Migranten ohne Papiere

Securint HIV treatnemt and care for undocumented migrants in EnglandBeim diesjährigen WeltAidsKongress gab es wieder viele wichtige Veranstaltungen zum Thema ‚undocumented migrants‘. Sarah Radcliffe1 vom National AIDS Trust (NAT), einer britischen NGO, berichtete vom Erlass2 der britischen Regierung (Health and Social Care Bill), der seit zwei Jahren HIV-positiven Menschen bedingungslosen Zugang zur HIV-Therapie ermöglicht.

Gemäß diesem Erlass kann seit 1. Oktober 2012 jeder Mensch die HIV-Ambulanzen des britischen Gesundheitssystems NHS aufsuchen und erhält dort medizinische Unterstützung selbst, wenn er keine Papiere und keinen Versicherungsnachweis vorlegen kann. Großbritannien hat es somit geschafft, die Verfolgung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus von dem Anspruch auf eine medizinische Basisversorgung konsequent zu trennen.

Therapie ist ökonomisch

Das Recht auf eine anonyme Versorgung wurde aus Gründen der öffentlichen Gesundheit beschlossen. Menschen mit einer behandelten HIV-Infektion und entsprechend nicht nachweisbaren HI-Viren gelten als nicht infektiös, d.h. sie können HIV nicht mehr verbreiten. Die größte Studie dazu HPTN0523 wurde im New England Journal of Medicine vor drei Jahren publiziert und auch das Schweizer EKAF Statement4 hat diesen Zusammenhang schlüssig und allgemein anerkannt dargestellt. Sarah Radcliffes ökonomische Berechnungen zeigen zudem, dass es für das britische Gesundheitssystem kostengünstiger ist, alle positiven Menschen mit einer Therapieindikation mit HIV-Medikamenten zu versorgen als sie unbehandelt zu lassen.

Widersprüchliche deutsche Haltung

In der gleichen Veranstaltung stellte Robert Cazal Gamelsy5 ein ähnliches Projekt vor, das in einigen karibischen Staaten geplant ist. Interessanterweise wird dieses Projekt von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert, die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung tätig ist. Robert Cazal Gamelsy fragte, wie es möglich ist, dass Deutschland solch ein Projekt in anderen Ländern fördert, in Deutschland selbst aber dieser bedingungslose Zugang zum Gesundheits-
system bis heute nicht möglich ist – was zu einer achselzuckenden Belustigung bei uns deutschen Zuhörern führte.

Missstand in Deutschland

In Deutschland sind wir weit davon entfernt HIV-positiven Menschen ohne Papieren Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen. In verschiedenen Großstädten wird improvisiert und in Einzelfällen geholfen. Dies ist bei weitem nicht ausreichend. Der Nationale AIDS Beirat (NAB) hat bereits im März dieses Jahres auf diesen Missstand hingewiesen6 und die Bundesregierung zu einer Änderung aufgefordert. Passiert ist bis heute nichts. „Frauen, Männer und Kinder ohne Papiere in Deutschland – ihr Recht auf Gesundheit“ heißt eine Dokumentation der vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIM)7 initiierten Diskussionsrunde, an der die unterschiedlichsten Interessengruppen von Politik, Gewerkschaften, kirchlichen, medizinischen und sozialen Interessenvertretern und Einzelpersonen teilnahmen. Die Dokumentation fasst sehr gut die unterschiedlichen Sichtweisen zusammen und strukturiert sie. Eine diskutierte Möglichkeit ist ein Fond, in den verschiedene gesellschaftliche Gruppen wie GKV, PKV, Bund, Länder und die pharmazeutischen Industrie, die im HIV Bereich tätig ist, einzahlen. Ein runder Tisch, den Herr Gröhe initiieren könnte, müsste diesen Fond installieren.

Informationen haben wir genug, meines Erachtens bedarf es nun eines Beschlusses, der den bedingungslosen Zugang ermöglicht. ‚Menschen ohne Papiere’ muss eine anonyme medizinische Basisversorgung ermöglicht werden. Es bedarf einer strikten Trennung der juristischen Verfolgung von Menschen ohne gültige Papiere und dem Zugang zu medizinischen Leistungen, wie es in Großbritannien umgesetzt wird.

Dringlicher Handlungsbedarf

Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Auch in Deutschland muss es möglich sein, dass jeder Mensch mit einer Infektionskrankheit wie Lues, viraler Hepatitis, Gonorrhoe, Chlamydien, Tuberkulose und auch und insbesondere HIV Zugang zur Diagnostik und gegebenenfalls Therapie erhält. Verzögerungen schaden dem Betroffenen durch Chronifizierung und Verschlechterung des Gesundheitszustandes sowie der Allgemeinheit durch höhere Kosten und dem größeren Risiko der Transmission. HIV-Infizierte müssen überall auf der Welt Zugang zu bezahlbaren Arzneimitteln haben – auch in Deutschland und auch wenn sie ohne Papiere unter uns leben!

Ausgabe 3 - 2014Back

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