„Unechtes“ Therapieversagen – wann ist eine erhöhte Viruslast harmlos?

Boston, 10.03 2020

Immer wieder gibt es Fälle, in denen eine spontan erhöhte Viruslast nicht durch mangelnde Adhärenz, schlechte Resorption oder Arzneimittelinteraktionen erklärt werden kann. Nun wurde ein solcher Fall näher untersucht.

Bei einer 46jährigen Frau mit HIV, die seit langer Zeit erfolgreich behandelt wurde (mit EFV/FTC/TDF), trat spontan eine Viruslast von einigen tausend Kopien/ml auf. Nachdem bei wiederholten Tests immer wieder Viruslasten im Tausender- bis Zehntausenderbereich gemessen wurden, erfolgte eine Umstellung auf LPV/r/AZT/TDF/FTC. Doch auch mit diesem Regime wurden Viruslasten zwischen einigen hundert und einigen tausend Kopien/ml gemessen.

Eine Sequenzierung des Virus ergab, dass es sich um ein defektes Virus (mit Stopcodon im Gen für p24) handelte, das aus einem großen T-Zell-Klon stammte. Sobald Zellen dieses Klons absterben, entlassen sie RNA des Virus in die Zirkulation und diese ergibt eine messbare Viruslast. Eine Produktion von Viruseiweiß und eine Verpackung des viralen Genoms ist aufgrund von (mindestens) einem Stopcodon sehr unwahrscheinlich. Somit könnte dieses Virus auch keine neuen Infektionsrunden verursachen.

Die Autoren betonen, dass die Freisetzung von (defekter) viraler RNA durch T-Zell-Klone eine bisher unterschätzte Ursache von „unechtem“ Therapieversagen sein könnte und in Zukunft bei der Betreuung von Patienten berücksichtigt werden müsste.

Leider lassen sie offen, wie dies geschehen soll. Eine komplette Virussequenzierung bei jedem bestätigtem Anstieg der Viruslast erscheint bei den heutigen technischen (und finanziellen) Möglichkeiten unrealistisch.


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