Christian Hoffmann, Hamburg
Zwei versus drei
Duale Therapien im Überblick

Müssen es drei antiretrovirale Medikamente sein, oder reichen eventuell auch zwei? Diese Frage wird seit einigen Monaten verstärkt aufgeworfen – mitunter mit solch einem Eifer, als ginge es um das Überleben der Patienten. Aber tut es das wirklich? Wo liegen am Ende nur Marketing-Interessen?

© fotolia - Rose Winter
© fotolia - Rose Winter

Natürlich müssen gängige Therapiestrategien, auch wenn sie sehr erfolgreich sind, ständig neu hinterfragt werden – auch um den Patienten in Zukunft sichere Alternativen bieten zu können. Momentan sieht es schließlich so aus, als müssten wir über Jahrzehnte behandeln, ein Ende ist nicht in Sicht. Und natürlich sagt uns dabei die Intuition, dass zwei Medikamente besser sind als drei. Aber das muss nicht so sein. Man kann sich auch mit einer einzigen Substanz schwere Nebenwirkungen einhandeln und drei Medikamente können selbst bei Langzeitanwendung harmlos sein. Dreifachtherapien waren noch nie so gut, noch nie so verträglich wie heute. Bevor wir nun also alle das „2D-Zeitalter“ ausrufen, ist ein kritischer Blick auf die Daten notwendig.

Dolutegravir und Rilpivirin

In 2018 wurde mit Juluca®, der fixen Kombination aus Dolutegravir und Rilpivirin, die erste duale Therapie zugelassen. In zwei großen Phase-III-Studien (SWORD I+II, n=1.028) wurde Juluca® gegen die Fortführung einer erfolgreichen ART getestet (Llibre 2018). Virologisches Versagen war sehr selten, INSTI-Resistenzen traten überhaupt nicht auf. Ein kleiner Wermutstropfen blieb freilich: ZNS-Nebenwirkungen führten eher zum Abbruch, auch milde Nebenwirkungen waren mit 17% versus 2% häufiger zu beobachten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch unklar, für welche Patienten diese neue Therapie sinnvoll ist. Das Kosten-Argument zieht bislang auch nicht, der Preis ist nicht niedriger als gängige Dreifachtherapien. Zu beachten ist ferner, dass Juluca® wegen Rilpivirin unbedingt zu einer Mahlzeit eingenommen werden muss und dass die Einschlusskriterien in SWORD streng waren: Maximal zwei Vortherapien, kein virologisches Versagen, keine Resistenzen, keine Hepatitis B. Gezeigt wurde bislang nur, dass es günstig für die Knochendichte ist, wenn TDF abgesetzt wird (McComsey 2017) – dies zeigte sich in vielen Studien allerdings auch bei einem Wechsel auf TAF oder Abacavir.

Abgesehen von Juluca® wurden weitere Kombinationen aus INSTI und NNRTI zumeist unkontrollierten Studien getestet, darunter u.a. Raltegravir plus Etravirin. Diese dürften freilich zukünftig kaum noch eine Rolle spielen. Die Kombination aus Dolutegravir und Etravirin sollte sogar aufgrund ungünstiger PK-Daten vermieden werden (Song 2011). Interessante Daten gibt es auch zur Kombination von dem neuen INSTI Cabotegravir und Rilpivirin im Rahmen von Long-Acting-Ansätzen; aber das ist ein anderes Thema.

Darunavir und 3TC

Die Kombination aus einem geboosterten PI und dem wenig toxischen, generisch verfügbaren 3TC ist in vielen Studien untersucht worden. Bei therapie-naiven Patienten liegen für Lopinavir/r bislang die besten Daten vor (GARDEL, Cahn 2014), für Darunavir gibt es immerhin vorläufige Daten der ANDES-Studie (Sued 2017). Was in der Primärtherapie erstaunlich gut funktionierte, klappt auch bei vorbehandelten Patienten. In mindestens vier größeren Studien wurde die Deeskalation auf PI/r plus jeweils 3TC untersucht (siehe Tabelle). In allen erwies sich die duale Therapie als ähnlich wirksam, auch Blips wurden nicht häufiger beobachtet. Es bleiben allerdings auch hier Einschränkungen: Alle Studien untersuchten nur das Absetzen von TDF und Abacavir, nicht von TAF. Patienten mit Resistenzen gegen 3TC oder den PI mit früherem virologischem Versagen und mit Hepatitis B waren ausgeschlossen worden. Die Umstellung hatte – nur bei Absetzen von TDF – bestenfalls moderate Effekte auf Niere und Knochen und führte meist zu einem
Anstieg von HDL + LDL (risiko-neutral). Die klinische Relevanz dieser Veränderungen blieb fraglich. Abgesehen von Kostenaspekten (die nach dem Preisverfall von TDF und Abacavir kaum noch relevant sind) gibt es außer der Intuition wenig gute Argumente für diesen Ansatz. Und was ist mit etwaigen Resistenzen? Das Bestehen der häufigen 3TC-Muta-tion M184V sorgt zwar nicht für mehr Therapieversagen, aber einer Kohortenstudie zufolge wohl doch für etwas mehr Blips – möglicherweise ein Hinweis für eine etwas schwächere Wirkung dualer Therapien (Gagliardini 2018).

