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Deutsche AIDS-Hilfe logoDie Arbeitswelt in Bewegung bringen

Gemeinsam mit zahlreichen Unternehmen und Organisationen startet die Deutsche Aidshilfe eine Deklaration gegen Diskriminierung von Menschen mit HIV im Arbeitsleben. Das Ziel: Respekt und Selbstverständlichkeit.

Wer große Ziele verfolgt, darf nicht kleckern, sondern muss auch mal klotzen. Diesem Motto folgt die Deutsche Aidshilfe, wenn sie am Vortag des Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses (DÖAK) in Hamburg mit einer groß angelegten Arbeitgeber_innen-Deklaration an die Öffentlichkeit geht.

positivarbeiten

Unter dem Titel „Respekt und Selbstverständlichkeit: Für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben“ zeigen dabei zahlreiche Unternehmen und Organisationen Flagge und setzen intern einen Prozess der Auseinandersetzung in Gang. Öffentlich kommuniziert wird dabei unter dem Hashtag #positivarbeiten.

Neue Dimension von Unterstützung

Geboren wurde das Projekt aus der langjährigen Kooperation der Deutschen Aidshilfe mit IBM. Schnell stießen weitere Unternehmen hinzu. Seit Sommer letzten Jahres wurde die Liste immer länger und reicht mittlerweile von weltweit tätigen Großunternehmen über Mittelständler bis hin zur Apotheke vor Ort, von Verbänden bis hin zu Großstädten und Aidshilfen.

„Wir sind selbst überrascht von dem großen Interesse und dieser neuen Dimension der Unterstützung. In vielen Fällen sind es Vorstände und Führungskräfte, die das Thema vorantreiben. Diese Aktion hat das Potenzial, wirklich etwas in Bewegung zu bringen in der Arbeitswelt“, freut sich Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen Aidshilfe.

Immer mehr Vielfalt

Praxis vielfaltDer Kreis medizinischer Einrichtungen, die das Gütesiegel PRAXIS VIELFALT erhalten, wird immer vielfältiger. Mit dem Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung im Berliner Gesundheitsamt Wilmersdorf/Charlottenburg erhielt im Mai erstmals eine Einrichtung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) die Plakette.

Insgesamt haben mittlerweile 19 Einrichtungen das Curriculum durchlaufen und die Selbstverpflichtung unterzeichnet oder sind auf dem Weg dorthin. Darunter sind HIV-Schwerpunkteinrichtungen auch allgemeinmedizinische, eine gynäkologische und eine zahnärztliche Praxis, eine psychosomatische Klinik sowie eine Apotheke. Das Projekt ist damit in 10 Städten präsent.

PRAXIS VIELFALT ist im September 2018 gestartet. Ziel ist ein diskriminierungsfreier, wertschätzender und kultursensibler Umgang mit HIV-positiven Menschen sowie LSBTIQ*-Personen und Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung. Beispielhafte Einrichtungen in der Versorgungslandschaft werden sichtbar gemacht und gefördert, um die Qualität der Versorgung Schritt für Schritt zu verbessern. Hintergrund sind negative Erfahrungen, die etwa HIV-positive oder trans*-Menschen im Gesundheitssystem machen.

PRAXIS VIELFALT ist ein Projekt der Deutschen Aidshilfe und wird vom Bundesverband der AOK finanziert.

www.praxis-vielfalt.de
jana.knoop@dah.aidshilfe.de

Mit Diskriminierung muss gerechnet werden

Fakt ist: Menschen mit HIV können heute bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie in jedem Job arbeiten und diesen ausfüllen wie andere Menschen. HIV spielt dabei keine Rolle. Eigentlich.

Doch wie in allen Lebensbereichen müssen HIV-positive Beschäftigte im Arbeitsleben immer noch mit Diskriminierung rechnen. Das zeigt sowohl die Befragung „positive stimmen“ der Deutschen Aidshilfe aus dem Jahr 2011 wie auch die Berichte, die immer wieder bei der Kontaktstelle HIV-bedingte Diskriminierung der Deutschen Aidshilfe eingehen.

Das Spektrum reicht von Klatsch und Herabwürdigung bis hin zur widerrechtlichen Kündigung – wie im prominenten Fall des Chemielaboranten Sebastian F. HIV-positive Mitarbeiter_innen werden dabei mit vielen Vorurteilen konfrontiert, die schlicht falsch sind: Sie gelten oft als weniger leistungsfähig, häufiger krank, als Gefahr für Kolleg_innen und Kund_innen.

In einigen Unternehmen – vor allem im Gesundheitswesen – gehört sogar der rechtlich unzulässige HIV-Test immer noch zur Einstellungsuntersuchung, obwohl HIV für die angestrebten Tätigkeiten irrelevant ist.

Die Wurzeln der Benachteiligung liegen dabei in Unwissenheit, irrationalen Ängsten vor einer Übertragung im Arbeitsalltag und moralischen Bewertungen, die mit HIV assoziiert sind.

Heimlichkeit kann zur Last werden

Doch weil sich oft schwer abschätzen lässt, wie Führungskräfte und Kollegium reagieren, sprechen die meisten HIV-Positiven am Arbeitsplatz nicht über ihre Infektion beziehungsweise überlegen sich sehr genau, wen sie ins Vertrauen ziehen. Ein Geheimnis mit sich herumzutragen oder in Erklärungsnot zu geraten, etwa wenn Arztbesuche oder Selbsthilfetreffen stattfinden, kann dabei zur Last werden. Über dem Ziel eines selbstbewussten Lebens mit HIV schwebt das Damokles-Schwert eines Outings.

