Tag 3: New York, HTLV-I, SMART & START vereint
Plenary PL-3
Poster 108 Demetre C. Daskalakis, “If You Can Make it There: Ending the HIV Epidemic in New York”
Der charismatische Redner (oder sollte man besser sagen “Verkäufer”) beschrieb den Ansatz der Stadt New York, bis 2020 “Aids-free” zu werden. Obwohl schon eine Menge erreicht wurde, hat HIV in New York immer noch den Status einer Epidemie. Deshalb erfordert es eine konzertierte Anstrengung (und natürlich auch Geld) um das gesteckte Ziel zu erreichen. Dazu gehören folgende Initiativen:
- Die bisherigen STD-Kliniken in Zentren für Sexuelle Gesundheit zu transformieren
- Diese sollen effiziente Anlaufstellen für Prävention und Behandlung sein
- Unterstützung von Community-Projekten zur Prävention
- PrEP-Programm starten und PEP-Programm verbessern
- Vulnerable Gruppen mit neuen Strategien unterstützen (z.B. Armut bekämpfen)
- Community Viral Load weiter senken
- New York „statusneutral“ machen, d.h. Diskriminierung und Stigma bekämpfen
Dabei bauen die einzelnen Interventionen auf den bisherigen Erfahrungen auf. So soll z.B. zur Verbesserung der PEP eine Stelle geschaffen werden, die 24h geöffnet ist und PEP-suchenden jederzeit ein „Starterpack“ mitgeben kann. Diese Medikamente reichen bis zum nächsten Bürotag, an dem die Situation dann in einem „PEP Center of Excellence“ abgeklärt wird und das – je nach ermitteltem Risiko – für die Zukunft evtl. auch gleich eine PrEP empfiehlt.
Einer der vielen Anwender-freundlichen Ansätze: Ein Kit mit Platz für Kondome, Gleitmittel und HIV-Therapie bzw. PrEP (in rosa und schwarz erhältlich – 100.000 Kits wurden bereits verteilt)
Poster 109 Charles R. Bangham, “The Other Human Retrovirus”
Von der Öffentlichkeit (und der wissenschaftlichen Community) bisher wenig beachtet ist HTLV-1, ein Retrovirus, das im Gegensatz zu HIV schon eine mehr als 100.000 Jahre währende Ko-Evolution mit dem Menschen hinter sich hat. Weltweit sind mehr als 10 Millionen mit diesem Virus infiziert, das zwar bei mehr als 90% keine Symptome verursacht, aber bei 1-5% eine adulte T-Zell-Leukämie auslöst und bei weiteren 1-4% ein chronisch entzündliche Nervenerkrankung, die tropisch-spastische Parese oder auch „Jamaica Neuropathie“. Für beide Krankheitsbilder gibt es derzeit keine Behandlungsmöglichkeiten. Genetische Struktur, Vermehrung und Latenz unterscheiden sich deutlich von HIV, dennoch erhoffen sich die Forscher aus der weiteren Untersuchung von HTLV-1 auch Hinweise auf die Bekämpfung von HIV.
Für die durch HTLV-1 verursachte Adulte T-Zell-Leukämie gibt es derzeit kein Behandlung. Eine Chemotherapie verschlimmert die Erkrankung.
Abstract 474 Álvaro H. Borges, „Benefit of Continuos/Immediate ART on Disease Risk: SMART & START Combined Analysis“
Die SMART-Studie zu Therapieunterbrechungen und die START-Studie zum Zeitpunkt des optimalen Therapiebeginns haben die Behandlungsrealität bei HIV-Infektionen jeweils einschneidend verändert. Da jedoch beide Studien vorzeitig beendet wurden, erreichte man auch nicht die geplante Zahl von klinischen Ereignissen. Deshalb waren zum Teil zwar interessante Trends erkennbar, die aber statistisch nicht signifikant waren.
Da beide Studien von selben Netzwerk
(INSIGHT) durchgeführt waren, die Ergebnisse recht ähnlich waren
und auch die Definition der Endpunkte harmonisiert werden konnten,
entschloss man sich zu einer gemeinsamen Auswertung beider Studien.
Damit kommt man auf eine Gesamtzahl von 10.157 Patienten. Aus den
Gruppen der durchgängigen Therapie (SMART) bzw. der Gruppe, die die
Therapie sofort begann (START) bildete man eine „Immune
Preservation Group“ (IPG, 5.078 Patienten), aus der Gruppe mit
Therapiepausen bzw. verzögertem Behandlungsbeginn entsprechend die
„Immune Impairment Group“ (IIG, 5.079 Patienten).
Die relativen Risiken für klinische Ereignisse, die in den Einzelstudien z.T. knapp die statistische Signifikanz verfehlten (z.B. für Krebs in SMART oder für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in START) zeigen in der gepoolten Analyse einen signifikanten Vorteil für die „Immune Preservation Group“.
Auch bei der Subgruppenanalyse zeigte sich bei der gepoolten Auswertung, dass alle zuvor definierten Untergruppen von einer frühen bzw. durchgehenden Behandlung profitierten. Auch hier waren die Ergebnisse durch die gemeinsame Auswertung für fast alle Untergruppen statistisch signifikant („rechts von der 1“).
Damit ist das wichtigste Ergebnis der beiden Studien, nämlich dass eine frühe und unterbrechungsfreie Behandlung der HIV-Infektion das Risiko für Aids- und nicht-Aids-definierende Ereignisse senkt, statistisch sehr gut abgesichert. Wahrscheinlich werden solche Mammutstudien mit insgesamt über 10.000 Patienten im Bereich HIV in Zukunft nicht mehr durchführbar sein. Das INSIGHT-Team strebt zwar eine Nachbeobachtung der Patienten bis Ende 2012 an, aber es ist noch völlig unklar, ob die NIH die dafür nötigen Mittel zur Verfügung stellen werden.
Damit verabschiede ich mich von der CROI. Es gäbe noch so viel zu berichten: Hepatitis, Tb, Metabolismus, Kinder, PrEP - zahlreiche Geschichten aus 1.001 Abstracts (ja, so viele waren es wirklich). Als einzelner steht man der Informationsflut fast etwas hilflos gegenüber.
Trotzdem hoffe, dass meine subjektive Auswahl von Interesse war.
Viele der Redner äußerten sich in ihren Vorträgen auf die eine oder andere Weise kritisch gegenüber dem Trump-Regime, was meine Hoffnung nährt, dass sich wenigstens die wissenschaftliche Community nicht entzweien lässt.