Dolutegravir und 3TC

Nach ermutigenden Resultaten aus der PADDLE-Pilotstudie (Cahn 2017) sorgten jetzt zwei große Phase-III-Studien auf der Internationalen AIDS-Konferenz in Amsterdam für Aufsehen: In GEMINI-1/2 wurde Dolutegravir plus 3TC doppelblind mit Dolutegravir plus TDF+FTC bei 1.433 therapienaiven Patienten mit einer Viruslast von weniger als 500.000 Kopien/ml verglichen (Cahn 2018). Nach 48 Wochen waren 91% versus 93% unter der Nachweisgrenze. Die Nicht-Unterlegenheit des dualen Arms wurde damit erreicht. Beruhigend: Bei den wenigen Patienten mit Therapieversagen zeigte sich bislang keine einzige Resistenz. Auch bei hochvirämischen Patienten war die duale Therapie wirksam. Schwere Nebenwirkungen oder Nebenwirkungen, die zum Abbruch führten, waren gleich häufig, nur bei den „drug-related AEs“ zeigte sich ein leichter Unterschied (18% versus 24%), ebenso bei einigen renalen und ossären Biomarkern. Reicht das, um eine Zeitenwende in der HIV-Therapie einzuläuten? Kritikpunkt bleibt sicherlich, dass gegen TDF getestet wurde, nicht gegen TAF. Zu beachten ist auch, dass bei niedrigen CD4-Zellen unter 200 die Ansprechraten schlechter waren (79% versus 93%), bei allerdings kleinen Fallzahlen. Weitere Studien, darunter TANGO an vorbehandelten Patienten laufen. Eine Kombinationstablette aus Dolutegravir und 3TC soll schon Ende des Jahres auf den Markt kommen.

Darunavir und Maraviroc

MODERN, die bislang größte Studie bei therapienaiven Patienten, enttäuschte. Vor allem bei hoher Viruslast war Nuke-Sparing klar unterlegen (Stellbrink 2016). Aber auch der Wechsel auf diese Kombination ist keine gute Idee. In der dreiarmigen MARCH-Studie, in der Patienten von einem PI-basierten Regime u.a. auf ein Regime aus dem bestehenden PI (16% Darunavir/r) plus Maraviroc wechselten, war die Rate virologischen Versagens besorgniserregend hoch (Pett 2016). Dies galt auch für die kleinere GUSTA-Studie, in der immerhin bei 7/56 Patienten ein virologisches Versagen beobachtet wurde (Rossetti 2017). Es bleibt unklar, warum dieser Ansatz so schlecht lief und im Grunde noch schlechter abschnitt als die bisherigen Daten zu PI-Mono. Beide Studien sind damit auch Argumente gegen die Hypothese, dass eine Substanz mit hoher Resistenzbarriere (in diesem Fall der PI) als Erhaltungstherapie ausreicht.

Darunavir und Dolutegravir

Duale Therapie (n) Wesentliche Resultate Studie, Referenz
DRV/r+3TC (n=249) Adverse Events gleich, Lipide idem
(Anstieg von HDL/LDL), GFR idem
DUAL GESIDA
Pulido 2017
ATV/r+3TC (n=266) Adverse Events gleich, Lipide idem
(Anstieg von HDL/LDL),
GFR etwas besser (+8)
ATLAS-M Di Giambenedetto 2017
ATV/r+3TC (n=286) Adverse Events gleich, Lipide etwas
schlechter, GFR/BMD idem
SALT
Perez-Molina 2015
LPV/r+3TC (n=250) Adverse Events gleich, Lipide etwas
schlechter, GFR/BMD etwas besser
(wenn Switch von TDF)
OLE
Crespo 2016
Ausschlusskriterien in allen Studien: Hepatitis B, Resistenzen gegenüber 3TC und den betreffenden PI. *In SALT wechselten die Patienten von unterschiedlichen Therapien, u.a. von NNRTIs. GFR = Glomeruläre Filtrationsrate

Tab. 1 Randomisierte Studien zur Dualen Therapie bei virologisch erfolgreich supprimierten Patienten (in 61-82% wurde TDF weggelassen, in 15-26% Abacavir)

Zwei Medikamente mit hoher Resistenzbarriere einsetzen? Zumindest bei Therapieversagen ist das ein attraktiver Ansatz. In der deutschen DUALIS-Studie wird die Kombination aus Darunavir/r+Dolutegravir bei virologisch erfolgreich behandelten Patienten untersucht, Ergebnisse stehen noch aus. Man sollte sich allerdings nicht zu viel versprechen, wenn man die Erfahrungen zu Darunavir/r und Raltegravir betrachtet, für die viel mehr Studien vorliegen. In NEAT001 erhielten insgesamt 805 Patienten offen entweder Darunavir/r+Raltegravir oder eine Standardtherapie aus Darunavir/r plus TDF+ FTC. Nach 96 Wochen waren Verträglichkeit und virologisches Versagen in etwa gleich häufig, allerdings das kumulative Resistenzrisiko für Darunavir/r+Raltegravir etwas höher (Lambert-Niclot 2016). Leider waren auch die Lipide etwas schlechter. Dies war auch in mehreren Studien mit Lopinavir/r+Raltegravir zu sehen (Martin 2013). Bislang ist unklar, ob sich durch diese Strategien die Langzeitverträglichkeit einer ART verbessern lässt.

Fazit

Duale Therapien sind für viele Patienten eine interessante Möglichkeit für die Zukunft, aber für ein „2DR-Zeitalter“ ist es noch zu früh. Ausreichend gepowerte Studien fehlen teilweise noch, Patienten mit vorbestehenden Resistenzen oder mehr als ein oder zwei Vortherapien sind bislang kaum untersucht worden. Einiges funktioniert nicht, zum Beispiel die Kombination mit Maraviroc. Das Kosten-Argument zieht noch nicht, wenn man sich den Preis von Juluca® anschaut. Wichtigster Kritikpunkt aber ist: Eine bessere Verträglichkeit oder einen anderen Benefit (weniger Gewichtszunahme?) gegenüber modernen, TAF-haltigen Kombinationen hat bislang noch keine duale Therapie nachweisen können. Es wäre nun an der Zeit, dies zu zeigen.



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