Washington, 10-11 January 2011
1st International Workshop on HIV & Women From Adolescence through Menopause

30 Jahre nach Beginn der AIDS-Epidemie fand Anfang Januar in Washington der erste internationale Workshop HIV und Frauen statt. Virology Education richtete zusammen mit dem Organizing Comittee eine hervorragend organisierte Tagung aus. Mit dem Fairmont Hotel mitten in Georgetown war ein ideal gelegener Tagungsort vorhanden und in zwei straff organisierten Tagen folgten 118 Teilnehmer aus 25 Ländern den Beiträgen, ergänzt durch Posterpräsentationen im Parallelraum.

Der Workshop zeigte die Komplexität der frauenspezifischen Themen, hatte Raum für wissenschaftlichen Austausch und gab Implikationen für zukünftig, notwendige Forschungsansätze.

Die Themenvielfalt reichte von ART und Toxizität, Komorbiditäten, genitale Schleimhautimmunität, Altern, hormonale Interaktionen, soziale Einflüsse, Kohorten HIV-positiver Patientinnen bis zu Verhütung und Schwangerschaft. Jede Session wurde mit einem Review zum Thema eröffnet, gefolgt von mündlichen Präsentationen zum Thema.


Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden kam aus den USA, Kanada und Afrika. Lediglich 13 Teilnehmer aus Europa waren anwesend. Aktiv vertreten war nur Deutschland mit einem Posterbeitrag. Patienten-Netzwerke, US-amerikanische Regierungsbehörden und Pharmaindustrie zählten ebenfalls zu den Teilnehmern. In erster Linie wurde das Auditorium jedoch durch wissenschaftlich tätige Mediziner geprägt. Der internationale Charakter des Workshops soll wachsen, der Tagungsort soll dementsprechend wechseln. Die jetzige US-amerikanische und kanadische Prägung ist durch das Organisationskomittee erklärt und bietet sicher eine gute Grundlage für den zukünftig, gewünschten internationalen Austausch.

Stigmatisierung erklärt nicht alles

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Li Dr. Susanne Usadel, Freiburg und Dr. Ivanka Krznaric, Berlin

Die erste von insgesamt sechs Sessions widmete sich epidemiologischen Daten und dem Zugang von Frauen zur Versorgung. K. Smith, USA, gab einen Überblick der aktuellen Zahlen, gefolgt von dem Versuch einer Erklärung, warum Frauen in Afrika und anderen Drittweltländern soviel häufiger infiziert werden. Die Stigmatisierung als „umbrella for everything“ fand sie eine zu einfache Erklärung. Frauen sehen sich viel zu oft als nicht gefährdet an und sind daher den gängigen Präventionsmaßnahmen nicht zugänglich. Die Wahrnehmung des Risikos in unterschiedlichen Lebenskonstellationen sei daher eine vordringliche Aufgabe in Südafrika (Y. Zembe, O-01).

Prävention für Frauen 

„HIV Prevention for Women“ war die zweite große Session. Die Grundlagen der Immunologie des Genitale und der HIV-Transmission waren Thema des einleitenden Vortrages von R. Kaul  aus Toronto, Kanada. Die mittlere Transmissionsrate bei diskordanten Paaren liegt bei ~12%/Jahr (Quinn, 2007). Die Infektiosität ist damit erstaunlich gering, der Grund sehr heterogen. Sie steigt bei Vorliegen einer genitalen Infektion. So verdreifacht eine HSV-2 Infektion beispielsweise das Risiko einer HIV-Infektion (Glynn J. AIDS, 2009). Immunologisch protektive Faktoren sind schwerer zu definieren. Erste Erfolge in der genitalen Prävention sind mit einem Tenofovir-haltigen Gel (CAPRISA 004) sind im vergangenen Jahr veröffentlicht worden. S. Cuccop, stellte eine Unterstudie vor, die mögliche Schwierigkeiten des Gel-Gebrauches darlegte. Die Unwissenheit des Partners um die Gel-Benutzung scheint der entscheidende Faktor für ein mögliches Versagen zu sein.

Q. Abdool Karim aus Durban, Südafrika, betonte die Wichtigkeit der Mikrobizid-Studien für die Prävention bei heranwachsenden Frauen. Der „Proof of concept“ sei für den prophylaktischen Gebrauch von antiretroviralen Substanzen in mikrobiziden Gels erbracht und wird nun auch für andere Substanzen (TMC 120 (Dapivirine, Maraviroc, UC-781, MIV-150) untersucht.

Opt-out Test?

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Im zweiten Teil der Session wurde eine Studie zum in den USA seit Juni 2007 praktizierten opt-out testing an einer Klinik in Washington vorgestellt (S. Isom, O_08). Opt-out heißt, der Patientin wird mitgeteilt, dass ein HIV-Test durchgeführt wird und sie muss aktiv widersprechen, wenn sie dies nicht wünscht. Die Studie der Howard University in Washington soll zeigen, dass durch opt-out in einem afroamerikanischen städtischen Umfeld mit hoher HIV-Prävalenz mehr Frauen getestet werden können. Sie glauben,  dass die HIV-Testung entstigmatisiert wird. Die Frauen fühlen sich nicht mehr „ausgesucht“ für den Test, da jeder getestet wird.   

