Ralf Dechend, Berlin
Aktuelle Aspekte in der Kardiologie

Medikamentöse Therapie der koronaren Herzerkrankung

Das Ziel der medikamentösen Therapie bei stabiler koronarer Herzerkrankung (KHK) sind die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, sowie die Steigerung der krankheitsbezogenen Lebensqualität (Tab. 1).

Hemmung Thrombozytenaggregation

Die Hemmung der Thrombozytenaggregation sowie die Lipid- und Blutdrucksenkung haben sich als effektive Maßnahmen zur Verbesserung der Prognose bei Menschen mit KHK erwiesen. Durch Hemmung der Thrombozytenaggregation werden thromboembolische Ereignisse in den Koronararterien signifikant verringert. Die Gefahr ein akutes Koronarsyndrom/Myokardinfarkt zu erleiden wird gesenkt. Dadurch hat diese therapeutische Maßnahme prognostische Bedeutung.

Prognose verbesserndeTherapie
Symptomatische TherapieKupierung von Anfällen (AP)
Acetylsalicylsäure (ASS) > (bei Unverträglichkeit:Clopidogrel)Betarezeptorenblocker
> (bei Unverträglichkeit/Kontraindikation: Kalziumkanalblocker, Nitrate und Nitratanaloga, Ivabradin oder Ranolazin)
schnell wirkendes Nitrat
Statin
> Bei Unverträglichkeit andere Lipidsenker in Kombination mit Statin oder als Monotherapie
> (bei nicht ausreichender, antianginöser Wirkung: Langwirksame Kalzium-Kanalblocker, Nitrate und Nitroanaloga, Ivabradin oder Ranolazin in Kombination)
ACE-Hemmer bei eingeschränkter systolischer links-ventrikulärer Funktion > AT1-Rezeptorantagonistenbei ACE Hemmer Unverträglichkeit

Betarezeptorenblocker nach Myokardinfarkt / bei Herzinsuffizienz(s.a. Symptom. Therapie)

Tab. 1

Lipidsenkung

Die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei Patienten mit KHK ist für HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine) gut untersucht und eindeutig belegt. Zahlreiche randomisierte kontrollierte Langzeitstudien haben einen positiven Effekt auf Morbidität und Mortalität nachweisen können, so dass die Statintherapie prognostisch relevant ist. Nach Leitlinien soll eine Senkung des LDL-Cholesterins auf einen Zielwert <100 mg/dl erfolgen, zusätzliche positive Effekts sind vorhanden, wenn eine Senkung auf <70 mg/dl gelingt.

RAS-Blocker

Der therapeutische Nutzen von ACE-Hemmern/AT1-Blockern ist bei Hypertonie, asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion, chronischer Herzinsuffizienz sowie nach akutem Myokardinfarkt belegt. Zu der Frage, ob RAS-Blocker die Prognose von Patienten mit KHK ohne Hypertonie bzw. eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion verbessern, sind fünf placebokontrollierte Langzeitstudien mit klinisch relevanten Endpunkten durchgeführt worden. In der wichtigsten dieser Untersuchungen, der HOPE-Studie, senkte ein RAS-Antagonist die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Diese Ergebnisse konnten aber nur in zwei der fünf Studien nachgewiesen werden, so dass die prognostische Relevanz bei KHK umstritten bleibt.

Betarezeptorenblocker

Betablocker senken den kardialen Sauerstoffbedarf durch Reduktion der Katecholaminwirkung auf Herzfrequenz, Kontraktilität und Blutdruck. Sie haben in der medikamentösen Therapie von Herzpatienten einen besonderen Stellenwert. Betablocker verbessern die Prognose bei Hypertonie, nach einem Myokardinfarkt und bei Herzinsuffizienz, in dem sie die Mortalität sowie die kardiovaskuläre Morbidität senken. Zudem haben sie, insbesondere bei KHK-Patienten, eine symptomatische Indikation, da sie eine starke antianginöse Wirkung haben und zu einer langfristigen Besserung der Symptomatik führen.

