Pd Dr. Martin Stürmer, Frankfurt
Corona-Varianten – immer mehr und immer gefährlicher?


 PD Dr. Martin Stürmer IMD Labor FrankfurtPD Dr. Martin Stürmer
IMD Labor Frankfurt
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Wie bei vielen anderen RNA-Viren kommt es auch im Rahmen der Vermehrung von SARS-CoV-2 immer wieder zu zufälligen Mutationen im Virusgenom.1 Allerdings ist die Mutations-Häufigkeit bei SARS-CoV-2 nicht so ausgeprägt, wie wir es von Influenza-Viren oder von HIV her kennen.2

Eine der ersten relevanten Mutationen ist die D614G Mutation im Spike-Protein. Diese wurde erstmals in signifikanter Häufung Anfang März 2020 entdeckt und entwickelten in den nächsten Monaten eine weltweite Dominanz.3 Inzwischen besteht Übereinstimmung, dass diese Veränderung zu einer deutlich effektiveren Übertragung geführt hat.

Dänemark

Im Übergang zwischen Frühling und Sommer 2020 wurde in Nerzfarmen in Dänemark und den Niederlanden eine weitere Variante entdeckt, die den Wissenschaftlern Sorge bereitet hat. Es wurden Mensch-zu-Nerz-, Nerz-zu-Nerz- und Nerz-zu-Mensch-Übertragungen nachgewiesen4, und die meisten Viren hatten die Y453F Mutation in der Rezeptor-Bindungs-Domäne des Spike-Proteins. Die letztendlich als „Cluster 5“ bekannte Variante hatte zusätzlich die Mutationen Deletion H69/V70, I692V und M1229I im Spike Protein und zeigte eine reduzierte Neutralisationsaktivität durch Seren von Rekonvaleszenten.

Britische Variante

Die inzwischen nicht nur für Deutschland relevanteste Variante ist als „britische“ Variante oder B.1.1.7 bekannt. Diese Variante weist insgesamt 17 relevante Mutationen zum Zeitpunkt der Erstbeschreibung Anfang September auf, was auf eine signifikante vorherige Evolution hinweist, vermutlich in einem chronisch infizierten Individuum.5 Von den neun Veränderungen im Spike-Protein (Deletion H69/V70; Deletion 144; N501Y, A570D, D614G, P681H, T716I, S982A, D1118H) gilt die N501Y Mutation als die wichtigste Veränderung dieser Variante durch Erhöhung der Affinität für das zelluläre ACE2 Rezeptorprotein.6 Aktuelle Daten deuten auf eine deutlich erhöhte Reproduktionszahl hin7, und auch eine erhöhte Fallsterblichkeit wird diskutiert.8 Die gute Nachricht bezüglich dieser Variante: die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer9, Moderna10 und Oxford/AstraZeneca11 weisen eine nahezu uneingeschränkte Wirksamkeit gegenüber B.1.1.7 auf.

Südafrikanische Variante

B.1.351 oder die „südafrikanische“ Variante ist eine weitere Variante, der eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Sie wurde im Dezember 2020 erstmals vermehrt in Südafrika beobachtet und weist zahlreiche Mutationen im Spike-Protein auf (L18F, D80A, D215G, R246I, K417N, E484K, N501Y, A701V). Drei Mutationen befinden sich im Bereich der Rezeptor-Bindungs-Domäne, nämlich K417N, E484K und N501Y.12 Aufgrund der N501Y Mutation ist auch bei B.1.351 eine erhöhte Transmissibilität zu vermuten, zusätzlich ist diese Variante durch eine verminderte Sensitivität gegenüber neutralisierenden Antikörpern von geimpften bzw. rekonvaleszenten Patienten charakterisiert.9,10

Dieser Effekt hat zum Teil moderaten Einfluss auf die Effektivität der aktuell zugelassenen Impfstoffe.

Brasilianische Variante

Die „brasilianische“ Variante P.1 weist wie die beiden zuvor beschriebenen Varianten ebenfalls eine Reihe von Mutationen im Spike-Protein auf (L18F, T20N, P26S, D138Y, R190S, K417T, E484K, N501Y, H655Y, T1027I, V1176F). Durch die fast identischen Schlüsselpositionen in der Rezeptor-Bindungs-Domäne (K417T, E484K und N501Y) im Vergleich mit B.1.351 ist auch für P.1 eine erhöhte Transmissibilität bzw. verringerte Effektivität neutralisierender Antikörper anzunehmen.13

Die drei letztgenannten Varianten sind sogenannte „Variants of Concern“, die einen erheblichen Einfluss auf die Pandemie-Entwicklung nehmen können. Darum ist es wichtig, die Ausbreitung in Deutschland zu überwachen, was seit einigen Wochen routinemäßig gemacht wird. Aus den gewonnenen Daten lässt sich eine dominante Ausbreitung von B.1.1.7 in Deutschland erkennen, B.1.351 ist deutlich seltener und P.1 (noch) zu vernachlässigen.14 Die Erfahrungen anderer Länder zeigt, dass eine konsequente Umsetzung von bekannten Lockdown-Maßnahmen sowie eine breite Impfstrategie auch gegen diese Varianten wirksam ist, d.h. auch in Deutschland ist eine massive dritte Welle vermeidbar.


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