Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung

Die Unterscheidung zwischen Sexarbeit und Menschenhandel ist sachlich richtig und politisch notwendig. Nur wenn Sexarbeiter gleiche Rechte haben, kann auch Menschenhandel bekämpft werden.

Menschenhandel HeuteWährend der Begriff „Sexarbeit“ ausschließlich einvernehmliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen gegen Entgelt beschreibt, weist der Begriff „Menschenhandel“ auf Formen extremer Ausbeutung hin, die durch Gewalt, Zwang, Täuschung, Entführung, Missbrauch von Macht und anderen Mitteln ausgeübt werden, meistens im Migrationsprozess. Es ist ein globales Phänomen und betrifft alle Branchen – von der Bauindustrie zur Landwirtschaft, von der Sexindustrie bis zur Pflege und Haushaltshilfe – und folgt dabei ähnlichen Strukturen. In der Regel handelt es sich auch bei Betroffenen von erzwungener Prostitution um Arbeitsmigranten.

Menschenhandel hängt erstens mit globalen und regionalen ökonomischen Ungleichheiten zusammen, die Menschen zur Migration anspornen, zweitens mit immer weniger werdenden Wegen legaler Arbeitsmigration und drittens mit dem fehlenden politischen Willen der Zielländer, die Rechte von Migranten zu stärken. Gerade Prostitutionsmigranten sind politisch unerwünscht und werden oft entrechtet oder gar kriminalisiert.

Migranten wenden sich häufig an „Schleuser“ oder „Vermittlungsagenturen“ für Arbeit im Ausland. Diese organisieren in der Regel die Reise und die Arbeitsvermittlung – was oft mit hohen Kosten verbunden ist, die als Schulden abgearbeitet werden. Vor Ort erfahren Migranten meistens, dass sie „getäuscht“ wurden: Über die Art der Arbeit, über den Verdienst, über die Kosten der Reise und den damit einhergehenden Schulden, über die Arbeitsbedingungen – ihre Rechte kennen sie dabei meistens nicht.

Menschenhandel in Deutschland

„Menschenhandel“ wird im deutschen Strafgesetzbuch durch die Paragraphen §232 (sexuelle Ausbeutung) und §233 (Arbeitsausbeutung) definiert. „Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung“ bedeutet, dass jemand „unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution“ gebracht wird. Für Betroffene unter 21 Jahren reicht es aus, dass man die Person zur Prostitution „bringt“, ohne Gewalt, Drohung oder Täuschung, was die höhere Zahl Betroffener zwischen 18 und 21 Jahren in der Statistik des BKA erklärt. „Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung“ bedeutet, dass u. a. die Arbeitsbedingungen „in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen“.

kaum verlässliche Zahlen

Die Definition von Menschenhandel ist sehr eng, sodass viele Betroffene rein rechtlich gesehen gar nicht als solche gelten. Beratungsstellen berichten, dass die Polizei meist nur einen von sieben Fällen, den sie betreuen, als Menschenhandel einstuft. Das BKA erfasst jährlich zwischen 600 und 800 Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Für 2013 ist im Vergleich zu den Vorjahren ein Rückgang von 11% zu verzeichnen – trotz verstärkter polizeilicher Kontrollen. Seit der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes gab es – statistisch gesehen – keine Zunahme von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung.

Wichtig ist: In Deutschland wissen durchschnittlich zwischen 20-30% der Betroffenen von Menschenhandel, dass sie als Sexarbeiterin gearbeitet hätten oder waren schon vorher in der Sexarbeit tätig, sie wurden jedoch über den Verdienst und die Arbeitsbedingungen getäuscht.

Sexarbeit, HIV und Menschenhandel

Der Kampf gegen Menschenhandel in der Sexindustrie überschneidet sich mit der Bekämpfung von HIV. Studien weisen darauf hin, dass „zero tolerance” Ansätze, die den legalen Status von Sexarbeit ablehnen, nicht mit Prostituierten zusammenarbeiten und z.B. keine Kondome verteilen, Sexarbeiter*innen zusätzlich gefährden und Gewalt aussetzen.

Die Weltgesundheitsorganisation weist darauf hin, dass Entkriminalisierung von Sexarbeit und der Ansatz der „harm reduction” notwendig sind, um HIV, aber auch Ausbeutung von Sexarbeitern, zu reduzieren und Arbeits- und Lebensbedingungen sowie der Gesundheit von Sexarbeitern zu verbessern. Im Idealfall sind es sogar „peer-to-peer”-Projekte, die am effektivsten sind, wie das beispielsweise in Berlin im Verein Hydra e.V. praktiziert wird.

Um Menschenhandel zu reduzieren, ist es notwendig, die rechtliche Situation der potentiell Betroffenen zu stärken. Zusätzliche Pflichten, wie z.B. eine Registrierung oder Pflichtuntersuchung schaffen hingegen neue Erpressungsmöglichkeiten und laufen Gefahr, betroffene selbst zu kriminalisieren.

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