Weitere Medikamente

Zur Therapie von Angina pectoris-Beschwerden stehen neben Betablocker, die Mittel der ersten Wahl sind, noch weitere Substanzen zur Verfügung, die allerdings keine prognostische, sondern lediglich symptomatische Bedeutung. Dazu gehören Kalziumkanalblocker, Nitrate und zwei neue Substanzen: der If-Ionenkanalblocker Ivabradin (Procorolan®) und ein Hemmer des langsamen Natriumeinstroms, das Piperazinderivat Ranolazin (Ranexa®).

Kalziumkanalblocker wirken positiv bei der Behandlung der Angina pectoris, insbesondere durch die Verringerung der Nachlast, während Nitrate durch Reduktion von Vor- und Nachlast den myokardialen Sauerstoffverbrauch reduzieren.

Neue Medikamente

Der If-Ionenkanalblocker (Ivabradin) hemmt den Schrittmacherkanal (den sogenannten funny channel [If-Kanal]). Die antiischämische Wirkung von Ivabradin kommt durch die Senkung der Herzfrequenz zustande. Dadurch verringert sich der Sauerstoffverbrauch des Myokards und die diastolische Koronarperfusion wird verlängert.

Ranolazin (Ranexa®) hemmt den späten Natriumeinstrom in die Kardiomyozyten. Dadurch wird die intrazelluläre Natriumakkumulation gesenkt und die intrazelluläre Kalziumüberladung wird verringert. Die antianginöse Wirkung entsteht jedoch ohne Einfluss auf Blutdruck und Herzfrequenz. Da HIV-Proteasehemmer CYP3A4 inhibieren, ist die gleichzeitige Gabe von Ranolazin kontraindiziert.

Thrombozytenhemmung nach Stentimplantation

Medikamenten-freisetzender StentMedikamenten-freisetzender Stent

Die perkutane koronare Intervention mit Stentimplantation ist die häufigste invasive Behandlungsmethode bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung. Ziel der Intervention ist es, flusslimitierende  höhergradige Koronarstenosen zu beheben sowie Plaquesrupturen und damit akute Koronarsyndrome zu verhindern. Seit einigen Jahren stehen neben reinen Metallstents (bare metal stents/BMS) Medikamenten-freisetzenden Stents (Drug eluting stents/DES) zur Verfügung. Die Medikamente in der Beschichtung, z.B. Tacrolimus, Paclitaxel usw., haben einen antiproliferativen Effekt, der Häufigkeit von Re-Stenosen und damit die Notwendigkeit von Rezidiv-Eingriffen signifikant reduziert und zum anderen auch das Indikationsspektrum der Katheter-gestützten Koronarintervention erweitert. Der Nachteil der DES ist, dass sie im Vergleich zu den nicht-beschichteten Metallstents eine höhere Rate von Stentthrombosen aufweisen und somit eine effizientere Hemmung der Thrombozytenaggregation verlangen.

Duale Hemmung

Eine duale Thrombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation ist obligat. Die Dauer der dualen Plättchenhemmung hängt von zwei Faktoren ab:

Indikation Stent ASS Clopidogrel
Stabile KHK BMS Lebenslang 4 Wochen

DES Lebenslang 12 Monate
Akutes Koronarsyndrom BMS Lebenslang 12 Monate

DESLebenslang 12 Monate

Tab. 2 Thombozytenaggregationshemmung nach Stentimplantation. Positionspapier der DGK,Hamm et al. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 190-193

  • der Art des Stents: DES Stents benötigen eine duale Plättchenhemmung für 12 Monate, unbeschichtete Stents (BMS) für einen Monat.
  • den Umständen des Eingriffs: Handelt es sich um einen elektiven Eingriff oder lag ein akutes Koronarsyndrom (ACS) vor? Bei einem ACS wird unabhängig von der Art des Stents eine doppelte Plättchenhemmung für 12 Monate empfohlen (Tab. 2).

