HIV-Tests im Arbeitsleben verbieten!

Deutsche AIDS-Hilfe logoCorona-Kollateralschaden: Eine Veränderung im Infektionsschutzgesetz könnte zu Diskriminierung von Menschen mit HIV führen. Die Deutsche Aidshilfe fordert klare Worte.

In der Krise ticken die Uhren anders. Unseren Alltag hat Covid-19 weitgehend lahmgelegt, Gesetzgebungsverfahren jedoch werden dramatisch beschleunigt. Die Eindämmung der Epidemie verändert auch die parlamentarischen Spielregeln.

So erneut geschehen beim „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, auch bekannt als „Pandemieschutzgesetz“. Bundestag und Bundesrat haben das Maßnahmenpaket mit Eingriffen in verschiedene andere Gesetze Mitte Mai innerhalb weniger Tage verabschiedet.

Das mag nötig gewesen sein. Feinheiten bleiben bei solchen beschleunigten Verfahren jedoch manchmal auf der Strecke. Obwohl das Kleingedruckte bekanntlich gewichtige Folgen haben kann.

So droht nun ein Kollateralschaden für Menschen mit HIV: Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen könnten Mitarbeiter_innen oder Bewerber_innen in Zukunft häufiger fragen, ob sie HIV-positiv sind.

Dabei spielt eine HIV-Infektion im Job keine Rolle. Eine Übertragung im Arbeitsalltag ist nicht möglich. Zugleich haben Menschen mit HIV mit Diskriminierung zu rechnen, wenn ihr HIV-Status bekannt wird.

Gesetz öffnet Missbrauch Tür und Tor

Nicht-Übertragbarkeit
Wissen verdoppelt

Alle gemeinsam haben wir’s geschafft: Immerhin 18% der Bevölkerung wissen jetzt, dass HIV unter Therapie nicht übertragbar ist. Das ergab eine repräsentative Befragung der Deutschen Aidshilfe mit gut 1.000 Befragten im April. Im Jahr 2017 kannten diese wissenschaftliche Tatsache nach einer BZgA-Befragung nur 10%.

Gerade mal 3% stimmten der Aussage damals voll und ganz zu, heute sind es 6,2%. Bedingte Zustimmung äußerten damals 7%, heute 11,6%. Sogar gut ein Drittel (34%) weiß mittlerweile, dass HIV-Medikamente die Übertragung von einer HIV-positiven Mutter auf das Kind verhindern.

Kampagnenmotiv: Davids Therapie schützt seine Partnerin Silke ©  DAH/Phil Meinwelt
Kampagnenmotiv: Davids Therapie schützt seine Partnerin Silke © DAH/Phil Meinwelt

Das erklärte erste Etappenziel der DAH-Kampagne #wissenverdoppeln ist damit erreicht. Knapp vier von fünf Befragten (78%) stimmen der Aussage zu, dass HIV im alltäglichen Umgang miteinander nicht übertragbar ist. Außerdem ist inzwischen eine große Mehrheit (84%) der Menschen in Deutschland darüber informiert, dass heute ein langes und beschwerdefreies Leben mit HIV möglich ist.

Drei von zehn Befragten möchten mit dem Thema HIV ganz allgemein lieber nicht in Berührung kommen. Zugleich zeigt die Umfrage allerdings nach wie vor Wissenslücken, Unsicherheiten und Vorurteile. Zwei Drittel (67%) glauben ausdrücklich nicht, dass die HIV-Therapie eine Übertragung beim Sex verhindert.

Die Kampagne #wissenverdoppeln läuft seit 2017. Im November startet die dritte Staffel. vd/howi

Weitere Informationen: aidshilfe.de/wissenverdoppelt

Es gibt also gute Gründe dafür, warum es unzulässig ist, nach einer HIV-Infektion zu fragen. Das wird rein rechtlich auch so bleiben. Doch das neue Gesetz öffnet Missverständnissen und Missbrauch Tür und Tor.

Der Reihe nach: Entsprechend dem neu gefassten Paragraf 23a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) „darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden“, um der Übertragung von Infektionskrankheiten vorzubeugen.

Die Idee entspricht der des Immunitätsausweises: Wessen Immunsystem gegen einen Erreger gewappnet ist – sei es durch Impfung oder eine durchgemachte Erkrankung – kann ihn nicht mehr bekommen und damit auch nicht übertragen.

Die Formulierung wird nun manchen Arbeitgeber_innen im Gesundheitswesen aber gerade recht kommen, die ihre (potenziellen) Mitarbeiter_innen gerne auf HIV testen würden, sei es bei der Einstellung oder im Rahmen von betriebsärztlichen Routineuntersuchungen.

