9th European Workshop on HIV & Hepatitis
Virologische Neuigkeiten von HIV, HBV und HCV

Schon am neuen Namen des Kongresses erkennt man die in den Vorjahren begonnene Neuausrichtung der Veranstaltung in Richtung eines übergreifenden Kongresses zu den virologischen Aspekten von HIV und Hepatitisviren.

Auf der europäischen Tagung waren 33 Vorträge zu hören und 54 Poster zu sehen, die auf Basis der eingereichten Abstracts ausgewählt wurden. Zudem hielten sechs eingeladene Referenten Übersichtsvorträge mit dem Schwerpunkt HBV- und HCV-Therapie.

Integraseresistenz

Im Bereich der klassischen Resistenz-mutationen waren ein Schwerpunkt die Daten zu Dolutegravir (S/GSK-1349572) bei bestehender Resistenz gegen Raltegravir. So konnte anhand klonaler Daten gezeigt werden, dass eine Kombination der Mutationen Q148H und G140S phänotypisch zu einer mindestens 27- fachen Resistenz gegen Raltegravir führt. Der Resistenzfaktor war sogar höher in Verbindung mit weiteren Mutationen (Canducci F. et al., Abstract O_01). Während diese Resistenzfaktoren mittels phänotypischer Analyse (Anzucht rekombinanter Viren in Zellkultur) ermittelt wurden, stellte Hightower K. et al. (Abstract O_02) die Daten der biochemischen Analyse von Virusmutanten vor. Hier wurden die Dissoziationsgeschwindigkeiten von Raltegravir, Elvitegravir und Dolutegravir bei verschiedenen Mutationen der rekombinant hergestellten Integrase vorgestellt. Während verschiedene Mutationen zu einer deutlich verkürzten Bindungszeit von Raltegravir zur Integrase führten, war dieser Effekt weit weniger bei Dolutegravir ausgeprägt. Leider wurde in dieser Studie nicht die Kombination Q148H+Q140S untersucht. Solange kein klinisch validierter Cut-off für Resistenzfaktoren gegen Dolutegravir existiert, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Mutationskombination zu einem relevant schlechteren Ansprechen gegen Dolutegravir führt.

Die Analyse der Integrase-Gensequenzen von 427 Integraseinhibitor-naiven Patienten in der SnoB-Studie (Sierra S. et al. P_02) konnte zeigen, dass in Non-B Subtypen deutlich häufiger sekundäre Resistenzmutationen gegen Raltegravir auftraten. Unter den hierbei gefundenen Mutationen war aber nicht die sekundäre Mutation G140S.

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Abb. 1 V3-Quasispezies Zusammensetzung an UDPS entsprechend der falsch positiven -Rate nach V3-Populationssequenzierung nach V. Svicher, Abstract O_19

Tropismus

Ein weiterer Schwerpunkt war die genotypische Tropismustestung. Hier konnte die durchgehend hohe Qualität der Testung in europäische Laboren im Ringversuch gezeigt werden (Kaiser R. et al. Abstract O_22).  Obwohl in den europäischen Guidelines zur Corezeptor-Tropismustestung Cut-offs für die False Positive Rate (FPR) von geno2pheno [coreceptor] vorgestellt wurden, ist dies weiterhin ein Diskussionspunkt. Interessant in der Diskussion war hier vor allem der Beitrag von V. Svicher (Abstract O_19), der einen Zusammenhang zwischen dem Nachweis von minoren Populationen von CXCR4-tropen Viren und der FPR belegt. Mit sinkender FPR wurde ein steigender Anteil an CXCR4-tropen Viren nachgewiesen (Abbildung 1). Die Definitionen des anzuwendenden FPR Cut-off sollte aber auch abhängig von dem verwendeten Untersuchungsmaterial sein. In einer HIV-GRADE durchgeführten multizentrischen Studie (Obermeier M. et al. O_21) fand sich bei parallel aus viraler RNA und proviraler DNA durchgeführtem Tropismustest eine niedrigere FPR in der proviralen DNA. Bisher wurde für die Untersuchung des Corezeptor-Tropismus aus proviraler DNA ein höherer Cut-off als für Untersuchungen aus viraler RNA angewandt. Diese Daten sprechen für eine deutliche Senkung des Cut-off bei proviraler DNA; es sollten jedoch noch weitere Daten gesammelt werden.