Seit kurzem gibt es neben den Clopidogrel (Plavix®, Iscover®) auch neuere, effektivere Plättcheninhibitoren: Prasugrel (Effient®) und Ticagrelor (Brilique®). Beide Substanzen haben jedoch nur die Zulassung für die perkutane Koronarintervention im akuten Koronarsyndrom, d.h. sie haben bei der elektiven Koronarintervention keinen Stellenwert, dies bleibt die Domäne von Clopidogrel.

Bei der stabilen KHK wird nach Implantation eines Bare-Metal-Stents Clopidogrel zusätzlich zum Aspirin für 4 Wochen empfohlen, nach Drugeluting stent für 12 Monate.

Die ausgeprägte Thrombogenität im akuten Koronarsyndrom ist der Grund, weshalb die doppelte Plätzchenhemmung, unabhängig davon, ob ein BMS-Stent oder ein DES implantiert wurde, für 12 Monate weitergeführt. Prasugrel und Ticagrelor haben wie bereits erwähnt, ihre Berechtigung nur im akuten Koronarsyndrom. Beide haben in großen Studien gezeigt, dass sie bei dieser Indikation dem Clopidogrel überlegen sind. Der Gebrauch der beiden Substanzen ist zu erwägen bei ST-Hebungsinfarkten, bei jungen Patienten, bei Patienten mit hohem Risikoprofil wie Diabetes mellitus, oder dann, wenn  eine Intervention am Hauptstamm oder in mehreren Stromgebieten durchzuführen ist. Die Entscheidung, ob Prasugrel oder Ticagrelor anstelle von Clopidogrel gegeben werden soll, ist also bereits in der Klinik gefallen und sollte dann für 12 Monate ambulant weitergeführt werden. Auf Interaktionen mit HIV-Medikamente ist zu achten (Vergl. Beitrag Klinker)

Kombination mit oralen Antikoagulantien

Indikation Stent orale AntikoagulationClopidogrel Acetylsalicylsäure
Stabile KHK BMS Lebenslang1 4 Wochen für 4 Wochen
Stabile KHK DES Lebenslang1 12 Monate für 4 Wochen
ACS BMS Lebenslang1 12 Monate für 4 Wochen
ACS DES Lebenslang1 12 Monate für mind. 4 Wo.
(bis zu 12 Mon.)
KHK: Koronare Herzerkrankung; BMS: unbeschichteter Stent; DES: Medikamenten-freisetzender Stent; ACS: Akutes Koronarsyndrom. 1Ziel-INR im unteren Zielbereich (z.B. 2-2,5) für die Dauer der Triple-Therapie

Tab. 3 Derzeit gültige Empfehlung zur Triple-Therapie bei stabiler KHK und ACS und BMS-Stentbzw. DES Stent. Positionspapier der DGK, Hamm et al. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 190-193

Eine schwierige Diskussion und bisher noch nicht abschließend beantwortet, ist die Frage, wie die doppelte Plättchenhemmung angewendet werden soll, wenn Patienten eine Indikation für eine orale Antikoagulation (Falithrom®, Marcumar®) haben, wie z.B. bei Vorhofflimmern, Thrombose oder künstlichem Klappenersatz. Dies ist eine individuelle Entscheidung und sollte mit dem Kardiologen bzw. mit der entlassenden Klinik abgesprochen werden. Meist ist es nötig diese sogenannte Triple-Therapie zu geben, bestehend aus der Kombination ASS, Clopidogrel und  Marcumar initial. Nach einer gewissen Zeit wird einer der beiden Plättcheninhibitoren abgesetzt (Tab. 3).

Neue Orale Antikoagulantien

Nach mehr als 60 Jahren Erfahrungen mit den oralen Vitamin-K-Antagonisten sind vor einiger Zeit neue orale Antikoagulantien, nämlich die direkte Thrombin-Inhibitor Dabigatran (Pradaxa®) und die direkte Faktor Xa-Inhibitoren Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®) auf dem deutschen Markt neu eingeführt worden. Die Indikation für die neuen Substanzen hat sich inzwischen von der Thromboseprophylaxe und -therapie bis zum Vorhofflimmern erweitert.

