Katharina Thiele, München
Distribution und Arzneimittelpreise – wer verdient wie viel?

Wenn es um Kosten im Gesundheitswesen geht, werden in erster Linie die Arzneimittelpreise für deren Explosion verantwortlich und die Pharmaindustrie zum Buhmann erklärt. Dabei ist es leider traurige Wahrheit, dass kaum jemand wirklich weiß, wie sich die Arzneimittelpreise tatsächlich zusammensetzen und verteilen. Neben der Tatsache, dass neue Arzneimittel auf Grund der anfallenden hohen Investitions- und Entwicklungskosten nicht zu Billigpreisen auf den Markt kommen können, ist Fakt, dass aufgrund der gesetzlich festgelegten Arzneimittelpreisverordnung erhebliche Margen in der sogenannten Distributionskette bei den Großhändlern und Apothekern verbleiben und auch der Staat seine Mehrwertsteuer von zusätzlich 19% kassiert.

Klassischerweise liefert ein pharmazeutisches Unternehmen seine Arzneimittel über den Großhandel (GH) an die Apotheken aus, die diese dann wiederum gegen Verschreibung an die Patienten abgeben. Die Grundlage für die gesetzlich definierten Verdienstspannen der beteiligten Parteien ist der Herstellerabgabepreis (HAP). Je höher dieser ausfällt, desto attraktivere Margen lassen sich mit dem entsprechenden Arzneimittel erzielen. In der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisVO) sind die Margen, die auf den HAP addiert werden, festgelegt. Man unterscheidet die Großhandelsmarge von der Apothekenmarge und zusätzlich die Mehrwertsteuer. Daher sind besonders teure, weil in ihrer Entwicklung aufwendige, Arzneimittel wie HIV-Medikamente sowohl für Großhändler als auch Apotheker hochinteressant, denn hier ist im Vergleich zu weniger teuren Arzneimitteln viel Geld zu verdienen. Der GH nutzt dies, um die geringen bis fehlenden Verdienstmargen bei Medikamenten mit sehr geringen HAPs wie Generika, die er auch an die Apotheken liefern muss, auszugleichen; man nennt dies Mischkalkulation. Auch die Apothekenmarge bei HIV-Medikamenten lässt sich durchaus rechtfertigen, denn eine gute Betreuung der HIV-Patienten erfordert einen nicht unerheblichen Aufwand für seriös arbeitende Apotheken (s. weiter unten).

So viel verdient der Handel

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1 Mit dem ab dem 1.1.2011 in Kraft tretenden AMNOG wird sich dies bei Neueinführungen ändern.

2 Freiwillige Kondition des PU

3 Diese Rabatte behält die GKV bei der Abrechnung mit dem Apotheker ein. Der Apotheker muss über sein Abrechnungszentrum den 16%en Herstellerrabatt beim PU einholen!

4 Ab 1.1.2011 gemäß AMNOG: 5,15%

5 Einkaufspreis

6 Verkaufspreis

7 Ab 1.1.2011 gemäß AMNOG: 2,05€

Pharmazeutische Unternehmen sind in der Vergangenheit in ihrer Preisgestaltung frei gewesen, wenn sie ein neues Produkt auf den Markt gebracht haben 1. Allerdings müssen sie, wenn sie ihren HAP in der offiziellen Preisliste, der Lauer-Taxe, veröffentlicht haben, diesen gegenüber dem GH oder den Apotheken einhalten, d.h., sie dürfen keine zusätzlichen Rabatte auf den gelisteten Preis gewähren. Auf freiwilliger Basis zulässig sind lediglich Skonti im handelüblichen Rahmen, d. h. bis zu maximal 3%.

