WeltAidsKongress auf dem Sofa – Persönliche Erfahrungen
WeltAidsKongressVirtuell in der Not – ein Erfolg?

Die WeltAidsKongresse (WAC) sind für mich alle zwei Jahre die wichtigsten internationalen Kongresse und seit 1998 (Genf) gelang es mir immerhin an fast allen auch persönlich teilzunehmen. Es sind eben nicht die anderen bedeutenden Kongresse wie die CROI oder der Weltkongress der Internationalen Aids Gesellschaft (IAS), die mich so packen und für sich einnehmen. Ja, für wissenschaftliche Erkenntnisse sind letztere bestimmt bedeutender und ergiebiger, aber das Besondere am WAC ist eben, dass wir alle zusammenkommen und die Kongresstage miteinander verbringen, die Community-Vertreter mit den Ärzten und Wissenschaftlern. Diese Begegnungen machen den besonderen Zauber dieses Treffens aus, helfen mir bei meiner Erdung im Hinblick auf meine Sicht und meinen Umgang mit der HIV-Infektion und in der Begegnung mit HIV-positiven Menschen. Meine Begegnungen und Gespräche mit Community Vertretern oder Kollegen aus Namibia, den Philippinen, aus Brasilien usw. – um nur einige Länder zu nennen, waren Augenöffner und sind für mich unvergesslich.

Auf diesen 23. WeltAidsKongress in San Francisco/Oakland hatte ich mich sehr gefreut. Doch nun hat die Corona-Pandemie – und nicht etwa der derzeitige amerikanische Präsident – einen Strich durch die Planung gemacht. Der 23. WeltAidsKongress wurde virtuell – er fand an gar keinem Ort statt.

Virtual WELTAIDSKONGRESS

Startschwierigkeiten

Zugegebenermaßen war ich von vornherein skeptisch – kann man diesen Kongress wirklich virtuell stattfinden lassen? Wird der Zauber, von dem ich bereits schwärmte, auch virtuell zu entfachen sein? Und was ist mit den unvergesslichen Begegnungen und dem Austausch mit anderen Teilnehmern? Ich habe mich trotzdem entschieden, mich anzumelden und teilzunehmen. Damit ich ausreichend Zeit habe und mich auch vollkommen auf diesen Kongress einlassen kann, beschloss ich, an den Kongresstagen frei zu nehmen und ließ mich von einem Kollegen in unserer Praxis vertreten (Danke nochmals dafür).

Es fühlte sich anfangs sehr komisch an, sich in die virtuelle Sphäre zu begeben – es war auch mein erster virtueller Kongress. Erst gab es Probleme beim Einloggen. Schließlich hat mir ein Techniker geholfen und mit einstündiger Verspätung kam ich rein.

Problem Zeitzone

Dieser Kongress fand eigentlich an keinem Ort statt – war ja rein virtuell – trotzdem hat man die Zeitzone von San Francisco für die Veranstaltungen gewählt. Diese neunstündige Zeitdifferenz ist anstrengend, wenn man sie von Hamburg aus zu berücksichtigen hat. Als ich mich also am ersten Kongresstag – Montag vormittags schließlich einloggen konnte – war in San Francisco noch alles im nächtlichen Ruhemodus. Immerhin konnte ich mir schon mal Poster anschauen.

Schreibtisch oder Sofa?

Doch meine erste Frage an diesem sommerlichen Montag vormittags zuhause war, wie positioniere ich mich? Setze ich mich an meinen Schreibtisch? Das kam mir irgendwie unbequem vor. Ich entschied mich für eine liegende Position mit meinem Laptop auf dem Bauch.

Umständliche Navigation

Die ‚nächtliche Postersession‘ hatte ihre Hindernisse, ich scrollte mich durch die Themen und Poster, wenn ich eines fand, das ich gern‘ studieren wollte, öffnete ich es, die Bildqualität war aber nicht optimal und das Poster leider nicht herunterladbar. Also machte ich Screenshots von den Postern. Das größte Problem entstand, wenn ich mir ein neues Poster anschauen wollte. Beim Verlassen des Posters wurde ich nämlich automatisch wieder in den Eingang der Postersession versetzt und musste die Stelle erst einmal wiederfinden, aus der ich herauskatapultiert wurde. Klar, fand ich irgendwann ein Schema, wie ich schneller wieder zu der Stelle kam, an der ich zuletzt war, aber es war schon umständlich.

Vorträge ohne Tuscheln

Montag nachmittags gegen 16h (SF Zeit 7h) fingen die ersten ‚orals‘ an. Auf der virtuellen Ebene gelangte ich vom Atrium in das Auditorium und konnte Vorträge mit slides live mitverfolgen. Die Vorträge bzw. Präsentationen waren aber leider ebenso nicht herunterladbar. Allerdings vermisste ich die leibhaftige Kongressstimmung, vermisste die Kollegen, die ich regelmäßig bei diesen Kongressen treffe und neben ihnen sitze. Verständnisfragen (‚was hat sie gesagt?‘) oder Kommentare (‚da bin ich anderer Meinung‘) lassen sich hier virtuell nicht austauschen. Ich liege allein in meiner Wohnung in Hamburg mit dem Laptop auf meinem Bauch und spüre – je länger der Kongress dauert – immer mehr meinen Rücken. Bis Mitternacht habe ich die Vorträge mitverfolgt. Auch Elton John war wieder dabei, allerdings ohne Prinz Harry, der ja kein Prinz mehr sein will. Dann wurde ich müde und hatte keinen weiten Weg mehr zu meinem Bett. Immerhin konnte ich ausschlafen, die ‚oral Sessions‘ am nächsten Tag begannen ja erst um 7h SF-Zeit. Vormittags konnte ich den Vorträgen der vergangenen Nacht nachträglich folgen.

Verlassen im Global Village

Im Global Village fühlte ich mich noch verlassener, man konnte sich irgendwie zusammenhanglose Videos zu unterschiedlichen Themen anschauen. Es war alles so menschenleer. Besonders hier, wo sich bei realen Kongressen so viele Menschen aus allen Kulturen begegnen, Demonstrationen mit viel Lärm stattfinden, spürte ich die Leere eines virtuellen Kongresses am intensivsten.

Besser mit Avatar

© Dr. Thomas Buhk, priv.
© Dr. Thomas Buhk, priv.

Ich fantasierte, wie ich mir einen virtuellen Kongress vorstellen könnte, der mir mehr Spaß bringen würde und kam auf ein Avatarmodell: Jeder Teilnehmer, der virtuell dabei ist, bekommt einen Avatar zugeordnet – vielleicht sogar eine visuelle Erscheinung, die ihm im Aussehen entspricht – so würde man sich in diesem virtuellen Raum aufhalten und anderen Avataren begegnen, bekannte ‚Gesichter‘ wiedererkennen, würde im Plenum neben ihnen sitzen, könnte sich austauschen, miteinander kommunizieren wie in der realen Welt – und nach dem Vortrag gemeinsam das Global Village aufsuchen, um dort anderen Avataren zu begegnen.

Dieser 23. nur virtuell stattgefundene WeltAidsKongress war in meiner Wahrnehmung kein WeltAidsKongress, war nur eine weltweite Plattform für Publikationen wissenschaftlicher Inhalte. Es fehlten mir die Begegnungen, der Austausch – auch die abendlichen Runden in lokalen Restaurants mit Kollegen nach einem anstrengenden Kongresstag. Dieser virtuelle Kongress blieb ohne Zauber.

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