Frauenanteil immer noch gering

Die bestehenden Kohorten waren Thema der letzten Session des Tages (Learning from each other: what cohorts of women are available?). Die WIHS-Kohorte in den USA ist sicher die bekannteste, über die Welt verteilt gibt es eine Vielzahl. Kohorten-Daten sind im Frauenbereich meist die einzig verfügbaren Daten. In klinischen Studien ist der Frauenanteil gering. Laut Kathleen Squires aus Philadelphia, USA, waren 1987-1990 nur
6,7% der 11.909 Patienten in den ACTG-Studien Frauen.  Obwohl dann nach 1990 der Frauenanteil gesteigert werden konnte, haben nur wenige Studien ausreichend statistische Power, um definierte Antworten auf wichtige frauenspezifische Fragen zu geben.  Selbst nach 2000 waren, so eine Meta-Analyse von antiretroviralen Studien von 2000-2008 mit 22.411 Teilnehmern, nur 20% Frauen. Und nur wenige Untersuchungen widmen sich genderspezifischen Fragen. Eine Ausnahme ist hier die GRACE-Studie. Sie zeigte bei den afroamerikanischen und weiblichen Teilnehmern eine Verbesserung Lebensqualität unter Darunavir/r, auch wenn diese beiden Gruppen ein deutlich schlechteres virologisches Ansprechen und eine höhere drop-out Rate hatten im Vergleich zu Männern und weißen/lateinamerikanischen Patienten.

Langzeitnebenwirkungen bei Frauen

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Abb. 1 Anteil therapienaive Männer und Frauen mit einer Viruslast <50 Kopien/ml unter einer LPV/r-basierten ART. Metaanalyse von sechs Studien, Woche 48

Die HIV-Infektion selbst wird bei allen Patienten für die Entwicklung einer verminderten Knochendichte verantwortlich gemacht (Fausto A, et al., Bone. 2006 Jun; 38 (6):893-7), aber eben auch die antiretrovirale Therapie, hier vor allem die Proteasehemmer (Carr A, et al., AIDS 1998;12: F51-F58). Verminderte Knochendichte und antiretrovirale Therapie haben eine signifikante Assoziation mit der Lipodystrophie bei Frauen. Eine in den USA durchgeführte Studie wurde vorgestellt, die allerdings aufgrund der leider kleinen Fallzahl (R. Hicks et al.) nur wenig aussagekräftig war. Die dann vorgestellte Meta-Analyse von sieben Lopinavir/r-Studien (sechs davon an therapienaiven Frauen) in Hinblick auf Effektivität, Sicherheit und Verträglichkeit konnte keine geschlechterspezifischen Unterschiede finden (A. Hermes) (Abb. 1).

Sexualität im Alter Tabu-Thema?

Session fünf (Special issues in Women – adolescence, coinfection, pregancy and the menopause) begann mit einem brillianten Überblick, was wir eigentlich nicht über unsere Patientinnen wissen (G. Gray, South Africa). Die Pubertät ist die Herausforderung an die Mediziner. Auch hier gilt es Therapietreue und anhaltendes virologisches und immunologisches Ansprechen zu erreichen, was aber selbst in den reichen Ländern bisher nur suboptimal gelingt (Flynn PM, AIDS Res Hum Retrovir 2007; Murphy DA, AIDS Care 2001). Gründe für das Versagen von PMTCT-Programmen in Südafrika sind vielfältig und noch nicht vollständig erklärt. HIV und Alter ist bei Frauen noch kaum erforscht und auch die Sexualität, Safer Sex und HIV-Test im höheren Lebensalter sind kein Thema.

Schwangerschaftsregister

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Tab. 1 Geburtsfehler unter verschiedenen antiretroviralen Medikamenten. Daten des Antiretroviral Pregnancy Registry.

H. Watts, berichtete anschließend über das Antiretroviral Pregnancy Registry (APR). Seit 1989 sind 15.101 Frauen eingeschlossen. Die Daten von 13.298 (88%) konnten bis Juli 2010 ausgewertet werden. Ein Viertel der Frauen (28%) hatten eine CD4-Zellzahl von mehr als 500/µl, 43% hatten 200 bis 49/µl, 16% weniger als 200 /µ, die restlichen Daten fehlen. 6.005 Frauen (45%) wurden im ersten Trimester, 5.388 (41%) im zweiten Trimester und 1.903 (14%) in dritten Trimester eingeschlossen. Weil 238 Frauen zwei oder mehr Kinder bekamen, sind 13.538 Schwangerschaften dokumentiert, davon 12.652 Lebendgeburten (94%), 180 Todgeburten (1%), 390 induzierte Aborte (3%) und 316 spontane Aborte (2%). Für alle verfügbaren Schwangerschaften bis Juli  2010 liegt die Rate der Geburtsfehler bei 3% und unterschied sich nicht hinsichtlich ART-Exposition im ersten, zweiten oder dritten Trimester. Unter den antiretroviralen Medikamenten mit mindestens 200 Berichten haben Didanosin und Nelfinavir ein geringes, aber signifikant höheres Risiko für Geburtsfehler bei Gabe im ersten Triminon (Tab. 1)  (Watts DH, Vannappagari V, Seekins DW, et al. Monitoring for birth defects among infants born to antiretroviral-exposed pregnant women: the Antiretroviral Pregnancy Registry, O_19).

Pharmakologie

„Pharmacology in Women“ war das finale Thema des Workshops. Was ist wichtig, wenn man von Frauen und antiretroviraler Therapie spricht (A. Kuasaba, et al.)? Ob hohe Medikamentenspiegel bei Frauen zu einer besseren Wirksamkeit führen oder mehr Nebenwirkungen zeigen, ob man über Dosierungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett spricht, ob man über Interaktionen von Progesteronen und Östrogenen in topischen oder oralen Gaben bei gleichzeitiger ART-Gabe nachdenkt: All das muss besser untersucht und charakterisiert werden.

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