Fachtagung in Oberursel – Forum für Interdisziplinären Austausch
HIV und Schwangerschaft 2018HIV und Schwangerschaft 2018: Zwischen Normalität und verpassten Chancen

Die Fachtagung HIV und Schwangerschaft bietet seit ihrer ersten Ausrichtung im Januar 2000 Interessierten einmal im Jahr die Möglichkeit, aktuelle Themen rund um das Management HIV-positiver Schwangerer und ihrer Kinder interdisziplinär zu diskutieren. Die Veranstaltung richtet sich dabei u.a. an HIV-Schwerpunktärztinnen und -ärzte, Gynäkologinnen und Gynäkologen, Hebammen, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Vertreterinnen und Vertreter psychosozialer Disziplinen sowie Mitglieder der HIV-Communities. Die Tagung ist in dieser Form europaweit einzigartig.

Fachtagung HIV und Schwangerschaft 2018: Gruppenbild © Lila Haberl
Fachtagung HIV und Schwangerschaft 2018: Gruppenbild
© Lila Haberl

Rund 100 Teilnehmerinnen aus Deutschland, Österreich, Holland, der Schweiz und England haben am 27./28. Januar 2018 das Angebot genutzt und sind nach Oberursel gekommen. Im Fokus standen diesmal Leitlinien zum Management HIV-positiver Schwangerer und ihrer Kinder, Kohortendaten und Stillempfehlungen für HIV-positive Mütter.

Leiterin der HIV Women ́s Clinic in Brighton:  Prof. Yvonne Gilleece © Annette Haberl
Leiterin der HIV Women ́s Clinic in Brighton: Prof. Yvonne Gilleece
© Annette Haberl

Eine aktuelle Auswertung aus dem deutschen HIV-Schwangerschaftsregister zeigt für den Zeitraum 2012 bis 2017 eine HIV-Mutter-Kind-Übertragungsrate von 1,1%. Die Rate liegt damit in Deutschland höher als in anderen westeuropäischen Ländern, wo sie inzwischen auf deutlich unter 1% gesenkt werden konnte. Als mögliche Ursache für die höhere Transmissionsrate wurde vor allem die deutsche Regelung zum HIV-Test im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge diskutiert. Recherchen des Robert Koch-Instituts zu den in den letzten Jahren vertikal infizierten Kindern konnten in einigen Fällen eine nicht durchgeführte HIV-Testung der Mutter als Risikofaktor für die Übertragung ausmachen. Die Regis-terdaten zeigen darüber hinaus, dass sich rund 22% der HIV-positiven Schwangeren erst nach der 12. Schwangerschaftswoche in einem HIV-Schwerpunktzentrum vorstellen. Das könnte im Einzelfall zu einem verzögerten Therapiebeginn mit entsprechend höherem Transmissionsrisiko geführt haben. Die Viruslast bei Geburt des Kindes lag bei 84% der 651 dokumentierten Schwangeren bei unter 50 Kopien/mL. – Ob Stillen für HIV-positive Mütter eine Option ist, die auch in Leitlinien empfohlen werden kann, wird derzeit noch äußerst kontrovers diskutiert. Die Schweiz wird voraussichtlich als erstes europäisches Land das Stillen unter bestimmten Voraussetzungen in ihre Empfehlungen aufnehmen. Auch in Deutschland ist das Stillen für Mütter mit HIV zunehmend ein Thema. Wie eine Umfrage über die Verteiler von DAIG, DAGNÄ und PAAD im letzten Jahr ergab, haben in 42 (89%) von 47 deutschen Zentren, in denen HIV-positive Schwangere betreut werden, Frauen den Wunsch geäußert, stillen zu wollen. 18 (38%) der Zentren besitzen bereits Erfahrung mit HIV-positiven Müttern, die gestillt haben. Um mehr Daten und damit auch mehr Sicherheit zum Stillen zu gewinnen, sollen die Fälle aus ganz Deutschland zukünftig systematisch zusammengeführt und kontinuierlich ausgewertet werden. – Neben den Daten aus dem HIV-Schwangerschaftsregister bringen Langzeitdaten zu HIV-exponierten und -infizierten Kindern in Deutschland immer mehr Sicherheit für die HIV-spezifische Betreuung von Frauen und Kindern im klinischen Alltag. Die Daten der Kinder werden weiterhin in der deutschen HIV-Kinderkohorte gesammelt.

Tagungsleiterin Dr. Annette Haber © Lila Haberl
Tagungsleiterin Dr. Annette Haber
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Prof. Hans-Jürgen Stellbrink hielt einen   Übersichtsvortrag zur ART © Annette Haberl
Prof. Hans-Jürgen Stellbrink hielt einen Übersichtsvortrag zur ART
© Annette Haberl

In Oberursel wurde auch die aktualisierte Deutsch-Österreichische Schwangerschaftsleitlinie vorgestellt. Bei Frauen, die unter ART schwanger werden, wird eine erfolgreiche Therapie weitergeführt bzw. im Einzelfall modifiziert. Bei ART-naiven Schwangeren kann, falls vertretbar, mit dem Therapiebeginn bis zum Beginn des zweiten Trimesters abgewartet werden. Eine Postexpositionsprophylaxe für das Neugeborene (Neo-PEP) wird weiterhin empfohlen, genauso wie der Stillverzicht. Die Leitlinie findet sich auf der Homepage der Deutschen AIDS-Gesellschaft (www.daignet.de).

Unterschiede zwischen den europäischen Schwangerschaftsleitlinien wurden in Oberursel durch Beiträge aus England und der Schweiz deutlich. Sie betreffen u.a. Empfehlungen zur ART, zum Therapiebeginn, zur Neo-PEP und auch zum Stillen. Sowohl in Großbritannien als auch in der Schweiz stehen die aktualisierten nationalen Schwangerschaftsleitlinien kurz vor der Veröffentlichung.

Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung in Oberursel wurden bereits ausgewertet und zeigen eine große Zufriedenheit mit der diesjährigen Veranstaltung. – Die Fachtagung HIV und Schwangerschaft wurde auch in diesem Jahr wieder vom HIVCENTER des Universitätsklinikums Frankfurt ausgerichtet und stand unter der Schirmherrschaft von DAIG, AAWS, DAGNÄ und dem Kompetenznetz HIV/AIDS. Finanzielle Unterstützung erhielt die Veranstaltung von den Firmen Gilead, Hexal, Hormosan Pharma, Janssen, MSD, TAD Pharma und ViiV Healthcare. Die wissenschaftliche Leitung der Tagung hatte Annette Haberl.

Eine Dokumentation der wissenschaftlichen Beiträge wird aktuell erstellt und kann bei Interesse über das HIVCENTER Frankfurt bezogen werden.

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