Für alle drei Substanzen gilt:

Prinzipiell ist eine Gerinnungskontrolle unter der Einnahme nicht notwendig. Dies ist von besonderer Bedeutung für Patienten, die schwer einzustellen sind, häufig wechselnde INR-Werte aufweisen, die nicht mobil sind und keine INR-Selbstmessung durchführen können. Allerdings gibt es auch noch keinen routinemäßig verfügbaren Gerinnungstest, der dem behandelnden Arzt anzeigt, ob die Stärke der Antikoagulation im therapeutischer Bereich liegt.

Bisher gibt es noch keine Empfehlungen zum Procedere bei schwerwiegenden Blutungskomplikationen. Es soll so verfahren werden, wie bei Patienten, die unter Vitamin-K-Antagonisten eine Blutungskomplikation aufweisen. Eine spezifische Therapie, wie ein  Antikörper als spezifisches Antidot, ist im Moment noch nicht vorhanden, wird aber momentan für alle drei Substanzen entwickelt.

Nimmt man alle Studien zusammen, zeigen die neuen oralen Antikoagulanzien eine bessere Wirksamkeit als die Vitamin-K-Antagonisten. Die Häufigkeit schwerer Blutungskomplikationen ist entweder vergleichbar oder bezogen auf intrakranielle Blutungen signifikant geringer als bei den Vitamin-K-Antagonisten.

Durch die kurze Halbwertzeit und die rasch abklingende Wirkung ist eine exzellente Compliance noch viel wichtiger als bei der Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten.

Die neuen Substanzen sind deutlich teurer als Vitamin-K-Antagonisten.

Blutungskomplikationen sind nicht grundsätzlich seltener als bei Vitamin-K-Antagonisten. Daher ist ein unkritischer Einsatz potenziell gefährlich.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann keine der neuen oralen Antikoagulantien in der Dual-und Triple-Therapie mit anderen antithrombotischen Medikamenten empfohlen werden. Erste klinische Daten zeigen, dass der Einsatz von Anti-Xa- oder direkten Thrombin-Inhibitoren bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) mit einem drastischen Anstieg an Blutungen einhergeht. Das erhöhte Blutungsrisiko könnte somit theoretisch alle möglichen Vorteile einer antithrombotischen Therapie bei ACS Patienten wieder aufheben.

Dabigatran (Pradaxa®) ist ein kompetitiver und reversibler direkter Thrombininhibitor. Es bestehen zahlreiche Wechselwirkungen. Dabigatran ist kontraindiziert bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance von unter 30 ml/min). Unter Dabigatran sind vermehrte gastrointestinale Nebenwirkungen beschrieben worden. Verglichen mit Marcumar® kam es unter Dabigatran zu einem geringen, allerdings nicht signifikanten Anstieg der Häufigkeit von Myokardinfarkten, was auch noch weiter untersucht wird. Ein Vorteil von Dabigatran ist der rasche Wirkungseintritt und das rasche Abklingen nach Beendigung der Therapie.

Rivaroxaban (Xarelto®) ist ein oraler direkter Faktor-Xa-Hemmer. Es besteht eine Interaktion mit Hemmern von Cytochrom-3A4 und P-GP, wie Antimykotika und HIV-Protease-Hemmern. 

Apixaban (Eliquis®) ist ebenfalls ein oraler direkter Faktor-Xa-Hemmer. Es liegt ebenfalls eine Interaktion mit starken CYP-3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol vor. Bemerkenswert ist die AVERROES-Studie, in der Patienten eingeschlossen wurden, die Kontraindikationen für orale Vitamin-K-Antikoagulanzien aufwiesen, bzw. Patienten, die diese nicht einnehmen wollten. Sie wurden mit Acetysalizylsäure oder Apixaban behandelt. Die Studie wurde vorzeitig beendet, da sich ein hochsignifikanter Unterschied zugunsten von Apixaban zeigte. Schwerwiegende Blutungskomplikationen waren mit 1,4% pro Jahr in der Apixaban- und 1,2% pro Jahr in der Aspirin®-Gruppe identisch, so dass in Zukunft für Aspirin in der Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern kein Platz mehr sein wird.

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