Interview mit Engelbert Zankl, Aids-Hilfe München
Aids-Hilfe München 10 Jahre HIV-Therapie-Hotline in München

Engelbert Zankl

Seit 10 Jahren berät Engelbert Zankl von der Münchner Aids-Hilfe HIV-Infizierte zu allen Fragen rund um die antiretrovirale Therapie. Zankl ist selbst seit 23 Jahren HIV-positiv und nimmt seit 13 Jahren Medikamente.

Herr Zankl, vor rund 10 Jahren begannen Sie mit der Therapie-Hotline. War das damals etwas ganz Neues?

Engelbert Zankl: In den Aids-Hilfen Köln und Berlin gab es damals lediglich Teilzeitstellen für die Therapie-Beratung. In München wurde die erste Vollzeit-Stelle in Deutschland geschaffen.

Wie war die Resonanz? Wie viele Anrufe hatten Sie in den ersten Jahren? 

Engelbert Zankl: Es haben gleich von Anfang an viele Menschen angerufen. Die Zahl der Beratungen liegt seither konstant bei rund 400 pro Jahr. Das erscheint vielleicht nicht so viel, aber man muss bedenken, dass Therapie-Beratungen lange dauern, nämlich rund eine Stunde im Durchschnitt.

Was waren anfänglich die wichtigsten Themen? 

Engelbert Zankl: Am Anfang stand das Therapieversagen im Vordergrund. Die Bioverfügbarkeit der Medikamente war bei weitem nicht so gut wie heute. Das heißt, die Tabletten mussten vier- bis fünfmal täglich sowie mit oder ohne Essen eingenommen werden. Das weiß ich noch gut, ich musste damals auch viermal
täglich Tabletten schlucken. Die Therapie bestimmte den Tagesrhythmus und viele fragten, wie man das am besten macht ...

Welchen Stellenwert hatten die Nebenwirkungen?

Engelbert Zankl: Nebenwirkungen waren ein wichtiges Thema und sind es heute noch. Kurz bevor wir mit der Therapie-Hotline begannen, wurde erstmals die Lipodystrophie beschrieben. Das hat alle sehr beschäftigt und mich natürlich auch. Heute ist die Lipodystrophie deutlich seltener geworden. Aktuell stehen insbesondere Übelkeit und Durchfall im Vordergrund.

Welches waren nach Ihrer persönlichen Meinung die wichtigsten Verbesserungen im Lauf der letzten 10 Jahre? 

Engelbert Zankl: Für mich ist das zunächst die Erkenntnis, welche Medikamente eine Lipodystrophie verursachen und der Verzicht auf diese Medikamente. An zweiter Stelle steht der Einsatz von Norvir® als Booster. Dadurch muss man die Medikamente seltener einnehmen und nicht mehr auf die Mahlzeiten achten.

Angesichts der deutlich besseren Verträglichkeit und Bequemlichkeit der Einnahme ist die Angst vor Therapie zurückgegangen? Und welche Verbesserungen sind noch nötig?

Engelbert Zankl: Die Angst vor den Medikamenten ist immer noch weit verbreitet. Hier muss man informieren, informieren, informieren... Und was die Wünsche für die Zukunft betrifft, da steht natürlich die Heilung ganz oben auf der Liste und gleich darunter Depotpräparate, z.B. eine 3-Monats-Spritze.

Wie arbeiten Sie mit der Pharmaindustrie zusammen? Hier hat sich ja im Lauf der Jahre viel geändert...

Engelbert Zankl: Die Therapie-Hotline wurde zunächst von allen Pharmafirmen sehr großzügig unterstützt mit Informationsmaterial und Einladungen zu wissenschaftlichen Kongressen. Das ist im Lauf der Jahre immer weniger geworden und seit der Einführung des Pharma-Kodex ist dies gar nicht mehr möglich. Die Aids-Hilfe als Patientenorganisation und ich als Patient und Nicht-Arzt haben keinen Zugang zu medizinischen Informationen. Diese sind „Fachkreisen“ vorbehalten. Das ist eine problematische Entwicklung, denn es ist aufwändig an wichtige Informationen zu kommen.

Manche Ärzte sind der Meinung, dass die Therapieberatung eine ärztliche Tätigkeit ist. Was würden Sie diesen Ärzten entgegnen? 

Engelbert Zankl: Sicherlich ist die Therapieberatung eine ärztliche Tätigkeit, doch in der Praxis ist meist nicht genügend Zeit, um die Patienten ausführlich zu beraten. Ich kann mir die Zeit nehmen. Die Beratung zu einer Ersttherapie dauert in der Regel auch mehr als eine Stunde. Zudem findet die Begegnung mit mir auf einer anderen Ebene statt, denn ich bin selbst betroffen. Jemand zu begegnen, der nach 23 Jahren HIV und 13 Jahren Therapie noch lebt und gesund ist, empfinden viele als erleichternd.

Was können die Ärzte verbessern?

Engelbert Zankl: Ganz klar, mehr Zeit für das Gespräch mit dem Patienten! Aber auch die Patienten selbst können etwas verbessern, nämlich die wenige Zeit effektiv zu nutzen. Das heißt, man sollte sich auf das Gespräch vorbereiten, sich die wichtigsten Fragen vorher notieren und möglichst konkret fragen.

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