Im Folgenden sind am Beispiel eines in der HIV-Therapie häufig eingesetzten Arzneimittels die Verdienstspannen der einzelnen an der Distributionskette beteiligten Partner dargestellt:

Zu beachten ist, dass diese Margen immer auf den in der Lauertaxe gelisteten HAPs bezogen werden und nicht auf den tatsächlich Preis, den das pharmazeutische Unternehmen nach Abzug des gesetzlichen Herstellerrabattes und gegebenenfalls des freiwillig gewährten Skontos erhält. Das Pharma-Unternehmen erhält also durch den Verkauf einer N2-Packung 517,98 €, während durch die festgelegten Preisspannen und Steuern 38,37 € beim GH verbleiben bzw. 26,69 € an die Apotheke und 133,86 € an den Staat gehen

Die dicksten Rosinen

Bei diesen Gewinnmargen ist es verständlich, dass der GH an hochpreisigen Arzneimitteln wie HIV-Medikamenten sehr interessiert ist, kann er abhängig von der AMPreisVo doch bis zu 72 € 8 pro Packung plus Skonto verdienen. Dies haben auch viele Apotheker erkannt und genau aus diesem Grund ebenfalls eine GH-Lizenz beantragt, um bei den Herstellern direkt als Großhändler einkaufen und die 6%ige Großhandelsmarge (sowie gegebenenfalls das Skonto) neben der 3%igen Apothekenmarge plus der 8,10 € abzüglich des gesetzlichen Apothekenrabattes von 1,75 € bei der GKV abrechnen zu können. Einige Hersteller liefern direkt an diese Apotheken, andere wiederum nur über den klassischen Vertriebsweg GH, d.h. nur solche Inhaber einer Großhandelslizenz erhalten Ware, die nachweislich auch andere Apotheken beliefern. Damit stützen diese Hersteller die bereits erwähnte Mischkalkulation des GHs, der gesetzlich verpflichtet ist, eine flächendeckende Versorgung mit allen Arzneimitteln, teuren und weniger teuren, sicherzustellen. Wenn Apotheker mit Großhandelserlaubnis nur für ihren eigenen Bedarf einkaufen, kann deren Gewinn bei der beispielhaften N2-Packung  bis zu 84,25 € ausmachen!

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8 Der Gesetzgeber hat die Marge gedeckelt

9 Hierunter versteht man die Bestimmung der Reichweite der an den Kombinationstherapien beteiligten Tabletten/Kapseln in Abhängigkeit von ihrer Packungsgrößen. Nicht alle Packungen weisen zwangsläufig immer die gleiche Anzahl von Tabletten/Kapseln auf.

Schwerpunktapotheke

Für eine Schwerpunktapotheke kann dies natürlich sinnvoll sein, denn sie sollte für eine qualitätsorientierte Betreuung von HIV-Patienten hohe Standards ein- und Leistungen vorhalten: Dazu gehört das Angebot eines kompletten pharmazeutischen Management an die HIV-Patienten, das aus Reichenweitenanalyse 9 der einzelnen Medikamente einer Kombinationstherapie, dem Wechselwirkungsmanagement, der Dokumentation arzneimittelbezogener Probleme sowie einer allgemeinen Patientenberatung und -schulung bestehen sollte. Weiter muss sie das Warenlager flexibel anpassen, um die Lieferfähigkeit der verschriebenen Medikamente jederzeit garantieren zu können. Damit gehen nicht unerhebliche Lagerkosten und Leistungen einher, nämlich Bestellungen beim Lieferanten, Verbuchen und Prüfen der Ware, die gesamte Lagerverwaltung inklusive des Managements bei Arzneimittelrückrufen

etc. Auch fallen die Kosten für die Versicherung des Warenlagers an, in dem mit den HIV-Medikamenten ein nicht unerheblicher Wert liegt. Hat die Apotheke auch Privatpatienten zu versorgen, muss sie die Medikamente dieser Kunden in der Regel vorfinanzieren bis die Privatkasse dem Patienten das Geld überwiesen hat. Damit trägt die Apotheke auch ein finanzielles Ausfallrisiko. Weitere administrative Leistungen und Aufwendungen sind die Rechnungsstellung und Rechnungsverwaltung für Privat- und gesetzlich Versicherte, die Beantragung von Genehmigungen für die Patienten bei der Krankenkasse, das Ausstellen von Bescheinigungen für die Krankenkasse, die gesetzlich vorgeschrieben  Arzneimittelprüfungen, die Beachtung und Bearbeitung von Import- und Rabattverträgen sowie die Quersubventionierung der gesetzlich vorgeschriebenen Grundleistungen (Notdienst/ Rezeptur etc.). Um alle diese Leistungen qualitätsorientiert erbringen zu können, bedarf es eines ausreichend ausgebildeten Personalstammes, der fortwährend fortgebildet werden muss.