HIV-Viruslast

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Abb. 2 Zeit bis zum virologischen Versagen (bestätigte VL >400 Kopien/ml) nach Doyle T et al, Abstract O_3

Die niedrigere Nachweisgrenze in den neueren HIV-Viruslast-Bestimmungsverfahren wirft die Frage nach der klinischen Relevanz dieser niedrigen, aber nachweisbaren Virusmengen auf. Doyle T. et al. (Abstract O_30) haben dazu Daten von 1.247 Patienten ausgewertet. 240 davon hatten zu Beginn der Untersuchung eine Viruslast zwischen 40 und 49 Kopien/ml. Das Risiko der Patienten, mit einer Viruslast unterhalb von 40 Kopien/ml oder nicht nachweisbarer Viruslast ein Therapieversagen mit einer Viruslast über 400 Kopien/ml zu entwickeln, war signifikant geringer als bei Patienten mit einer Viruslast zwischen 40 und 49 Kopien/ml. So konnte bei einer Nachverfolgung der Patienten über 18 Monate in dieser Gruppe ein Anteil von ca. 30 % der Patienten mit einer Viruslast über 400 Kopien/ml gefunden werden (Abbildung 2). Ob eine frühzeitige Therapieumstellung bei diesen Patienten einen Vorteil bringt, lässt sich aus dieser Studie nicht ableiten. Theoretisch hätten zwar 30 % der Patienten die Möglichkeit, eine nachhaltigere Therapie zu erhalten, bei 70 % der Patienten würde aber wahrscheinlich eine erfolgreiche Therapie grundlos umgestellt werden.

Hepatitis B

Entsprechend der Neuausrichtung des Kongresses wurden in zwei Sessions Themen zur Resistenz bei HBV und HCV besprochen. Während bei HBV die relevanten Mutationen für eine Resistenz gegen die derzeit zugelassenen Medikamente bekannt sind, ist die Auswirkung von Mutationen auf das HBs-Antigen weit weniger gut bekannt. Die Auswirkung dieser Mutationen auf die entsprechenden HBs-Antigen-Nachweisverfahren wurde von Neumann- Fraune M. et al. (Abstract O_17) untersucht. Hier konnte ein teilweise synergistischer Effekt der Mutationen beobachtet werden (z.B. T125M und M133T). Diese Mutationen führen im Unterschied zu anderen Mutationen nicht zwangsläufig zu einem vollständigen immunologischen Escape. Obwohl es, zumindest mit der neuesten Generation von Tests zum Nachweis von HBs-Antigen, nicht zu einem vollständigen diagnostischen Escape kommt, sind die nachgewiesenen HBs-Antigenspiegel deutlich niedriger. Die therapeutische Konsequenz dieser Beobachtungen ist derzeit noch unklar, mit zunehmender Relevanz des quantitativen HBs-Antigen-Nachweises sollten diese Mutationen aber weiter beobachtet werden. Eine Untersuchung auf Resistenz-assoziierte Mutationen vor Therapiebeginn, wie sie bei HIV zur klinischen Routine gehört, ist bei Hepatitis B wahrscheinlich nicht notwendig. Eine Untersuchung von Salpini R. et al. (Abstract O-18) zeigte beispielsweise bei 140 italienischen therapienaiven Patienten eine mit 2,8 % geringe Rate von Resistenzmutationen. Insbesondere konnte bei keinem Patienten eine Mutation M204V nachgewiesen werden, die mit einer Resistenz gegen 3TC oder FTC assoziiert ist.

Hepatitis C

Die Resistenz-assoziierten Mutationen gegen die in diesem Jahr zur Zulassung anstehenden direkt antiviral wirksamen Medikamente (DAA=direct acting antivirals) gegen HCV Boceprevir und Telaprevir sind bereits bekannt. Hier scheinen vor allem die Mutationen an Position 155 und 156 im NS3 zu einer weit reichenden Kreuzresistenz zwischen Boceprevir und Telaprevir zu führen. Die Wirksamkeit der der DAAs vom HCV-Genotypen ist ebenfalls bekannt, doch scheint auch der Subtyp, zumindest im theoretischen Modell, die Entstehung der verschiedenen Mutationen zu beeinflussen (Cento V. et al. O_15). Diese Daten erhöhen den Stellenwert der Bestimmung des HCV-Genotyps vor Therapie. Das Risiko von rekombinanten Viren (Demetriou V.L. et al. P_35) mit unterschiedlichem Genotyp-Hintergrund in verschiedenen Gen-Bereichen und die zunehmende Anzahl der Angriffspunkte der HCV-Therapie lassen eine Komplett-Sequenzierung des HCV interessant erscheinen. Die hohe Variabilität des HCV führt hier aber noch zu größeren Problemen in der Auswertung (van Damme A. et al. O_14), was eine schnelle Einführung dieser Technologie in die Routinediagnostik unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Wer sich von der langen Anreise nicht abhalten ließ, konnte an einem interessanten Kongress teilnehmen. Nachdem der Kongress nächstes Jahr in Spanien stattfindet, ist eine größere Anzahl an Beiträgen und Teilnehmern zu erwarten.

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