Interview Dr. Stephan Walcher, München, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin

Neue Meilensteine in der Substitution

Dr. Stephan Walcher

Welches waren die wichtigsten Entwicklungen in der Substitution in den letzten Jahren?

Walcher: Es gab einige positive Entwicklungen. Besonders wichtig für uns Suchtmediziner war die Änderung der BTMVV im Oktober 2017. Dadurch wird unsere medizinische Tätigkeit in der Substitution nicht mehr primär gesetzlich geregelt, sondern durch die ärztliche Selbstverwaltung. Der aktuelle Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnis ist jetzt Maßstab – und nicht ein gestriger Moralkodex. Abstinenz ist nur noch ein Ziel der Substitution neben u.a. Überleben und Verbesserung der Gesundheit.

Gab es auch bei den Substituten wichtige Neuerungen?

Walcher:Für mich war die Einführung des langwirksamen Morphins Substitol® eine Art „missing link“ zw. Heroin und Methadon/Buprenorphin. SROM interagiert nicht mit dem Cytochromsystem, stört das Reizleitungssystem am Herzen nicht und erreicht bisher unerreichbare Patienten. Problematisch ist allerdings der derzeitige Lieferengpass, bei dem kein Ende absehbar ist. Wichtig war auch die Entwicklung der langwirksamen, injektablen Buprenorphine.

Für wen sind die langwirksamen Substitute besonders hilfreich?

Walcher:Da kann ich mir viele Konstellationen vorstellen, z.B. für Menschen, die lange Wege zum Arzt haben, die beruflich viel reisen oder in Haft müssen. Der langsame Wirkverlust bietet eine Art „sanfte Entgiftung“ und ein „Rauswachsen aus der Sucht“, die gefährliche Schnittstelle zw. Knast und Freiheit kann überbrückt werden. Auch der Druck bzw. die Verlockung Substitute zu verkaufen, fällt weitgehend weg.

Eine Praxis ist ja auch ein wirtschaftlicher Betrieb. Hat sich auch bei der Vergütung etwas verbessert?

Walcher:Hier gab es tarifliche Verbesserungen und Zuschläge (BY und BW), allerdings sind noch einige Wünsche offen. Wir wollen insgesamt nicht mehr Geld, aber eine gerechtere Verteilung nach Behandlungsaufwand. Die aktuelle Vergütung belohnt die tgl. Vergabe des Substituts – nicht die eigentliche medizinische Behandlung. Das setzt Fehlanreize, beschränkt aus wirtschaftlichen Gründen die flächendeckende Versorgung und die Resozialisierung durch Take-Home-Verordnungen oder injektable Retardbuprenorphine.

Wir wollen eine Aufwertung von Gesprächsleistungen, Take Home Vergabe und injektablem Buprenorphin. Ein wichtiger Aspekt insbesondere im Hinblick auf die abnehmende Zahl bei steigendem Durchschnittsalter (62) von Substitutionsärzt*innen in Deutschland.

Könnten Konsiliarärzt*innen diese Lücke in der Suchtmedizin schließen?

Walcher:Meiner Meinung nach ist die Konsiliararzt-Idee eine Fehlentwicklung. Der Konsiliarius soll für 9,20 € pro Quartal einen Suchtkranken und seinen Hausarzt verantwortlich betreuen: Das kann nicht gut funktionieren. Die Weiterbildung in suchtmedizinischer Grundversorgung (50h) ist kein Hexenwerk und sichert die Qualität der Versorgung von Suchtkranken besser als so ein intransparentes Remotesystem.

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