„Freiwillig“ gibt es nicht

Schon heute interessieren sich bekanntlich nicht wenige für den HIV-Status ihrer Beschäftigten. Sie fürchten – vollkommen zu Unrecht – HIV-Übertragungen im Arbeitsleben, für die sie verantwortlich wären. Andere Ängste und Bewertungen mögen ebenfalls eine Rolle spielen.

Da ein HIV-Test nicht erlaubt ist, wird er manchmal als „freiwillig“ deklariert. Aber was heißt das, wenn man einen Job bekommen oder behalten möchte? Die Ablehnung des Tests macht „verdächtig“. Schon das „Angebot“ ist deswegen diskriminierend.

Fatale Irrtümer

Als der erste Entwurf des Pandemieschutzgesetzes vorlag, hat die Deutsche Aidshilfe davor gewarnt, dass es ungewollt auf HIV bezogen werden könnte. Wir trafen dabei in der Politik durchaus auf offene Ohren.

Nun gibt es einen Zusatz im Gesetzestext: Die neue Regelung gilt demnach „nicht in Bezug auf übertragbare Krankheiten, die im Rahmen einer leitliniengerechten Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr übertragen werden können.“ HIV ist also ausgeschlossen, ohne dass es beim Namen genannt wird.

Alles gut also? Leider nein.

Viele Arbeitgeber_innen dürften die Einschränkung nicht verstehen, weil ihnen das Wissen fehlt, dass HIV unter Therapie nicht übertragbar ist. Zudem legt das Gesetz nahe, nur unter Therapie könne jemand im Gesundheitswesen gefahrlos arbeiten. Arbeitgeber_innen könnten glauben, sie müssten testen und gegebenenfalls überprüfen, ob eine Therapie vorliegt.

Das wäre ein fataler Irrtum, denn HIV ist auch ohne Therapie im Arbeitsleben nicht übertragbar. Die Frage nach Infektion und Therapie ist und bleibt irrelevant.

HIV-positive Menschen haben also zwar weiterhin das Recht auf ihrer Seite. Doch wer sein Recht einfordern muss, hat bei HIV oft schon verloren, kommt doch der Protest einem Outing gleich.

Evidenzbasierte Skepsis

Wie schädlich sich Interpretations- und Ermessensspielräume bei diesem Thema auswirken können, zeigt die jüngere Geschichte. Schon 2012 haben die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und die Gesellschaft für Virologie (GfV) Empfehlungen veröffentlicht, die zu einem souveränen Umgang mit dem Thema HIV in Gesundheitsberufen beitragen sollten. Ziel war zu benennen, wo im medizinischen Arbeitsalltag eine Übertragungsgefahr bestehen könnte und wie ihr zu begegnen sei, um so Handlungssicherheit zu schaffen.

Das war damals einerseits ein Fortschritt, wurde doch so bekräftigt, dass Menschen mit HIV prinzipiell im Gesundheitswesen arbeiten können und dürfen. Zugleich erzeugte das Papier durch sehr unbestimmte Formulierungen aber neue Unsicherheiten.

HIV-Test beim Putzpersonal

Faktisch besteht ein erwähnenswertes HIV-Übertragungsrisiko schließlich nur bei sehr speziellen chirurgischen Tätigkeiten – wenn ein erhöhtes Verletzungsrisiko für Chirurgen besteht, so wie in der Thoraxchirurgie oder bei Operationen im kleinen Becken. Hier gilt, dass eine erfolgreiche HIV-Therapie gegeben sein muss. In den Empfehlungen wurde jedoch viel zu wenig differenziert. Statt klar die relevanten Tätigkeiten zu benennen, finden sich hier sogar verschiedene Berufsgruppen unter der pauschalisierenden Bezeichnung „Health Care Worker“ zusammengefasst. So werden unterm Strich Risiken suggeriert, wo es keine gibt. Manche Arbeitgeber_innen berufen sich bis heute auf diese Empfehlungen und verlangen einen HIV-Test teils sogar von Reinigungspersonal.

Etwas Ähnliches könnten wir nun mit der neuen Formulierung im Infektionsschutzgesetz erleben. Das gilt es zu verhindern.

einen Schlussstrich ziehen

Die Benachteiligung und die Angst vor dem Test im Vorstellungsgespräch muss ein Ende haben. Es ist Zeit, endlich klipp und klar in ein Gesetz zu schreiben, dass die Frage nach HIV sowie HIV-Tests im Arbeitsleben
generell verboten sind. Es muss von vornherein eindeutig sein, dass rechtswidrig handelt, wer es trotzdem probiert. Was ohnehin nicht erlaubt ist, gehört klar benannt.

Ein solcher Hinweis im Gesetz ist schon lange überfällig. Da nun die Bekämpfung der einen Epidemie zu Rückschritten bei einer anderen führt, bedarf es erst recht einer Formulierung, die keine Spielräume für Diskriminierung lässt.


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