Stellungnahme der dagnä vom April 2015 (Auszüge)

Die Einführung und Verfügbarkeit der PrEP als sehr effektive Präventionsmaßnahme ist aufgrund der gegebenen wissenschaftlichen Evidenzlage – nach heutigem Stand – angezeigt. Sie sollte dabei in Ergänzung – nicht in Konkurrenz – zu den klassischen Angeboten für Menschen mit hohem Infektionsrisiko gesehen werden. Aufklärung und Kondomgebrauch sind weiterhin notwendig.

Arzneimittel, die zur PrEP verwendet werden, sind zudem nicht frei von Nebenwirkungen.

Jede PrEP-Verordnung muss deshalb durch Ärzte erfolgen, die Erfahrung mit dem Umgang einer antiretroviralen Therapie haben und über Wissen zur Prävention sowie zur Diagnostik und Therapie sexuell übertragbarer Erkrankungen in Übereinstimmung mit nationalen Versorgungsleitlinien verfügen. Empfehlungen zum Einsatz der PrEP in Deutschland müssen in ein Gesamtkonzept der Prävention eingebettet werden. Dieses muss Strategien zur vermehrten HIV-Testung mit intensiver medizinischer Aufklärung sowie Beratung sicherstellen.

Fragen an Ivanka Krznaric, Berlin
Arbeitsgruppe PrEP der dagnae

 Ivanka Krznaric, Berlin
Dr. Ivanka Krznaric

Beide Gesellschaften betonen, dass die PrEP eine ergänzende Maßnahme zu konventioneller Prävention sprich Kondom ist. Ist das nicht ein Widerspruch?

Dr. Krznaric: Prävention beinhaltet nicht nur HIV, sondern auch Schutz anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen, daher ist es kein Widerspruch. Wir impfen ja auch gegen Hepatitis B und empfehlen Kondome. Grundsätzlich wäre die PrEP ohnehin nur ein Mittel der Wahl für ausgewählte Risikogruppen, bei denen die klassische Prävention an Grenzen stößt. Eine ärztliche Begleitung ist unverzichtbar.

Sollte die GKV die Kosten für die PrEP übernehmen?

Dr. Krznaric: Bevor wir über die Kostenübernahme sprechen können, sollte der erste Schritt gemacht werden: Truvada muss zunächst als PrEP in Deutschland zugelassen werden. Eine deutsche Implementierungsstudie wäre der notwendige begleitende Schritt. Entsprechende Ergebnisse vorausgesetzt, sollte dann die PrEP erschwinglich sein. Fest steht schon jetzt: Die Erstattungsfrage wird einen dezidierten Klärungsprozess beanspruchen.

Implementierung der PrEP in Deutschland

Offen ist noch, wie eine Einführung der PrEP in die Strukturen des deutschen Gesundheitswesens erfolgen kann: Bei TDF/FTC handelt es sich um eine verschreibungspflichtige und hochpreisige Therapie – deren Abgabe an nicht erkrankte Personen im Sinne der Prävention in Konflikt mit Regelungen des SGB V stehen kann.

Mögliche off-label-Verordnungen auf Selbstzahler-Basis führen behandelnde Ärzte bereits jetzt in eine rechtliche Grauzone, die für Verordner wie für Patienten haftungsrechtlich höchst unbefriedigend ist. Dem gegenüber kann PrEP durch eine Verhinderung von HIV-

Neuinfektionen die enormen Folgekosten einer lebenslangen antiretroviralen Therapie verhindern helfen. Dies gilt umso mehr, wenn TDF/FTC in den kommenden Jahren generisch wird.

Die HIV-Schwerpunktärzte stehen für eine qualitätsgestützte, effektive und wirtschaftliche Einführung der PrEP in Deutschland, die in ein Gesamt-Präventionskonzept integriert ist, bereit. Aus Sicht der dagnä sollte dies folgende drei Maßnahmen umfassen:


  1. Zulassung: Eine Zulassungserweiterung von TDF/FTC für die PrEP bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ist notwendig, um haftungsrechtliche Risiken auszuschließen. Gegenwärtig ist das Interesse des pharmazeutischen Unternehmers unklar, mit einer Zulassung wäre aber ohnehin erst in einigen Jahren zu rechnen.
  2. Erprobung: Die Möglichkeiten der PrEP sollten modellhaft in einer deutschen Implementierungsstudie erprobt werden, optimalerweise in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH). Ziel ist die Klärung offener Fragen: Definition von Risikogruppen und Möglichkeiten der Erreichbarkeit, Entwicklung des Risikoverhaltens und des Schutzeffektes, Betroffenheit von anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, Selektion von Resistenzmutationen, etc. Hierfür sollte der pharmazeutische Unternehmer TDF/FTC kostenfrei zur Verfügung stellen.
  3. Zugang: Um die PrEP einer passgenauen Anzahl von in Frage kommenden Personen durch in der Therapie erfahrene Ärzte zu ermöglichen, ist eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen sinnvoll. Sollte dies nicht möglich sein (z.B. in Folge eines Verordnungsausschlusses von sog. Lifestyle-Arzneimitteln durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, G-BA), muss TDF/FTC spätestens nach Patentablauf auf ein erheblich geringeres Preisniveau als gegenwärtig abgesenkt werden, um den Kreis potenzieller Selbstzahler möglichst breit zu ziehen. TDF/FTC könnte dann – kontinuierlich medizinisch begleitet – Teil der HIV-Prävention für bestimmte Gruppen mit hohem HIV-Infektionsrisiko werden.

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