Martin Stürmer1, Martin Obermeier2 und Rolf Kaiser3 für HIV-GRADE - HIV-Viruslast
Stellenwert von Ergebnissen über/unter der Nachweisgrenze

Die Bestimmung der HIV-Viruslast ist für Arzt und Patient von großer Bedeutung. Liegt sie „unter der Nachweisgrenze“ sind alle zufrieden. Doch hier stellt sich die Frage, welcher Grenzwert ist sinnvoll und wie vergleichbar sind die Ergebnisse verschiedener Messverfahren?

Laborbild
© Ramona Pauli

Die Messung der HI-Viruslast aus dem Plasma ist Bestandteil der diagnostischen Routine. Das Ergebnis gibt an, wie viel freies Virus im Blut zirkuliert, jedoch stoßen alle verfügbaren Tests bei geringen Virusmengen irgendwann an ihre Grenzen. Die von den Testherstellern angegebene Nachweisgrenze bedeutet, dass man diese Menge an Virus im Blut mit ca. 95% Wahrscheinlichkeit nachweisen kann. Darunter kann durchaus noch Virus nachgewiesen werden, jedoch in weniger als 95% der Fälle und die nachgewiesene Menge kann nicht korrekt quantifiziert werden. Da sich der Begriff Nachweisgrenze aber allgemein durchgesetzt hat, wird dieser im Folgenden weiterhin benutzt.

Welche Nachweisgrenze?

Die Nachweisgrenze hat sich in den letzten Jahren durch die höhere Empfindlichkeit der Teste nach unten bewegt. Damit stellt sich dann aber auch die Frage, wie empfindlich der Viruslast-Test mindestens sein sollte bzw. was klinisch sinnvoll ist. Klinische Studien werden üblicherweise mit einer Grenze von 50 Kopien/ml durchgeführt, Subanalysen daraus oft mit einem Schwellenwert bei 200 oder in Anlehnung an frühere Studien bei 400 Kopien/ml. Die in Deutschland aktuell verfügbaren kommerziellen Teste haben unterschiedliche Nachweisgrenzen: 50 Kopien/ml (bDNA, Siemens), 40 Kopien/ml (realTime, ABBOTT), 37 Kopien/ml (kPCR, Siemens), 34,4 Kopien/ml (Qiagen) und 20 Kopien/ml (CAP-CTM V2.0, ROCHE).

Abweichungen sind möglich

Die gemessene Kopienzahl kann allerdings je nach verwendetem Test schwanken: 100 Kopien/ml in Test A sind nicht automatisch auch 100 Kopien in Test B. Zusätzlich gibt es auch Abweichungen innerhalb eines Testes, d.h. 100 Kopien/ml in einem Testlauf gemessen können im nächsten Testlauf auch höher oder niedriger ausfallen, allerdings dürfen die Schwankungen nur innerhalb eines klinisch tolerierbaren Bereiches liegen. Liegt die tatsächliche Virusmenge im Blut knapp über oder unter der angegebenen Nachweisgrenze, kann diese nicht in jedem Testlauf nachgewiesen werden, sondern nur manchmal. Dies ist ein Problem der entnommenen Stichprobe. Wenn die Menge an HIV-RNA in der Blutprobe nahe der Nachweisgrenze ist, kann es vorkommen, dass durch Zufall keine ausreichende Anzahl an HIV-RNA-Kopien in dem zu entnehmenden Testvolumen für die PCR landet und daher auch nicht amplifiziert werden kann. Das Phänomen ist vergleichbar mit der Wertigkeit einer Feinnadel-Biopsie, die gelegentlich im gesunden Gewebe landen kann, und zwar umso eher, je kleiner ein malignes Zellnest ist. Die Konsequenz daraus ist, singuläre Testergebnisse knapp über der Nachweisgrenze nicht überzubewerten, sondern ggf. zu kontrollieren.

Nachweisbar oder nicht?

Trotzdem kann es sich bei dem Ergebnis um einen klinisch relevanten Befund handeln, da Virus nachgewiesen wurde, wenn auch in sehr geringen Mengen. Die Testhersteller haben dafür unterschiedliche Formulierungen, und manche Labore geben diesen Befund weiter oder berichten dem Einsender als Ergebnis: <50, <40, <37, <34,4 bzw. <20 Kopien/ml. Andere Labore berichten einen Zahlenwert auch unterhalb der Nachweisgrenze oder nur: „Virus in geringer Menge nachweisbar“. Der Begriff „negativ“ wäre in diesem Zusammenhang nicht korrekt, da immer noch Virus nachweisbar ist. Aber auch wenn im Test gar nichts nachgewiesen wurde, wäre ein Ergebnisbefund „negativ“ nicht korrekt und ist zudem sehr missverständlich, da ein Patient mit nachgewiesener HIV-Infektion nicht virusfrei ist (bis auf Ausnahmen wie z.B. der Berlin-Patient).

Die Befunde der Labore und die Unsicherheit über unterschiedliche untere Nachweisgrenzen und deren klinischer Relevanz bei nachweisbarer Virusmenge im Blut eines Patienten unter Therapie haben zur Verunsicherung von Behandlern und Patienten beigetragen, daher wäre eine Standardisierung der Befundausgabe wünschenswert. Die Deutsch-Österreichischen Leitlinien haben mittlerweile eine klare Position bezogen und die klinisch relevante Nachweisgrenze bei 50 Kopien/ml definiert.

Einheitliche Sprachregelung

Als Empfehlung für die Labore sollte der Befund die genannten Aspekte wie folgt oder zumindest in ähnlicher Form berücksichtigen:

  • HIV-RNA nicht nachgewiesen (testspezifische Nachweisgrenze <50, <40, <37, <34,4 bzw. <20 Kopien/ml) oder
  • HIV-RNA unterhalb der testspezifischen Nachweisgrenze (<50, <40, <37, <34,4 bzw. <20 Kopien/ml) nach-
    gewiesen oder
  • HIV-RNA nachgewiesen, x Kopien pro ml

Gegebenenfalls sollte ein Hinweis auf die in den Deutsch-Österreichischen Leitlinien definierte klinisch relevante Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml hinzugefügt werden, z.B. „Klinisch relevant gemäß Deutsch-Österreichischen Leitlinien sind Werte >50 Kopien/ml“.

Eine Testwiederholung aus der gleichen Probe ist normalerweise nicht nötig. Es empfiehlt sich, bei einem erfolgreich
therapierten Patienten Werte über 50 Kopien/ml mittels einer neuen Probe zu kontrollieren. Die Leitlinien empfehlen auch dieses Vorgehen, um ein drohendes Therapieversagen auszuschließen oder zu bestätigen. Erst dann sind gemäß den Deutsch-Österreichischen Leitlinien klinische Konsequenzen zu erwägen.

 


1  Institut für Medizinische Virologie, Nationales Referenzzentrum für Retroviren, Universitätsklinikum Frankfurt

2  Medizinisches Labor Dr. Berg Berlin

3  Institut für Virologie, Uniklinik Köln


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