Hohe Gewinnspanne bei Importarzneimittel

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Unter dem gegenwärtigen Kostendruck verordnen viele Ärzte keine Originalpräparate, sondern weichen zunehmend auf die sogenannten Parallelimporte aus. Das sind Präparate, die in Ländern mit niedrigerem HAP und ohne Aufschlag einer gesetzlich festgelegten Spanne wie in der deutschen AMPreisVO von Importeuren eingekauft und auf dem deutschen Markt als Importarzneimittel gekennzeichnet – meistens durch Überkleben des Ursprungtextes in Deutsch – in Verkehr gebracht werden. Der § 129 des Sozialgesetzbuch Nummer 5 (SGB V) verpflichtet den Apotheker, Importarzneimittel bevorzugt dann abzugeben, wenn sie um 15 % oder 15 € preisgünstiger sind als das deutsche Originalpräparat. Der Bundesverband der Arzneimittelimporteure e.V. (BAI) proklamiert, dass durch Verwendung der Importarzneimittel hohe Einsparungen garantiert und ohne jeden Qualitätsverlust die Kosten für Arzneimittel zugunsten der Krankenkassen gesenkt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade bei den teuren Präparaten wie den HIV-Medikamenten kein Importeur diese zu einen um 15% gesenkten Preis anbietet, sondern bei der Preisgestaltung lediglich auf gut 15 € verzichtet. Für unser Beispiel der N2-Packung würde eine 15%ige Preisreduktion eine Einsparung von 95,92 € im Vergleich zum Originallistenpreis bedeuten, tatsächlich jedoch liegen die Preise lediglich zwischen 15 und 17 € unter dem Preis des deutschen Originals. Führt man sich dann noch vor Augen, dass der Importeur das Arzneimittel sehr viel billiger im europäischen Ausland einkauft, wird schnell klar, wer hier das eigentliche Geschäft macht. Der Einkaufspreis des Importeurs liegt beispielsweise in Frankreich um 25% niedriger als in Deutschland, für unser Beispiel muss er also um ca. 470 € bezahlen. Beim Weiterverkauf in Deutschland verlangen die Importeure ca. 623 €, also mindestens 15 € weniger als das Originalprodukt – Differenz zum Einkaufspreis in Frankreich: 153 €! Auch wenn der Importeur von dieser Marge noch 24,48 € in Form des 16%igen Herstellerrabattes abgeben muss, bleiben ihm immer noch rund 128 € Gewinn pro Packung!

Was viele sich nicht bewusst machen: Der Originalhersteller trägt bei einer Neueinführung das volle Risiko, d. h. wenn das Arzneimittel kein „Renner“ wird, hat er seine Forschungs- und Entwicklungskosten buchstäblich in den Sand gesetzt. Außerdem reinvestiert er einen erheblichen Teil seiner Gewinne wiederum in Forschung & Entwicklung, die Durchführung klinischer Studien und Projekte, Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte sowie in das Kongresssponsoring. Die Importeure hingegen springen erst, wenn sie sehen, dass ein Arzneimittel vom Markt akzeptiert ist, auf den Zug auf und investieren außer vielleicht Rabatten, die sie bei Direktbelieferungen einzelnen Apotheken einräumen, nichts. Es ist daher sicher für jedermann betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, dass auf Grund rückläufiger Originalumsätze die Investitionsbudgets der Unternehmen auch entsprechend  niedriger ausfallen können und sicher auch zukünftig werden.

