Neue PEP-Leitlinie

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  Aidshilfe von 2010

Die Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition ist aktualisiert. Die aktualisierte Fassung wurde dem derzeit üblichen Leitlinienformat angepasst. Sie ist in 16 Schlüsselfragen gegliedert und damit sehr übersichtlich. Inhaltlich hat sich bezüglich der Indikationen für eine HIV-PEP wenig geändert. Neu sind Empfehlungen zur PEP nach Vergewaltigung und nach Biss- und seriellen Schnittverletzungen. Bei den empfohlenen Medikamentenkombinationen zur PEP wurde die Empfehlung auf alle drei Kombinationen mit Integrase-Inhibitoren ausgeweitet, zu denen klinische Studiendaten zur Verträglichkeit im Rahmen einer PEP vorliegen. Diese Kombinationen sind in der Regel gut verträglich und haben ein geringes Wechselwirkungspotenzial mit anderen Medikamenten. Dies ist auch der Grund dafür, dass Begleituntersuchungen in Umfang und Häufigkeit reduziert werden konnten.

Voraussetzung

Voraussetzung für die ärztliche Empfehlung einer HIV-PEP ist ein mit relevantem Übertragungsrisiko verbundener Kontakt zwischen einer HIV-negativen und einer HIV-infizierten Person (Indexperson) in den zurückliegenden 72 Stunden, wobei bei unbekanntem HIV-Status der Indexperson das Vorliegen einer Infektion zumindest wahrscheinlich sein sollte.

Die Zustimmung der exponierten Person zu einem HIV-Test (zur Dokumentation des zum Zeitpunkt der Exposition negativen HIV-Status) ist eine Voraussetzung für die Durchführung einer PEP. Das Ergebnis muss jedoch bei Beginn der PEP nicht bereits vorliegen.

Wann sollte eine PEP erwogen werden?

Verletzung an HIV-kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken, Benetzung von offenen Wunden und Schleimhäuten mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten, ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einer (wahrscheinlich) HIV-infizierten Person, Gebrauch von HIV-kontaminiertem Injektionsbesteck.

Arbeitsbedingte Exposition

Wann ist bei arbeitsbedingter Exposition eine PEP empfohlen?

Eine HIV-PEP soll bei erhöhtem Infektionsrisiko erfolgen. Dazu zählen die perkutane Stichverletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel und die Schnittverletzung unter Beteiligung von Körperflüssigkeiten mit potentiell hoher HIV-Konzentration.

Wann ist bei arbeitsbedingter Exposition eine PEP anzubieten?

Eine HIV-PEP kann erfolgen bei Schleimhautkontakt oder Kontakt mit nicht-intakter Haut (Hautekzem, frischer Wunde etc.) mit Flüssigkeiten von hoher Viruskonzentration oder bei sichtbaren Verletzungen z.B. mit einer blutig-tingierten chirurgischen Nadel. Das gilt auch für individuelle Fälle, in denen bei der Indexperson zwar keine HIV-RNA nachweisbar war, aber aufgrund der Verletzung eine Exposition mit größeren Mengen Blut stattgefunden hat.

Wann soll bei arbeitsbedingter Exposition keine PEP erfolgen?

Eine HIV-PEP soll nicht erfolgen, wenn die HIV-RNA der Indexperson nicht nachweisbar (<50 Kopien HIV-RNA/ml Plasma) ist und kein überdurchschnittliches Risiko einer Übertragung bestand. Das gilt auch für fragliche HIV-Expositionen ohne oder mit geringem Risiko, bei Kontakt nicht-intakter Haut mit Körperflüssigkeiten ohne Risiko (Urin, Kot, Magensaft, Erbrochenem, Tränen oder Speichel) oder bei Kontakt von infektiösem Material jeden Risikos mit intakter Haut.

Sexuelle Exposition

Sexuelle Exposition bei bekannter HIV-Infektion der Indexperson

Eine HIV-PEP wird empfohlen nach
ungeschütztem* Analverkehr oder Vaginalverkehr (rezeptiv oder insertiv), wenn die Viruslast der Sexualpartnerin/des Sexualpartners >1.000 Kopien/ml beträgt oder der Behandlungsstatus nicht eruierbar ist.

Eine HIV-PEP wird angeboten nach
ungeschütztem* Analverkehr oder Vaginalverkehr (rezeptiv oder insertiv), wenn die Viruslast der Sexualpartnerin/des Sexualpartners 50-1.000 Kopien/ml beträgt.

Tab. 1 Zusammenfassung der Empfehlungen zur HIV-PEP bei arbeitsbedingter HIV-Exposition
Tab. 1 Zusammenfassung der Empfehlungen zur HIV-PEP bei arbeitsbedingter HIV-Exposition

Eine HIV-PEP soll nicht erfolgen (keine Indikation) nach
ungeschütztem* Analverkehr oder Vaginalverkehr (rezeptiv oder insertiv), wenn die Viruslast der Sexualpartnerin/des Sexualpartners <50 Kopien/ml beträgt. Oralverkehr, unabhängig von der Art des Oralverkehrs (aktiv, passiv, Sperma aufnehmend).

