Interview mit Prof. Dr. Stefan Esser, Essen
DoxyPEP und Meningokokken B-Impfung für Risikogruppen sinnvoll

Prof. Dr. Stefan Esser, Universitätsklinikum Essen Prof. Dr. Stefan Esser,
Universitätsklinikum Essen
E-Mail: stefan.esser@uk-essen.de 

Die Studie DoxyVac hat beeindruckende Zahlen vorgelegt. Wird das unseren klinischen Alltag verändern?

Esser: Die Daten sind gut, wir werden daher die neue Präventionsoption Personen mit hohem Risiko für bakterielle STI anbieten. Man sollte in diesem Zusammenhang aber auch kommunizieren, dass selbst Doxycyclin plus Impfung keinen 100%igen Schutz vor bakteriellen STI bietet.

In Frankreich geht man von rund 60% resistenten Gonokokken aus. Wie ist die ResDistenzlage in Deutschland?

Esser: In Deutschland haben wir eine noch höhere Tetrazyklin-Resistenz. Laut Bericht aus dem deutschen Gonokokken Konsiliarlabor von Frau Buder sind hierzulande rund 80% der Gonokokken resistent, allerdings ohne Angabe zur Ausprägung der Resistenz.

In der DoxyVac ist die Rate hochresistenter Gonokokken moderat gestiegen. Wird das so weitergehen?

Esser: Jedes Antibiotikum, das breit und möglicherweise unterdosiert eingesetzt wird, führt auf Dauer zu mehr Resistenzen. Darum schätze ich auch die Empfehlung in unseren Leitlinien zur Behandlung der Gonorrhoe, Ceftriaxon hoch dosiert zu geben. Wenn also mehr „PEPen“ mit Doxycyclin, gehe ich davon aus, dass die Tetrazyklin-Resistenz bei Gonokokken zunehmen wird. Bei den Chlamydien stellt die Resistenz bisher kein Problem dar und bei Mykoplasmen ist Doxycyclin ohnehin nicht Mittel der Wahl.

Und was bedeutet die Zunahme der Resistenz für Therapie der symptomatischen Gonorrhoe?

Esser: Man muss hier unterscheiden: Will ich eine frühe Infektion bei geringer Keimzahl vermeiden oder möchte ich eine floride Gonorrhoe mit reichlich Bakterien behandeln? Bei der floriden Gonorrhoe ist jetzt schon die einmalige Gabe von 1-2 g Ceftriaxon Standard. Relevante Resistenzen gegen Ceftriaxon sind in Deutschland bisher nur vereinzelt aufgetreten, insofern ist die zusätzliche Gabe von Azithromycin zur Tripper-Behandlung auch nicht mehr obligat. Besteht allerdings der klinische Verdacht, dass Koinfektionen vorliegen, wovon man laut epidemiologischen Daten bei 30-40% der Patienten ausgehen muss, kann man diese auch gleich zusätzlich mitbehandeln. Da unser Labor das Ergebnis von Abstrichen sehr schnell liefert, behandle ich persönlich andere bakterielle STI meistens lieber gezielt, sobald ein positiver Befund vorliegt, vorausgesetzt die Beschwerden des Patienten lassen das zu.

Die Nachfrage nach DoxyPEP in der Praxis wird steigen. Soll man es jedem Patienten verschreiben?

Esser: An der Studie haben MSM mit zahlreichen STI in der Vorgeschichte teilgenommen. Für diese Gruppe ist DoxyPEP sinnvoll, man kann hier eventuell sogar durch Vermeiden von floriden Infektionen Antibiotika einsparen. Ob es allerdings – wie diskutiert wird – durch den breiten Einsatz von DoxyPEP zu einem „Treatment as Prevention“-Effekt kommt und die STI-Rate insgesamt sinkt, bleibt abzuwarten. Bei MSM mit wenigen sexuellen Kontakten und ohne oder mit wenigen STI in der Anamnese wäre ich zurückhaltend. Ich finde es schwierig, Menschen aufgrund eines individuell gefühlten Risikos ein Antibiotikum in die Hand zu geben, das Nebenwirkungen haben kann, Resistenzen erzeugen kann und vielleicht auch das körpereigene Mikrobiom dauerhaft verändert.

Und verschreiben wir die DoxyPEP dann auf einem Kassenrezept?

Esser: Rechtlich gesehen, ist die DoxyPEP ein „off label use“. Das kann kassenrechtliche und juristische Konsequenzen haben und jeder Arzt/Ärztin muss für sich entscheiden, wie er vorgeht. Wichtig ist in jedem Fall die Aufklärung. In der DoxyPEP Studie sind unerwünschte Ereignisse nach Doxycyclin Einnahmen beschrieben worden. Bei gelegentlicher Einnahme von einer Dosis ist das möglicherweise klinisch nicht so relevant, aber es gab in der Studie auch Patienten, die haben Doxycyclin mehr als einmal wöchentlich eingenommen.

Welche Bedeutung hat die Impfung im Rahmen der STI-PEP?

Esser: Der Schutz vor Gonokokken durch die Impfung gegen Meningokokken B ist mit einer Reduktion des Risikos um etwa 30% im Vergleich zur DoxyPEP etwas geringer. Aber die Impfung hat relevante Vorteile: Es ist eine Langzeit-Schutz, d.h. man muss nicht daran denken, und es droht keine Resistenzentwicklung gegen Antibiotika, d.h. man kann sie breiter einsetzen. In der Studie wurde ein Impfstoff speziell gegen Meningokokken der Gruppe B (Bexsero®) eingesetzt, der mit Gonokokken kreuzreagiert.


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