Außerhalb der Legalität

 -- Die Ausführungen machen deutlich, dass die Kosteneinsparungen für die Krankenkassen im Verhältnis zu den Gewinnmargen der Importeure, die die Arzneimittel lediglich einkaufen und umetikettieren, marginal sind. Der jüngst gegen einen großen Parallelimporteur erhobene Vorwurf, HIV-Arzneimittel aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland eingeführt und an Apotheken und Patienten weiterveräußert zu haben, widerlegt darüber hinaus eindrucksvoll den proklamierten Qualitätsanspruch an die importierten Arzneimittel. Laut Presseberichten sind weitere Parallel- importeure in diese Praktiken verwickelt. Auch Rezeptsbetrugsfälle kommen immer wieder vor. So ist es vereinzelt angeblich gängige Praxis, trotz Abgabe des Imports auf das Rezept die Pharmazentralnummer (PZN) des Originalpräparates aufzudrucken, um den 16%igen Herstellerrabatt des Originals abrechnen zu können. In unserem Beispiel würden für einen Import ca. 99,92 € Rabatt an die GKV fällig, für das Original jedoch 102,32 €, die Differenz von 2,40 € fließt in die Tasche des Apothekers. Auch mit 3-Monatspackungen kann durch geschickte Abrechnungsweise zusätzlich Geld verdient werden. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Der Apothekenverkaufspreis (AVP) der 1-Monatspackung eines HIV-Medikamentes beträgt 1.272,97 € und der der 3-Monatspackung 3.795,58 €. Damit ist die Verschreibung einer 3-Monatspackung für die GKV günstiger, denn würden drei einzelne 1-Monatspackungen abgegeben, resultieren Kosten von 3.818,91 €, also eine Verteuerung um 23,33 €. Die in der AMPreisVO festgelegten Spannen bedingen allerdings, dass der HAP dieses Originalmedikaments für die 1-Monatspackung bei 972,36 €, der der Dreimonatspackung bei 3.016,80 € liegt. Der Apotheker muss also bei der Verordnung einer 3-Monatspackung 99,72 € mehr im Einkauf bezahlen. Das wird gerne umgangen, in dem auf eine 3-Monatsverschreibung drei 1-Monatspackungen abgegeben, aber die 3-Monatspackung abgerechnet wird. So kann auch „Kleinvieh“ zur Gewinnmaximierung zu Lasten der GKV und des pharmazeutischen Unternehmens, das bei dieser Abrechnungspraxis ca. 16 € mehr Herstellerrabatt zahlen muss, beitragen.

Daneben werden auch immer wieder Rezeptbetrugsfälle größeren Ausmaßes aufgedeckt, wie der jüngste Fall eines Berliner Apothekers zeigt, der groß durch die Presse ging. Der Apotheker hatte HIV-Medikamente bei den Krankenkassen abgerechnet, die er nicht an Patienten abgegeben hatte. Offensichtlich handelt es sich nur um die Spitze des Eisberges, da die ermittelnde Staatsanwaltschaft angekündigt hat, weitere Ermittlungsverfahren einzuleiten. Obwohl diese Praktiken nur von einzelnen „schwarzen Apothekerschafen“ durchgeführt werden, fördern sie nicht gerade den Ruf einer Branche, die auch sehr gute Beiträge zu einer sinnvollen und qualitätsorientierten HIV-Patientenversorgung leistet. Die Kriterien, deren Einhaltung für seriös arbeitende Apotheken sprechen, sind im folgendem aufgeführt.

Woran sind seriöse HIV-Schwerpunktapotheken zu erkennen?

  • Suffiziente Lager- und Lieferfähigkeit
  • Kommunikationsanbindung an Arzt
  • QM Zertifizierung
  • Nachgewiesene Fortbildungen auf dem HIV Sektor
  • Vorhandensein eines separaten Patientenberatungsraumes
  • Apothekeneigene Beratungsflyer
  • Beratungsangebote wie Patientenschulungen, BIA Messungen, Ernährungsberatung
  • Komplette pharmazeutische Beratung
    • Reichenweitenanalyse
    • Wechselwirkungsmanagement
    • Dokumentation arzneimittelbezogener Probleme
    • Patientenberatung
  • Nachweis des Bezugs von zugelassener deutscher Ware

Für die aktuelle Gültigkeit der aufgeführten Preise und Berechnungen wird keine Gewährleistung übernommen.



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