Rückendeckung durch die Führung

Die Arbeitgeber_innen-Deklaration soll dieser Bedrohung genau das Gegenteil entgegensetzen: Selbstverständlichkeit und Offenheit im Umgang mit HIV-positiven Mitarbeiter_innen und – wenn nötig – Unterstützung. Nur unter diesen Voraussetzungen können Menschen mit HIV wirklich frei entscheiden, wieweit sie andere ins Vertrauen ziehen wollen.

Besonders wirksam wird das Bekenntnis gegen Diskriminierung, weil es von ganz oben unterstützt und implementiert wird.

„Es hilft mir und meinem Umfeld im alltäglichen Umgang mit HIV“, sagt Jörg Beißel, offen HIV-positiver Facility Manager bei SAP. „Es stärkt mein Fundament, dass meine Unternehmensführung voll und ganz hinter mir steht und mich als das sieht, was ich bin – ein Mitarbeiter der die Vielfalt im Unternehmen bereichert!“

Auch Axel Wedler, der das Thema schon vor über 10 Jahren durch sein positives Coming-out bei IBM Deutschland eingebracht hat, betont, wie wichtig klare Worte und Taten seitens der Unternehmensleitung sind. Der Senior Manager sagt: „Das klare Bekenntnis meiner Führungskräfte ermutigt mich, überall im Unternehmen weiter offen mit dem Thema umzugehen und anderen als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.“

Unterzeichner_innen der Deklaration „Respekt und Selbstverständlichkeit:
Für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben“

Accenture • Aperto • Agentur für Arbeit Hamburg • Behörde für Arbeit, Soziales, Integration Hamburg • Bochum • Bosch • Caritas Berlin • Daimler • DAK-Gesundheit • Deutsche Bahn • Deutsche Bank • Deutsche Druck und Verlagsgesellschaft • DRK-Landesverband Niedersachsen • Drogenhilfe Schwaben • Elsevier • Fürth • GSK • GLS Bank • IBM • IMAGE Ident GmbH • Lyra Apotheke • Norddeutscher Rundfunk (NDR) • Der Paritätische Berlin • Der Paritätische Gesamtverband • PwC • Reichshof Hamburg • RSG Group (u.a. McFIT) • SAP • Techniker Krankenkasse • Mannheim • Nürnberg • Stadtreklame Nürnberg • Vivantes sowie zahlreiche Aidshilfe-Organisationen

(Stand: 23.5.2019)

HIV ist Teil von Diversity

In den Führungsetagen der zeichnenden Unternehmen wird das Engagement bezüglich HIV nicht nur als Frage individueller Rechte und des Anstands begriffen, sondern auch als Thema kluger Personalpolitik.

„Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit sind zentrale Anliegen unseres Verständnisses von Diversity und Zusammenarbeit“, sagt Dr. Dirk Jakobs, Leiter der Global Diversity Office von Daimler.

HR- und Diversity-Fachleute wissen schon lange: Zurückweisung, Angst und Heimlichkeit sind Gift – für die Betroffenen wie für das Unternehmen.

„Ausgrenzung macht krank, Respekt trägt zur Lebensqualität und einem produktiven Betriebsklima bei“, heißt es dazu im Deklarationstext.

Es geht um noch viel mehr

Damit weist die groß angelegte Aktion zum Thema HIV weit über sich selbst hinaus. HIV soll auch als Präzedenzfall im Umgang mit anderen chronischen Erkrankungen dienen, die Sensibilität etwa auch in Bezug auf Themen wie Burnout oder Abhängigkeit erhöhen. Letztlich ist das Ziel nicht weniger als ein in jeder Hinsicht diskriminierungsfreies Arbeitsleben.

„Gib Ausgrenzung keine Chance – sondern dem Menschen“, fasst IBM-Personal-Geschäftsführer Norbert Janzen sein Credo zusammen.

Ganz konkret machen die Unterzeichnenden in der Deklaration deutlich: Bei uns sind Menschen mit HIV willkommen. Bei Diskriminierung schreiten wir ein. Und sie verpflichten sich dazu, Führungskräfte zum Thema zu schulen und – sofern noch nicht vorhanden – Ansprechpartner_innen zu installieren.

Viele gehen darüber bereits im Vorfeld der Unterzeichnung hinaus: Bei IBM und SAP haben bereits mehrere Informations- und Diskussionsveranstaltungen stattgefunden. Dabei arbeiten Führung, Diversity-Beauftragte und HIV-Positive Hand in Hand.

Das Ziel ist klar: „Wir wollen das mitunter falsche oder veraltete Bild von HIV geraderücken und letztlich zeigen: Menschen mit HIV sind Kolleginnen und Kollegen wie alle anderen“, sagt Jörg Beißel.

Und Axel Wedler hebt die gesellschaftliche Dimension der Aktion hervor: „In Zeiten zunehmender Polarisierung in vielen Bereichen der Gesellschaft und damit einhergehender Abgrenzung ist es besonders wichtig, ein Zeichen der Akzeptanz und Toleranz zu setzen.“

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