Arne B. Jessen und Heiko Jessen, Berlin
HPV-Diagnostik und Screening in der Praxis

HPV-Erkrankungen im anogentialen Bereich sind bei MSM häufig. Die meisten davon kann man in der Praxis diagnostizieren und behandeln. Mit dem Analkarzinom-Screening kommt eine neue Aufgabe hinzu.

Im Allgemeinen werden anogenitale HPV-Infektion eingeteilt in: Latente (asymptomatische), klinische oder subklinische Infektionen. Die meisten Fälle von HPV-Infektionen sind latent und vorübergehend. Diese können nur mittels eines PCR-Tests der viralen DNA nachgewiesen werden.

Klinische Läsionen, welche am häufigsten durch die HPV-Typen 6 und 11 verursacht werden, sind visuell erkennbar und präsentieren sich meist als anogenitale Kondylome (Condylomata acuminata). Diese werden je nach Größe und Verteilung lokal mit Kryotherapie, Imiquimod, Trichloressigsäure oder Grünteeblätterextrakt behandelt. Bei massivem Befall wird chirurgisch per Laser/Elektrokauter abgetragen oder Koagualtionstherapie angewandt.

Die subklinischen Läsionen, einschließlich der onkogenen HPV-Typen 16 und 18, werden durch das Aufbringen von Essigsäure-Lösung (3-5%) leichter  visualisiert. Dieses Verfahren wird als Aceto-Whitening bezeichnet.

Penisläsionen

Bei heterosexuellen Männern sind anogenitale HPV-Infektionen am häufigsten am Penisschaft nachweisbar. Um eine optimale Probenentnahme gewährleisten zu können, wurden bisher verschiedene Methoden erprobt. Für das Sammeln der Zellen erwiesen sich dabei ein Abstrich mit Nagelpfeile (emery board) an multiplen Hautstellen sowie ein feuchter Dacron-Abstrich als die diagnostisch sensitivsten Methoden. Zurzeit sind mehrere kommerzielle Kits für den Nachweis der HPV-DNA bei Frauen erhältlich, allerdings erfolgte bisher keine offizielle Zulassung für deren Gebrauch bei Männern.

Analkarzinom-Screening

Abb. 5 Hochauflösende Anoskopie in der  PraxisAbb. 5 Hochauflösende Anoskopie in der Praxis

Aufgrund der vorhandenen Ergebnisse wird angenommen, dass ein Analkarzinom-Screeningprogramm, ähnlich aufgebaut wie das Zervixkarzinom-Screening-Programm, die Entstehung eines Analkarzinoms verhindern könnte. Ein solches Programm beinhaltet unter anderem  folgende Schritte: anale Zytologie, weitere Untersuchung der Patienten mit abnormalen Ergebnissen mittels einer hochauflösenden Anoskopie (high resolution anoscopy, HRA) und darauffolgende Behandlung der mittels Biopsie nachgewiesenen analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) (Abb. 5 und 6).

Die Sensitivität der analen Zytologie im Vergleich zu den Biopsie-Befunden liegt bei 69-93%, deren Spezifität bei 32-59%. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der Zervixzytologie und Zervixbiopsie für die Prävention von Zervixkarzinomen.

Komparative methodische Untersuchungen an HIV-positiven MSM zeigten, dass eine HPV-Genotypisierung keine Vorteile gegenüber einem zytologischen Screening aufweist. Eine anale zytologische Untersuchung war auch ohne weitere HPV-Typisierung zur Erkennung einer Zellatypie ausreichend.

Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV-Patienten in  der Praxis Jessen 2Abb. 6 Grob vereinfachter Screening‐Algorithmus für AIN/ANALKARZINOM bei HIV-Patienten in der Praxis Jessen 2

Neue Leitlinien

Die neuen Leitlinien zum Analkarzinom-Screening empfehlen für alle HIV-positiven Männer eine jährliche anale Zytologie für alle HIV-positiven Patienten. Bei über 20% der getesteten HIV-positiven Männer mit HPV-Läsionen können Dysplasien histologisch gesichert werden. Unter den HIV-positiven MSM liegt der prädiktive Wert einer abnormalen analen Zytologie für die Vorhersage einer analen Dysplasie bei ca. 95%. Ziel einer analen Zytologie ist die Identifizierung der Patienten, die zelluläre Veränderungen in den Epithelzellen des Analkanals aufweisen. Alle Patienten mit einer Zellatypie sollten anschließend mit einer hochauflösenden Anoskopie untersucht werden.

Praktisches Vorgehen

In unserer Praxis werden die Patienten von den Ärzten oder Mitarbeiter auf diese Vorsorge aufmerksam gemacht. Insgesamt kennen nur wenige Patienten/Klienten im Vorfeld diese Möglichkeiten – große Öffentlichkeitsarbeit ist not-wendig.

Die anale Zytologie erfordert keine besondere Vorbereitung des Patienten. Der Patient sollte jedoch mindestens 24 Stunden vor der Untersuchung auf rezeptiven Analverkehr sowie auf Darmspülungen verzichten.

Die beste Methode für den zytologischen Analabstrich besteht im Einführen eines mit Wasser befeuchteten Dacron-Watteträgers in den Analkanal bis zur Übergangszone von Platten- zu Zylinderepithel (3-4 cm). Um die Zellen zu sammeln wird der Watteträger mit leichtem Druck drehend nach distal geführt. Erst anschließend wird der Patient digital mit Gleitmittel untersucht. Dabei sollte man insbesondere auf Verhärtungen im Analkanal achten.

Im Unterschied zum analen Screening wird das penile HPV-Screening vor allem wegen einer hohen Prävalenz der penilen HPV-Infektion und einer im allgemein begrenzten Dauer der Infektion bei immunkompetenten Männern nicht empfohlen. Zudem gibt es, anders als bei AIN und Analkarzinomen, nur wenig Daten über den Verlauf von penilen HPV-Infektionen und die Entwicklung von PIN oder Peniskarzinomen bei MSM oder HIV-Positiven. Im Gegensatz zu AIN kann die PIN nicht sicher zytologisch diagnostiziert werden. Deshalb bedarf jede verdächtige penile Läsion einer Biopsie.



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