Sexuelle Exposition bei unbekanntem HIV-Status der Indexperson

Eine HIV-PEP wird angeboten nach
ungeschütztem* Anal- oder Vaginalverkehr, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Sexualpartnerin/beim Sexualpartner eine unbekannte bzw. nicht behandelte HIV-Infektion vorliegen könnte, erhöht ist, z.B.

  • bei Sex zwischen Männern oder
  • bei Heterosexuellen, wenn die Sexualpartnerin/der Sexualpartner aktiv intravenös Drogen konsumiert, aus einer HIV-Hochprävalenzregion (v.a. Subsahara-Afrika) kommt oder bi-sexuell ist.

Eine HIV-PEP soll nicht erfolgen (keine Indikation) nach
Oralverkehr, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der bei der Sexualpartnerin/beim Sexualpartner eine unbehandelte HIV-Infektion vorliegen könnte und unabhängig von der Art des Oralverkehrs (aktiv, passiv, Sperma aufnehmend).

Vergewaltigung/Sexualisierte Gewalt

Eine HIV-PEP wird angeboten
nach ungeschütztem* Anal- oder Vaginalverkehr.

Eine HIV-PEP soll nicht erfolgen (keine Indikation) nach
Oralverkehr, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der beim Täter eine unbehandelte HIV-Infektion vorliegen könnte und unabhängig von der Art des Oralverkehrs (aktiv, passiv, Sperma aufnehmend).

Biss- und Schnittverletzungen

Eine HIV-PEP wird empfohlen nach
tiefen blutigen Bissverletzungen durch eine nicht oder nicht ausreichend antiretroviral behandelte HIV-positive Person, die zum Zeitpunkt des Bisses selbst blutende Verletzungen im Mund aufweist (z.B. Zungenbiss bei epileptischem Anfall).

Eine HIV-PEP wird angeboten nach
seriellen blutenden Verletzungen durch das gleiche Instrument, z.B. bei seriellen Verletzungen mit einem Messer und unbekanntem bzw. nur zeitverzögert ermittelbarem HIV-Status der Verletzten.

Intravenöser Drogengebrauch: Teilen von Injektionsutensilien oder Verletzung durch herumliegende Kanülen

Eine HIV-PEP wird empfohlen nach
gemeinsamer Nutzung eines HIV-kontaminierten* Injektionsbestecks bzw. Teilen der Drogen mit Kontaminationsgefahr* durch mehrere Drogengebrauchende.

Eine HIV-PEP wird angeboten nach
gemeinsamer Nutzung eines Injektionsbestecks bzw. Teilen der Drogen mit Kontaminationsgefahr* durch mehrere Drogengebrauchende ohne Kenntnis des HIV-Status der anderen Drogengebrauchenden.

Eine HIV-PEP soll nicht erfolgen (keine Indikation) nach
Stichverletzungen Unbeteiligter durch herumliegendes Drogen-Injektions-besteck (Kanülen).

Medikamente zur PEP

Folgende Kombinationen werden empfohlen:

TDF/FTC + RAL 2x 400 mg oder 1x 2 zu je 600 mg

TDF/FTC + DTG 50 mg

TAF/FTC/BIC*

Wenn diese nicht verfügbar sind:

TDF/FTC + DRV/r 800 /100 mg

TAF/FTC/EVG/c*

Alle anderen Substanzen und Kombinationen sollen bis auf den seltenen Fall einer Exposition gegenüber einem Virus mit Resistenzen nicht verwendet werden.

Die Dosierungen gelten für Erwachsene und Kinder/Jugendliche ab 12 Jahren mit einem Körpergewicht >35 kg. Für jüngere Kinder gelten andere Dosisempfehlungen (siehe entsprechende Produktinformationen).

*Bei bestehender Schwangerschaft sollen TAF/FTC, BIC und EVG/c nicht verwendet werden.

EMPFOHLENE UNTERSUCHUNGEN

Tab. 2 Empfohlene Untersuchungen bei Index- und exponierter Person
Tab. 2 Empfohlene Untersuchungen bei Index- und exponierter Person


Kosten

Kosten

Die für eine PEP empfohlenen Substanzen haben keine formelle Zulassung für eine PEP. Die Kosten werden bei arbeitsbedingter Exposition durch den Unfallversicherungsträger und bei nicht-arbeitsbedingter Exposition in Deutschland durch die gesetzliche Krankenversicherung getragen, wenn ein hohes HIV-Übertragungsrisiko bestand und sie unter Beachtung dieser Leitlinien eingesetzt werden. In Österreich gibt es derzeit keine Unterstützung durch die gesetzlichen Krankenkassen.



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