktober 2025: Abstract Submission und Registrierung eröffnet weiter

  • HIV

    02. Oktober 2025: Wie entsteht das latente HIV-Reservoir? weiter

  • RSV

    28. September 2025: Cochrane Analyse bestätigt Wirksamkeit weiter

  • Sepsis

    24. September 2025: Zu breite Initialtherapie? weiter

  • Candida-Sepsis

    24. September 2025: Diagnostik anhand von „Zucker-Fingerabdruck“ weiter

  • Forschungspreis

    24. September 2025: HIV/AIDS-Forschungspreis 2025 der DGI ausgeschrieben weiter

  • Chronische Wunden

    24. September 2025: Mit App dauerhaft im Blick weiter

  • AIDS

    22. September 2025: CD8-Zahl im Liquor als Prädiktor bei Kryptokokken-Meningitis weiter

  • Chikungunya

    21. September 2025: Rote-Hand-Brief zu Ixchiq® weiter

  • HIV

    18. September 2025: Neuer Integrationsmechanismus entdeckt weiter

Ältere Meldungen weiter

Diese Website bietet aktuelle Informationen zu HIV/Aids sowie zur HIV/HCV-Koinfektion. Im Mittelpunkt stehen HIV-Test, Symptome und Auswirkungen der HIV-Infektion, Behandlung der HIV-Infektion, HIV-Medikamente mit Nebenwirkungen und Komplikationen, Aids, Hepatitis B und C. Ein Verzeichnis der Ärzte mit Schwerpunkt HIV ergänzt das Angebot.